AWG91 Tól und Omé

Tól & Omé

und die Historie von

Rardisonán und dem Reich von Ojútolnán;

Tólome und Silûne;

Machey;

sowie von

Omérian und Tandereis

und deren Vorgängerstaaten;

als da wären:

Lurruken;

Tukon, TuKarra und TuReesten;

Iotor und dessen Nachfolgerstaaten;

weiterhin der Personen

Tól und Omé; Lían und Raí;

Silön; Amant Emaior;

Raréon und Mytillin Machey

und anderer.


ANDRE SCHUCHARDT

Leipzig 2020

Andre Schuchardt: Tól und Omé

Copyright © 2006 – 2020 by Andre Schuchardt

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Die Karten wurden eigenhändig erstellt mit Hilfe des Programms AutoREALM.

Als Schrift wurde FreeSerif verwendet.

ISBN: 978-0-244-55501-6

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Widmung

Für jeden, der bereit ist dies zu lesen

Diese Geschichte mag man auf vielfache Weise lesen können. Zum einen ist sie der Anfang zum Ende. Weiterhin ist eine der berühmtesten Legenden und Märchen der Welt. Sie erzählt von Liebe, Tragödien, Kriegen, Hass und dem Einfluss von Religionen. Man kann sie aber auch als bloße Historie der Länder und Religion betrachten. Letztlich ist sie vor allem auch eine Stilstudie. Bilden sie sich ihre eigene Ansicht und erzählen sie mir davon.

Personen

Tól und Omé

Lían – Tochter von Tól und Omé

Raí – Sohn von Tól und Omé

Silön

Amant Emaior 1. Kommandant der Armee von Tól und Omé, Gründer von Omérian

Raréon – Diener Tóls, Gründer von Rardisonán

Mytillin Machey – Abenteurer, Gründer von Machey

Sedíra – Geliebte von Raréon

Thaléon Balouron – Höchster Ratgeber Silöns

Canoud Velieun – 1. Träger des Titels „Ratgeber Silöns“

Malont Déaron – 2. Kommandant der Armee von Tól und Omé

Thelóí Isúm3. Kommandant der Armee von Tól und Omé

Alaun Isúm – Bruder von Thelói, Mann von Lían

Galand – Soldat unter Amant Emaior und Raréon

Gaunus – 1. Anhänger von Tól und Omé

Mogaun – Tochter von Lían und Alaun Isúm

Dojolas Igíman – Herr von Tobjochen und 2. Diener Tóls

Géri Anaruen – Herr von Emadé

Camón Anaruen – Sohn von Géri und Nachfolger

Mharef – Letzter wahrer Herrscher von Iotor

Gar-iorhed – Kammerherr von Aurost

Enreesa an’Karra – Letzte Herrscherin von TuKarra; Frau von Machey

Soumyl an’Dunnar – Herr von Pegrott

Varman an’Linroc – Anhänger von Mytillin Machey

Garmyn an’Vorra – Gegner von Mytillin Machey

Manurc an’Rees – Letzter Herr von Rees

Karlon von Morgolt – Ein Herrscher von Morgolt

Brannac – Adliger aus TuReesten

Tamirús – Letzter Herr von Lurruken und als Gott angesehen.

Sowie: Diener, Bürger, Bauern, Soldaten, Offiziere, Seeleute, Adlige und andere.

Aussprache:

Ähnlich Französisch: Akzent zeigt Betonung.

Tól, Omé, Lían, Raí, Amant Emaior, Canoud Velieun, Malont Déaron, Theloí Isúm, Alaun Isúm

Ähnlich Englisch:

Galand, (ältere Orte im Osten Lurrukens:) Ketaine, Silaine, Arasanh, Arsullan, Yalame

Ähnlich (alt)Deutsch: Akzent zeigt Betonung und Längung

Silön, Raréon, Gaunus, Tamirús

Imarisch (ee=langes i; v=w; y=i; ou=langes u, c=k):

Enreesa, Varman an’Linroc, Garmyn an’Vorra, Soumyl, Brannac, Karlon, Morgolt, Manurc

Juepisch (j=dsch [vor u=ch]; ´=Akzent, uen=“uwen“ und

hu=w wobei w wie in engl. water; Vokale gut artikuliert):

Dojolas Igíman, Géri Anaruen, Camón Anaruen, Tobjochen, Emadé, Huálor

Tolumisch (r=stark gerollt; i=j, au=öi):

Mharef, Gar-iorhed, Iotor, Aurost

Weitere Aussprachehilfen und anderes im Lexikon.

Prolog

Einst lag hoch im Norden, angrenzend an die heutigen Ländereien von Irlost, das Tolumenland Otoriach. Dessen Herrscher Ghireuzar ging in die Legenden der Weltgeschichte ein, da er den Grundstein zum Reich von Iotor lieferte, indem er im großen Tolumenkrieg seine Nachbarländer Djikka und Ratam besetzte. Seine Nachfahren eroberten nach und nach weitere Ländereien – von Ojonis sowie Teile von Delent, Tolumien, Flejenda, Saten und Omijern – und brachten so einigen Nationen den Untergang, dem eigenen Reich jedoch Macht, Wohlstand und den Rang als zweitgrößtes Reich des Festlandes, nach Lurruken. Aber natürlich konnte das nicht ewig andauern und so wurde Iotor, wie sich das Reich mittlerweile nannte, bis Ende des 20. Jahrhunderts geschwächt.

Dies ist die Geschichte von Tól und Omé, wie sie in Lurruken erschienen, die Menschen berührten, so viele wie möglich vor dem Untergang am Ende des 20. Jahrhunderts bewahrten, und wie sie die Welt änderten.

Auch ist dies die Geschichte aller Personen, die darin verwickelt waren.

I: Das Erscheinen und die ersten Jahre im Südosten von Lurruken

Beteiligte: Tól, Omé, Silön, Gaunus, Lían, Raí, Verwalter von Taiban, Bürger von Arasanh, Siedler von Lían, Gaunus‘ Leute

Orte: Arasanh, Taiban, Lían

Sie kamen die Straße von Geistig her entlang und sollten das Geschick der gesamten Welt ändern. Doch sie kamen nicht aus Geistig, niemand hatte sie je dort erblickt. Die Straße führte nach Arasanh, dem Gebiet colitischer Siedler und Kaltstämme und lag im südöstlichsten Teil von Lurruken, wo der Glaube an die Macht seines Herrschers Tamirús im Reich am schwächsten war. Gleichzeitig aber dieses Reich das am weitesten entwickelte in der bekannten Welt darstellte. Woher sie kamen vermochte niemand zu sagen; es schien fast, als seien sie eines Tages einfach auf der Straße nach Arasanh erschienen. Der Wald von Stirmen und die Silbernen Bäume lagen unweit des Weges und möglicherweise kamen sie von diesem geheimnisvollen Ort, hatte doch noch nie ein menschliches Auge das Innere Stirmens erblickt und davon berichten können. Verfechter anderer Vermutungen halten jedoch stets dagegen, dass ihre Sprache dem Luvaunischen ähnelte und man annahm, dass in Stirmen anderes gesprochen wurde.

Es begann an einem sonnigen Tag im Frühjahr des Jahres 1980. Gaunus und seine Leute saßen am Fuße eines kleinen Hügels am Straßenrand irgendwo in den Darsis-Ufern nahe Stirmen, sich kurz von der anstrengenden Reise erholend. Wie später berichtet wurde, soll es sich zu dieser Zeit begeben haben, dass die Tiere des umgebenden Waldes plötzlich verstummten, als hielten alle gespannt den Atem an.

Hört ihr das?“

Gaunus drehte beunruhigt den Kopf und spähte die Straße entlang. Die anderen sahen ihn merkwürdig an.

Nein, ich hör’ nichts“, meinte einer der Männer.

Genau das meine ich ja!“ bestätigte Gaunus, „Was ist mit den Tieren?“

Nun verstanden sie und sahen ihn ebenso verwirrt an. Gemeinsam blickten sie zur Straße, welche Richtung Geistig führte. Die Männer befanden sich an einer Stelle im Lande Lurruken, die kaum bewohnt aber stark von Tieren durchstreift war. Umso mehr machten sich die Männer nun Gedanken. Nach kurzer Zeit wurden sie sich nähender Gestalten aus Richtung Geistig gewahr.

Sie waren zu dritt: ein Mann und eine Frau von herrschaftlicher und nicht ganz menschlicher Gestalt, auch wenn nie jemand zu sagen vermochte, worin der Unterschied bestand. Beide waren sie hoch gewachsen und unmenschlich schön, doch gekleidet nur in billigstem Sackleinen. Von ihnen ging eine merkwürdige Ausstrahlung aus, welche sogar Gaunus und die Männer spürten. Als sie näher kamen, verstärkte sich dieser Eindruck noch. Hinzu kam eine seltsame Unwirklichkeit. Sie schienen keine Lebewesen dieser Welt zu sein. Ihnen zur Seite stand noch eine dritte Person, sich stets so unscheinbar gebend, dass niemand je genau sagen konnte ob Mann oder Frau. Ohne großartiges Anzeichen, dass sie die Männer bemerkt hatten, näherten sie sich. Lange braune Haare verdeckten ihre Ohren. Die Frau ließ ihren Blick über den Wald wandern, der Mann blickte Gaunus unverwandt an. Sie blieben dicht vor den Männern am Straßenrand stehen.

Eure Welt ist dem Untergang geweiht!“ begann der Mann mit fester Stimme, die trotzdem irgendwie unwirklich erschien.

Gaunus war zutiefst beeindruckt von der Ausstrahlung des Mannes.

Wer seid ihr?“ wagte er zu fragen.

Wir sind Tól und Omé“, sprach Tól und deutete dann auf die dritte Gestalt, „und dies ist Silön.“

Dann nahm seine Stimme einen bedrängenden Unterton an als er verkündete: „Ihr werdet nur noch wenige Jahre haben, bevor ein großes Unheil kommen wird!“

Irrsinn!“ rief da einer der Männer dazwischen, doch duckte er sich ängstlich und ganz geschwind unter dem durchdringenden Blicke Tóls.

Ruhe!“ herrschte ihn Gaunus an, „Lasst ihn sprechen!“

Wir sind gekommen euch zu warnen und euch zu helfen“, sprach Tól, „begleitet uns und wir werden euch retten.“

Mit diesen Worten drehten die Drei sich um und setzten ihren Weg die Straße entlang fort, gen Arasanh. Gaunus sah ihnen nach. Es waren nur wenige Worte gewesen, die sie gewechselt hatten, doch irgendwie war er tief erschüttert von dem Geschehenen und bereit, ihnen alles zu glauben. Nach einem kurzen Moment des Stillstandes und des Schweigens, riss er sich zusammen, schnappte sich seinen Rucksack vom Boden, schulterte ihn und eilte den Dreien hinterher. Die Hälfte seiner Männer folgte ihm später.

Tól und Omé gingen gemächlichen Schrittes, hoheitsvoll und fast als würden sie schweben. Ihre Kutten reichten bis zum Boden, so dass man ihre Füße nicht sah, was den Eindruck des Schwebens nur noch verstärkte. Silön ging hinter ihnen. Drei Tage waren sie unterwegs und lagerten stets am Wegesrand. Tól und Omé hielten immer Abstand zu den Männern, oder genauer: diese zu ihnen. Nie sah jemand die Drei schlafen, sie aßen nur wenig und auch nur von dem, was sie bei sich hatten, und nie fiel ein weiteres Wort zwischen ihnen und den Männern, doch verspürten letztere weiterhin den Wunsch und Drang ihnen zu folgen, nötigenfalls bis an das Ende der Welt und darüber hinaus.

Vorher jedoch kam Arasanh. Mitten im Wald gelegen, das Portal der Kernlande Lurrukens zu den dünner und von colitischen Einwanderern und alten Kaltstämmen bevölkerten Ländern des Ostens, zwischen den Wäldern von Stirmen und den Quellbäumen. Tól und Omé gingen direkt zum Marktplatz. Mitten am Tag standen sie dort, umringt von einer Menschenmasse, die immer größer wurde, je länger sie dort standen und dieser von dem kommenden Unheil erzählten. Sie sprachen von einem Feuer, welches die Meere würde ansteigen lassen. Ganze Länder würden in den Fluten versinken und Tausende sterben. Nun seien sie gekommen die Einwohner dieser Länder zu warnen, zu sammeln und vor den Auswirkungen des Feuers zu bewahren. Einige der Zuschauer schimpften sie Lügner und Betrüger, diese wurden aber von denjenigen, welche sich überzeugen ließen, schnell in den Hintergrund gedrängt und zum Schweigen gebracht; oder Silön unterhielt sich selbst mit ihnen.

Ein Jahr verbrachten die Drei in Arasanh. Sie wohnten bei ihren neu gewonnen Anhängern und wurden von diesen versorgt. Silön wurde nur selten in Arasanh erblickt, reiste den Großteil der Zeit durch die Ostlande im Auftrage Tól und Omés und um weitere Anhänger zu finden. Nach und nach kamen dann auch immer mehr Leute nach Arasanh um Tól und Omé zuzuhören und brachten deren Botschaft bald in andere Teile des Landes. Mit ihren Anhängern sprachen die Beiden stets deren eigene Sprachen, begannen jedoch, ihnen auch die ihre beizubringen, die dem Luvaun ja sehr ähnlich war. Im Frühjahr 1981 zogen sie weiter nach Taiban am anderen Ende der Quellbäume. Viele ihrer Anhänger versuchten ihnen zu folgen, während Silön sich im Osten herumtrieb. Entlang der Quellbäume führte sie ihr Weg, doch vor den Toren von Taiban mussten sie anhalten. Dessen Verwalter persönlich begrüßte sie von den Mauern der Stadt herab.

Ihr also seid Tól und Omé?“ fragte er mit einem herablassenden Blick, „Ich habe schon von euch und euren volksaufhetzenden Reden gehört. Andere Verwalter mögen euch dulden – ja sogar Tamirús selbst – doch bekommt ihr keinen Zutritt zu dieser Stadt, solange ich hier bin!“

So mussten Tól und Omé umkehren. Kaum besiedeltes Gebiet durchquerend gingen sie nach Osten und kamen an den Fuß eines Gebirges.

Hier bleiben wir und bauen eine Gemeinschaft auf“, sprach Tól.

Und so ward es. Am Westende des Gebirges gründeten Tól und Omé mit ihren Anhängern eine Siedlung. Im Sommer standen die ersten Holzhütten und mit Hilfe zugereister Steinmetze und Baumeister bald auch eine Versammlungshalle am Fuße einer kleinen Hochfläche. Hirten und Weber sorgten für Wolle und einfache Kleidung, Bauern begannen Getreide anzubauen sowie Schweine und Dreuyen zu halten. Anfang Herbst stand eine Mühle und schließlich kamen sogar die ersten Händler aus den umgebenden Städten; aus Arasanh, Taiban, Maggin, Ketaine und Silaine strömten sie herbei.Gleichzeitig wurde Omé schwanger. Anfang Sommer des Jahres 1982 kam das erste Kind von Tól und Omé zur Welt.

Ihr Name sei Lían!“ sprach Tól und hob seine Tochter, eingewickelt in Leinentuch, hoch über seinen Kopf, umringt von den Dorfbewohnern, während Omé noch von der Amme der Gemeinschaft gepflegt wurde. Das Mädchen wurde schnell zum Liebling des Dorfes und alle kümmerten sich gemeinsam um sie, allen voran Gaunus. Schnell fand man so sehr Gefallen an ihr, dass es sich langsam durchsetzte auch das Dorf Lían zu nennen.

In den nächsten sechs Jahren wuchsen sowohl Dorf als auch Kind Lían. Das Dorf bekam reichlich Zustrom; es eröffneten eine Taverne und mehrere Herbergen, zwei Bäcker verarbeiteten das Mehl der Mühle weiter zu Brot, ein Metzger kümmerte sich um die Schweine der Bauern, ein Käsemacher verarbeitete die Milch der Kühe zu Käse und verschiedene Händler boten Obst, Gemüse und andere Sachen feil. Schließlich kamen sogar ein Gerber, ein Ledermacher, ein Schmied, Schuster, Fassbinder, Tischler und Holzarbeiter ins Dorf, allesamt Gläubige von Tól und Omé. Bis 1988 war die Gemeinschaft groß genug geworden, um die Aufmerksamkeit der Behörden von Lurruken zu erregen. Amtsträger aus der Hauptstadt Tamilor kamen nach Lían und nach einer Prüfung durch die Behörden wurde die Gemeinschaft als Teil von Lurruken anerkannt. Andernfalls hätte sie auch nicht weiter bestehen dürfen. Da Lían aber ein luvaunisch klingender Name war, übersetzten die Behörden ihn und trugen das Dorf unter dem Namen Lain in ihre Unterlagen ein. Im gleichen Jahr kam das zweite Kind von Tól und Omé zur Welt.

Sein Name sei Raí!“ sprach Tól und hob seinen Sohn, eingewickelt in Leinentuch, hoch über seinen Kopf, umringt von den Dorfbewohnern. Diesmal aber auf dem Marktplatz stehend, vor der neuen Markthalle. Und Raí ward ebenso großgezogen wie Lían.

II: Amant Emaior und Silön – bis zum Ende der Welt

Beteiligte: Tól, Omé, Silön, Lían, Raí, Amant Emaior, Galand, Raréon, Tamirús, Bannerträger von Emaior, Dienstmagd, Bürger von Lían, Krieger von Emaior, Kämpfer von Maggin, Bürger von Maggin

Orte: Lían, Burg Raí, Maggin

Eines Tages tauchte ein Fremder in Lían auf, ein Kämpfer aus Luvaun.

Wir haben euch bereits erwartet“, sprach Tól.

Der Kämpfer drehte sich überrascht von dem Obststand am Marktplatz um und sah Tól an.

Ihr seid Tól!“ stellte der Kämpfer fest, „Die Beschreibung welche man mir gab hielt ich für übertrieben, aber wahrhaftig! Man erkennt euch sofort.“

Und ihr seid Amant Emaior“, sprach Tól und nickte kurz, „begleitet mich bitte in die Versammlungshalle.“

Emaior folgte ihm, wenngleich sie sich auch genauso gut auf der Straße hätten unterhalten können, da sie eh keiner der Bürger weiter beachtete.

Eine beeindruckende Stadt habt ihr da geschaffen, mein Herr!“ meinte Emaior beeindruckt, sobald sie die Versammlungshalle erreicht hatten.

Wir werden mit unserer Absicht nicht rechtzeitig vorankommen, wenn sich alles so langsam weiter entwickelt“, sprach Tól.

Wird die Welt wirklich untergehen?“ wollte Emaior wissen.

Nicht die ganze“, sprach eine warme Stimme vom Eingang zu einem Nebenzimmer aus.

Emaior blickte zum Durchgang und sah dort Omé stehen. Aber er sah nicht die Person, er sah nur ein Wesen reinster Güte und Schönheit. Augenblicklich fing sein Herz an, nur noch für sie zu schlagen; er sollte ihr ergebenster Diener sein.

Er fiel auf seine Knie nieder und hauchte: „Herrin Omé!“

Omé trat gewandt aus der Tür und zu ihrem Gatten. Dann sah sie Emaior mit einem warmen Lächeln an.

Steh auf, Amant Emaior“, sprach sie und lächelte.

Emaior tat wie ihm geheißen. Leicht unsicher, vor allem aber tief beeindruckt sah er Omé unverwandt an.

Ihr seid nicht umsonst zu uns gekommen“, sprach nun Tól, der Emaiors Blicke nicht übersehen hatte, „sagt, was trieb euch zu uns?“

Ohne den Blick von Omé zu lassen, antwortete Emaior, als hätte sie gesprochen.

Ich habe von eurer Geschichte gehört; von einem Reisenden auf der Straße nach Tamilor, wo ich mir Arbeit suchen wollte.“

Emaiors Blick zuckte kurz zu Tól, dann wieder zu Omé.

Er hielt euch für wahnsinnig und falsche Wahrsager, doch ich wollte mehr wissen und zog nach Arasanh. Dort begegnete ich Anhängern von euch, die mich auf diese eure Stadt verwiesen“, fuhr Emaior fort.

Er sah wieder Tól an.

So steh ich denn nun hier, bereit euch zu dienen! – und auch euch, edle Omé!“ sprach er und sank wieder vor ihr auf die Knie, stand aber ebenso sofort wieder auf.

Tól nickte ernst.

Wir haben euch erwartet – helft uns, möglichst viele zu retten“, sprach er.

Wie sollte ich das tun können?“ fragte Emaior.

Wir müssen die Gemeinschaft vergrößern“, sprach Tól und faltete die Hände vor dem Körper, „Lurruken wird untergehen. Wir müssen den Menschen Sicherheit bieten – fangt damit in den Bergen an! Dort findet ihr auch Silön.“

Und Amant Emaior zog mit einigen Handwerkern, Baumeistern und Arbeitern zum Ostende des Gebirges, um dort eine Burg zur Sicherung des Landes zu errichten, für den Zeitpunkt, an dem Lurruken nicht mehr sein würde. Vorher aber ging er der Aufgabe nach, einen Helfer zu finden, welcher die Worte Tól und Omés würde besser verbreiten können, wurden sie doch bisher von Mensch zu Mensch weiter getragen. Er suchte in den Reihen der Gemeinschaft in Lían, doch fand er erst auf dem Weg zur Baustelle der Burg jemanden: Silön lebte einsiedlerisch in einer Hütte am Südhang der Berge, versteckt in einem kleinen Wäldchen. Emaior entdeckte den Ort zufällig, als er mit seinen Leuten Schutz vor einem Sturm suchen wollte. Er klopfte.

Jemand rief: „Herein!“

Knarrend öffnete sich die Tür.

Wer ist da?“ sprach die Stimme.

Silön stand gerade am Feuer des Kamins und rührte in einem Topf; Emaior stand in der Tür.

Ein Reisender, der Schutz vor dem Sturm sucht – darf man eintreten?“

Silön beäugte ihn misstrauisch, insbesondere seine Waffe.

Wer seid ihr und wohin reist ihr?“

Emaior tat einen vorsichtigen Schritt in die Hütte – Silöns Hand wanderte zum Kaminsims, wo ein Schürhaken lag, woraufhin Emaior seinen nächsten Schritt wieder zurück tat. Er öffnete den Mund, doch sprach nicht sofort.

Mein Name lautet Amant Emaior. Ich reise in den Osten der Berge um dort eine Burg für Tól und Omé zu errichten – und mehr Leute vor dem Unglück der nächsten Jahre zu bewahren.“

Bei der Erwähnung von Tól und Omé blickte Silön interessiert auf.

Tól und Omé schicken euch?“

Tatsache! – Darf ich nun eintreten?“

Silön blickte ihn abschätzend an. „Sicherlich.“

Die Hütte war einigermaßen groß genug, um Kamin, zwei Tische, ein schmales Bett, einen Haufen seltsamer Gerätschaften auf den Tischen sowie zwei Bücherregale voller schwerer Bücher zu beherbergen.

Ihr lebt hier ziemlich abgeschieden“, stellte Emaior fest.

Meine Forschungen erfordern Abgeschiedenheit“, erwiderte Silön etwas kühl.

Forschungen? Welcher Art?“

Silön zögerte kurz und schien widerwillig.

Der Natur und der Gesamtheit vor allen Dingen.“

Ah, interessant“, murmelte Emaior, doch ihn befriedigte diese Antwort in keiner Weise.

Er versuchte den Titel eines Buches, das auf einem der Tische stand, zu erkennen, doch Silön bemerkte dies und verstaute es rasch in einem Regal. Emaior blickte mit geöffnetem Mund auf, versuchte so zu tun, als sei nichts gewesen, und fuhr fort.

Habt ihr euch deshalb von Tól und Omé zurück- und seid hierher gezogen?“

Silön mustere ihn leicht misstrauisch.

Worauf wollt ihr hinaus? Ich habe sie nicht verraten, ich benötige nur etwas Ruhe!“

Emaior hob abwehrend und beschwichtigend die Hände.

Ich wollte euch nichts vorwerfen. Es war nur eine Frage. Und Tól und Omé haben mir aufgetragen, nach euch zu suchen.“

Nach mir?“

Silöns Blick wurde nachdenklich.

Was wollen meine alten Herren von mir?“

Darf ich etwas bleiben? Dann erzähle ich es euch.“

Natürlich“, erwiderte Silön und deutete auf den gefüllten Topf über dem Feuer im Kamin.

Wollt ihr mir beim Essen Gesellschaft leisten?“

Gerne doch!“ antwortete Emaior, zog einen Stuhl heran und setzte sich.

Er fuhr fort: „Bevor ich es vergesse – meine Männer und ich lagern in einer Höhle oben am Berg.“

Silön zögerte – nickte – und rührte etwas im Topf um. Später saßen sie zusammen beim Essen und unterhielten sich über Tól und Omé. Schließlich aber trennten sie sich am nächsten Tag. Emaior und seine Leute zogen zum künftigen Bauplatz der Burg; Silön packte alle wichtigen Sachen und ging nach Lían. Dort wurde Silön bald wieder hauptsächlich verantwortlich für die Verbreitung der Worte von Tól und Omé. Später schickte man Silön nach Süden, in die südöstlichen Gegenden von Lurruken, von Geistig bis Tambaheim und von Taiban bis Ketaine. Silön war in dieser Zeit oft bei Tól und Omé und führte etliche Gespräche offen auf dem Marktplatz mit ihnen darüber, was der Welt zustoßen würde und wie man möglichst viele Lebewesen retten könnte. Silön wurde in dieser Zeit wieder am wichtigsten für die Sache von Tól und Omé; neben Amant Emaior, welcher in Lían und der fast fertig gestellten Burg Kämpfer ausbildete. Er fand ein paar Waffenkundige immer nützlich, und Tól und Omé verweigerten es ihm nicht. Doch oft wusste man auch nicht, was Silön gerade tat, beschäftigt in der Hütte in den Bergen oder im fernen Süden. Eines Tages, als Silön und Emaior wieder zeitgleich in Lían weilten, trafen sie erneut zusammen und unterhielten sich.

Wir müssen die Worte von Tól und Omé aufschreiben und vervielfältigen, um sie leichter verbreiten zu können!“ war Silöns eifrige Ansicht.

Vor allem müssen wir die Leute warnen und dafür sorgen, dass sie hier Schutz und Zuflucht finden, wenn sie ihre Heimat verlieren“, meinte Emaior.

Und genau dazu müssen wir doch die Warnungen verbreiten!“

Und wer soll sie lesen? Keiner meiner Männer kann lesen, und das gewöhnliche Volk erst recht nicht.“

Wir schicken Leute aus, die es ihnen vortragen“, meinte Silön leicht eingeschnappt.

Nur ist es fraglich, ob die Leute es ihnen glauben.“

Dann müssen wir die Besten finden.“

Emaior schien der Zeitpunkt gekommen, das Gespräch abzuwandeln.

Wie geht eure Aufgabe voran?“

Recht gut, ich bin zurzeit besonders in einer Stadt namens Maggin am Gantrott tätig“, antwortete Silön besser gelaunt.

Ja, von der Stadt habe ich gehört“, sagte Emaior nachdenklich.

Plötzlich kam ein Diener zu Türe herein und sah zu Emaior.

Herr, unser Herr Tól will euch sprechen.“

Emaior zog die Augenbrauen hoch. Dann wandte er sich Silön zu.

Ich muss gehen“, erklärte er, und verließ den Raum.

Tól und Omé erwarteten ihn bereits. Sie begrüßten sich kurz, dann kam Tól ohne Umschweife zur Sache.

Amant, ich habe eine weitere Aufgabe für euch.“

Ja, Herr?“

Habt ein Auge auf Silön“, sprach Tól und blickte ihn ernst an.

Herr?“ Emaior blickte verwundert und fragend.

Tut wie euch geheißen“, sprach Tól und ließ es dabei bewenden, „und nun geht.“

Herr…“, murmelte Emaior, verbeugte sich, warf einen Blick zu Omé und ging, vor sich hin grübelnd.

Es war im Frühjahr 1997, als Emaior die Burg endlich fertig stellte. Er nannte sie kurz entschlossen Raí, nach dem Sohn von Tól und Omé, welcher zu dieser Zeit oft in der Burg weilte, um den Kämpfern bei ihrer Ausbildung zuzusehen. Der Junge schwirrte ständig um Emaior herum und bettelte ihn an, auch eine Ausbildung an den Waffen zu bekommen, was Emaior aber stets ablehnen musste, da der Knabe doch erst neun Jahre zählte. Die fünfzehnjährige Lían dagegen blieb stets bei der Gemeinschaft, immer mitten unter den Bürgern und in Kontakt zu ihnen. Während all der Zeit ließ Emaior Silön von je ein, zwei seiner Leute beobachten und sich alles berichten. Im Sommer dann bekam er Nachricht aus Maggin. Scheinbar verbreitete Silön eine ganz andere Lehre, nicht die Worte von Tól und Omé, sondern eigene, gegen Tól und Omé gerichtete. Im Süden, in Orten wie Maggin, fand Silön eigene Anhänger und schien gegen Tól und Omé zu spielen. Emaior reiste sofort zurück nach Lían, um Tól und Omé davon zu berichten. Er blieb bis zum Herbst bei ihnen, als auch Silön schließlich wieder nach Lían zurückkehrte. Silön wurde sofort zu den Dreien beordert. Kaum das Silön die Versammlungshalle betrat, hob Tól anklagend den Finger.

Silön! – Wir haben von deinem Verrat erfahren!“ sprach Tól mit einem harten Ausdruck in den Augen.

Silön blickte erst unsicher, täuschte dann aber Verwunderung vor.

Herr? Wovon sprecht ihr?“

Tut nicht so! Ihr verdreht unsere Worte und versucht gegen uns zu wirken, die Menschen gegen uns aufzuhetzen!“ sprach Tól.

Herr, ihr missversteht – ich versuche euch nur zu dienen.“ Silön wirkte sichtlich nervös.

Wir verstehen alles! – Geht – verlasst die Stadt und kehrt nie wieder hierher zurück – jeder, der euch zwischen Arsullan und Emaiors Burg begegnet, mag euch niederstrecken!“ sprach Tól, und so ward es.

Vogelfrei verließ Silön die Stadt und musste sich durch die Wildnis schlagen, um nicht von irgendwelchen Reisenden gesteinigt oder schlimmeres zu werden. Bald verließ Silön dann ganz das Gebiet der Anhänger von Tól und Omé. Wenige Monde später hieß es, dass Silön Maggin erreicht habe und dort plane die Stadt Lían mit Waffengewalt zu nehmen. Emaior überzeugte Tól und Omé schnell davon, Silön zuvorzukommen. Mit seinen ausgebildeten Kriegern aus Stadt Lían und Burg Raí stellte er in letzterer eine kleine Streitmacht zusammen. Sogar lurrukische Soldaten aus Arasanh und Taiban meldeten sich freiwillig, um den Nachbarn beizustehen. Vielleicht zweimal einhundert Kämpfer konnte Emaior zusammenziehen. Mit den ersten längeren Frühjahrstagen des Jahres 1998 waren Emaior und seine Gefolgschaft bereit, gegen Maggin zu ziehen. Am Morgen des Aufbruchs, als Emaior seinen Truppen voraus zum Burgtor ritt, liefen Raí und Lían zu ihm, welche erst wenige Tage zuvor in der Burg angekommen waren, um dem Aufbruch zusehen zu können.

Kinder! Bleibt zurück und lasst die Männer durch“, ermahnte sie Emaior.

Aber… aber Amant…“, fing der kleine Raí an, doch Lían fiel ihm ins Wort.

Es tut mir Leid, er will unbedingt mit dir mit“, entschuldigte sie ihren kleinen Bruder.

Emaior blickte beide leicht verärgert an. Er hatte keine Zeit für so was.

Raí, es ist viel zu gefährlich für dich und du bist noch zu jung, um mit uns zu kommen!“

Der Junge wirkte, als wäre er den Tränen oder einem Wutausbruch nahe. Immer wieder öffnete und schloss er den Mund, als würde er stottern, doch ohne ein Wort hervorzubringen. Schließlich schaffte er es doch noch.

Aber… aber.. bitte!“

Nein!“ herrschte ihn Emaior barsch an.

Ihr bleibt hier oder kehrt heim zu euren Eltern!“

Raí hob wütend, doch den Tränen nahe, einen Stein vom Boden auf und schmiss ihn auf Emaior. Der Stein prallte aber wirkungslos an dessen Rüstung ab. Der Junge rannte sodenn weinend zu einem Turm der Burg und verschwand dort. Lían und Emaior sahen ihm nach.

Es tut mir Leid…“, meinte Letzterer leise und verunsichert.

Lían sah ihn an.

Es ist nicht deine Schuld – ich werde ihn beruhigen!“ sprach sie und verschwand.

Emaior sah ihnen einen kurzen Moment lang traurig nach, bevor er sich zu seinen Männern umdrehte.

Lasst uns ziehen!“ sagte er mit fester Stimme und laut genug, dass alle ihn hörten, dann ritt er ihnen voran zum Tor heraus.

Zwei Wochen später erreichten sie Maggin. Dieses war eine kleine aber wehrhafte Stadt. Errichtet von Colite-Stämmen aus Darite, doch nach lurrukischem Stil und von lurrukischen Baumeistern, lag sie rechteckig angelegt am Südufer des Gantrott, dort, wo der Bauran in den größeren Fluss mündet. Die rechteckige Anlage ermöglichte einfache, rechtwinklige Mauern, hinter denen Straßen und Häuser ebenso rechtwinklig angelegt waren. Nur drei Tore boten Zugang zur Stadt: Eins gen Südwesten, zur Straße Panen-Tambaheim hin, ein weiteres zum kleinen Hafen der Stadt und letztlich eins, von dem eine lange Brücke aus über den Gantrott führte, die wohl leider einzige Möglichkeit, die sich Emaior nun bot.

Emaior wusste nicht, was ihn dort erwarten würde. Maggin war stärker in der Hand Lurrukens als beispielsweise Arasanh. Eine kleine Abteilung der Armee Lurrukens war hier in diesem Grenzposten inmitten von Lurrukens Südosten beheimatet. Wie sich schnell herausstellte, als Emaior einen Boten zur Stadt entsandte, und dieser einem Pfeilhagel erlag, war es Silön wohl eindeutig gelungen, eben diese zu überzeugen, zum eigenen Schutze Silöns zu handeln. Emaiors Kämpfer waren lange nicht stark genug die Stadt zu stürmen, so entschloss er sich stattdessen, vor ihr zu lagern, sie zu belagern, und einen Teil seiner Leute über den Fluss zu schicken um die beiden Haupttore zu bewachen, auf dass kein Feind die Stadt würde lebend verlassen können.

Emaior zeigte Hartnäckigkeit, Silön dagegen Ausdauer, als sich bis zum Winter des nächsten Jahres an dieser Lage nichts änderte – bis auf kleinere Verstärkungen für Emaior, welcher mittlerweile zwei von Holzmauern gesicherte Lager hatte errichten lassen. Gegen Ende des Winters schließlich wollte Emaior endlich eine Entscheidung. Er wusste, das Ende war nicht mehr fern, Tól und Omé hatten es verkündet. So ließ er den lautstärksten seiner Männer eine Herausforderung gegen die Mauern von Maggin rufen. Und Silön willigte ein, ahnte doch auch Silön, dass es bald so weit sein würde. Die Mauern der Stadt Maggin öffneten sich und heraus strömten Scharen von Kämpfern der Stadt, welche die beiden Lager angriffen. Amant Emaior und Silön aber trafen sich auf einem kleinen Hügel gegenüber vom Hafen, auf der anderen Seite des Flusses, zwischen Gantrott und Bauron, zum Zweikampf. Ihre Reittiere scharrten unruhig im Boden herum.

So treffen wir uns denn also wieder“, begrüßte Silön den Gegner.

Ihr wisst, ich bin hier um euch zu töten!“ entgegnete Emaior.

Gewisslich wollt ihr das“, antworte Silön und fuhr höhnisch fort, „ebenso, wie eure Herren meinen Tod nur wollen, um keine Hindernisse auf ihrem Weg zur Macht zu haben!“

Lüge! – Ihr habt immer nur die Unwahrheit gesprochen!“

So glaubt denn doch, was ihr wollt, Narr, für mich ist es gleich was mit euch in eurer Knechtschaft unter ihren falschen Vorhersagen geschieht.“

Silön wirkte geradezu gelangweilt. Emaior legte wütend eine Hand auf den Griff seines Schwertes, bereit es zu ziehen…

Nehmt das zurück! – sonst beginnt euer Ende bereits hier und jetzt!“

Armer Welpe, der den falschen Herrn anhechelt“, murmelte Silön scheinbar bedauernd.

und Emaior zog es. In Silöns Hand tauchte plötzlich ebenso ein Schwert auf und sie bekämpften sich bis aufs Blut. Trotz Silöns bloßer Gelehrsamkeit und Emaiors starkem Kampfeswillen entwickelte sich der Kampf recht ausgeglichen. Wie Schwertschlag auf Schwertschlag der beiden folgte, so bekämpften sich auch ihre Männer zu beiden Seiten des Flusses. Mehrere Stunden dauerte es und niemand schien die Oberhand zu gewinnen, da geschah es.

Auf dem Hügel unterbrachen Silön und Emaior ihren Kampf und blickten zum Himmel.

Unter ihnen, am Fluss, ließen die Krieger die Waffen sinken und sahen ebenso zum Himmel.

In Lían standen Tól und Omé auf einer der neu angelegten Stufen im Berghang und hoben ihren Blick gen Himmel.

Unten in der Stadt unterbrach Lían ihr Gespräch mit den Bürgern und Raí sein fröhliches Versteckspiel mit anderen Kindern der Stadt und beide starrten zum Himmel.

In Stirmen, so sagt man, beobachtete ein Junge namens Raréon ebenso den Himmel.

Überall auf der Welt unterbrach man jegliches derzeitiges Handeln, sah verwundert die anderen an, die bereits zum Himmel sahen und folgte ihren Blicken, mit Schrecken in den Augen.

Und in Tamilor sah Tamirús zu den Sternen empor und sah sein Ende und das eines Zeitalters des Friedens und Wohlstandes gekommen.

Der rote Feuerschein am klaren Himmel wurde schnell immer größer. Schließlich raste er als glühender Feuerball mit brennendem Schweif im Süden immer tiefer und verschwand schließlich außer Sicht. Die nachfolgenden Erschütterungen soll man sogar in Tamilor noch gespürt haben, als einer Dienstmagd beim Putzen ein Kristallkelch zerbrach. Im südlichen Salire dagegen sah man alles besser. Dort beobachtete man, wie nach dem Verschwinden des Balles weit im Süden eine Rauch- und Feuersäule sich zum Himmel erhob. Staub und Asche und sollten noch nach Monden in Salire niedergehen. Nachdem sich schließlich auch die Feuersäule gelegt hatte, begannen die ersten hohen Flutwellen. Manche waren so hoch, dass eine ganze Stadt unter ihnen begraben und zerstört wurde. Bei all diesen Verheerungen bemerkte aber kaum jemand, wie das Wasser des Meeres allmählich anstieg und von den Küsten nicht mehr aufgehalten ins Landesinnere kroch. Tól und Omé wussten, was nun zu tun sei. Ihre Gesandten in den umgebenden Regionen und Städten auch.

Auf dem Hügel bei Maggin sahen sich Silön und Emaior an, nachdem sie eine Weile den südlichen Horizont beobachtet hatten. Silön kniff verärgert die Augen zusammen; Emaior wirkte verstört und siegessicher zugleich, hatten Tól und Omé doch immer Recht gehabt.

Seht!“ rief er erstaunt, als er sah, was beim Fluss geschah.

Auch Silön wandte den Blick dorthin. Beim Fluss, zumindest auf der Seite, zu der sie Einsicht hatten, waren die Kämpfe mittlerweile vollständig zum Erliegen gekommen. Nachdem beide Armeen eine Zeit lang den Süden beobachtet hatten, begriffen sie endlich, was geschehen war. Die Einheiten Emaiors sahen Tól und Omés Vorhersagen bestätigt und hatten Vertrauen darin, dass ihnen nichts geschehen würde. Silöns Leute dagegen sahen die Vorhersagen ebenfalls bestätigt und befürchteten nun das Schlimmste. Wer weiß schon, was ihnen Tól und Omé noch antun könnten. So beschlossen sie, sich möglichst schnell möglichst weit von Lían zu entfernen.

Als nach und nach mehr Krieger von der Stadt aus Richtung Süden oder Westen flohen, fluchte Silön, sah Emaior kurz böse an und folgte den Flüchtlingen, um möglichst viele wieder zu sammeln und sie nicht gänzlich zu verlieren. Emaior ließ sie alle ziehen. Er gesellte sich zu seinen Männern, die den Sieg feierten und bereits teilweise in die Stadt eingezogen waren. Die lurrukischen Einheiten von Silön waren größtenteils geflohen, die wenigen Verbliebenen ergaben sich widerstandslos. Emaior ritt bis zum Marktplatz, blieb dort stehen und blickte über den Platz. Ein paar der Kämpfer folgten ihm, andere sicherten die Mauern und schlossen das Südwesttor um eine Rückkehr von Silön zu verhindern. Einige der Bewohner von Maggin lugten vorsichtig aus ihren Häusern oder drückten sich in Nebenstraßen. Als ein Bannerträger bei ihm ankam, erhob Emaior die Stimme.

Bewohner von Maggin!“ rief er laut genug, dass alle auf dem Platz ihn hören konnten.

Silön ist vertrieben und in diesem Moment versinkt die Welt in Verwirrung und Unheil! Hiermit erkläre ich diese Stadt als unter dem Schutz von Tól und Omé stehend, welche in Lían weilen und für euer Wohl sorgen!“

Er ließ die Worte kurz verhallen, bevor er sich zu einem seiner Männer namens Galand runter beugte und diesem leise sagte:

Sichert die Wälle ab und verhindert eine Rückkehr von Silön!“

Bereits geschehen, Herr!“

Emaior nickte zufrieden.

Sehr gut.“

In der nächsten Zeit ging Emaior zurück nach Lían um Bericht zu erstatten und wegen dem Feuer nachzufragen. Man schickte ihn zu den Ländern in der Geistebene. Der gewaltige Geist, der große Fluss, der gewaltige Urstrom, wurde zu dieser Zeit Stunde um Stunde stärker vom Meer bedrängt, welches über den Fluss ins Landesinnere drang. Emaior reiste nach Ketaine und Silaine, zwei Städte, zwischen Lían und dem Geist gelegen, und versuchte die Einwohner davon zu überzeugen, die gefährdeten Gebiete doch zu verlassen und mit nach Süden zu kommen, wo sie sicher seien. Die meisten aber waren erst soweit dieses zu tun, wenn ihr Haus bereits bis zum Dach unter Wasser stand.

Silön samt den wenigen verbliebenen Getreuen überquerte derweil den Fluss Panenfiress südlich von Maggin und erreichte nach wenigen Wochen die kleine Stadt Darôn am Fluss Nechdra. Dort meinte Silön weit genug von Lían entfernt zu sein. In dieser Stadt weit am Rande von Lurrukens Grenzmarken nistete sich Silön ein, versprach Schutz und sammelte Leute aus den langsam versinkenden Gebieten im Süden, aus Gegenden wie Tambien.

In diesem Jahr 2000 stieg der Meeresspiegel um etliches. Zahlreiche Küsten verschwanden in den Fluten, viele Hafenstädte versanken, fast ganz Salire und Pakama gingen unter – am größten jedoch waren die Verheerungen in der Geistebene, die bis zu den Schmelzöfen und kurz vor Lían fast völlig verschwand. Das Geistmeer entstand, umspülte die Überreste der Orte und die leblosen Körper derer, die nicht ihr Zuhause verlassen wollten um Schutz in den höher gelegenen Regionen zu suchen. Lían und die Gegend unter dem Schutz von Tól und Omé erhielten zu dieser Zeit starken Zustrom, unterstützt durch die Bemühungen von Emaior. Lían festigte seinen Einfluss in dieser Gegend immer mehr, da Lurruken allmählich die Macht verlor, lag doch nun gut ein Drittel des Landes unter Wasser. Das Gebiet von Tól und Omé erstreckte sich langsam von Taiban über Lían bis zur Burg Raí und hinab nach Maggin. Im Norden hatte sich unfern des Gebirges eine Küste gebildet, als das Vordringen des Meeres dort endete. Viele der überlebenden geflohenen Einwohner der versunkenen Tiefebene siedelten sich dort an, unterstützt von Tól und Omé. Amant Emaior pendelte durch die Randgebiete von Lían über Maggin bis zur Burg Raí.

III: Die Erlebnisse von Raí

Beteiligte: Tól, Omé, Silön, Lían, Raí, Raréon, Thaléon Balouron, ein Arbeiter, ein Wagenführer, ein Fährmann, ein Diener, zwei Wächter, Bauarbeiter, Bürger von Lían

Orte: Lían, Arsullan, Darôn, Silour

Im Jahre 2002 feierte man den 20. Geburtstag von Lían; Tochter und Stadt. Lían und ihre Eltern standen am Vorabend auf der höchsten der am Berghang angelegten Stufen, von wo aus jeder Stadtbewohner sie sehen konnte. Beleuchtet von Fackeln stand Lían vor ihren Eltern.

Lían! Heute wirst du in den Kreis der Erwachsenen aufgenommen“, sprach Tól und alle Augen richteten sich auf ihn.

Damit ist deine Kindheit vorbei und du trägst alle Pflichten eines Bürgers der Stadt!“

Lächelnd legte Líans Mutter ihr einen Kranz Blumen um den Hals.

Tól wandte sich an die versammelten Bürger: „Lasst die Feierlichkeiten beginnen; der morgige Tag soll ein Feiertag sein!“

Die Leute jubelten ihm zu und verstreuten sich.

Tól wandte sich an seine Tochter und sagte leise: „Komm morgen früh zu mir – und nun geh feiern.“

Tól und Omé selber nahmen nur unbeteiligt an den Feierlichkeiten teil, vornehmlich saßen sie am Kopfende der großen Tischreihe, die zum Zwecke eines öffentlichen Festmahles auf dem Marktplatz aufgestellt worden war. Lían saß zeitweise neben ihnen und feierte den Rest der Zeit mit den Bürgern. Raí sah oft neidisch zu seiner Schwester, derweil er ebenfalls am Tisch saß und später allein durch die Schatten wanderte. Am nächsten Morgen stand Lían beizeiten vor ihren Eltern. Wieder sprach Tól mit ihr.

Lían, zu deinen neuen Pflichten wird es gehören, uns und den Bürgern bei der Verwaltung der Stadt zu helfen. Außerdem solltest du dich mit dem Land vertraut machen und auch lernen dich nötigenfalls verteidigen zu können. Bei diesen Aufgaben wird dir unser neuer Besucher helfen.“

Tól erhob die Stimme und rief: „Tretet ein, Raréon!“

Aus einem Nebenzimmer kam ein junger Mann in den Raum und trug ein freches Lächeln zur Schau. Der Mann verbeugte sich vor Tól und Omé und sah Lían mit blitzenden Augen an.

Ihr müsst Lían sein“, begrüßte er sie, „ich bin Raréon.“

Lían musterte ihn und seine merkwürdige, an Wildnisleben erinnernde Kleidung in grünen und braunen Erd- sowie Grautönen. Er schien kaum älter als sie selbst zu sein.

Lían“, mischte sich nun Omé ein, „führe deinen Gast doch bitte durch die Stadt und zeige ihm alles.“

Ja, Mutter“, antwortete Lían wie von selbst.

Raréon ist schon in seine Aufgaben eingewiesen worden“, sprach Tól, „er wird dir sagen, was ihr nach der Besichtigung zu tun habt.“

Damit entfernten sich Lían und Raréon. In der darauf folgenden Zeit reisten die Beiden durch das Schutzgebiet von Líans Eltern. Sie lernte die nötigen Dinge zur Verwaltung und den Umgang mit Schwert und Bogen.

Raí aber wurde immer neidischer und eifersüchtiger auf seine Schwester. Als er sah, wie gut sie sich mit Raréon verstand, wie viel Spaß die beiden zusammen hatten und was sie alles lernen durfte, fragte er seine Eltern, ob er nicht auch an einer Waffe ausgebildet werden würde. Als sie dies verneinten, erzürnte es ihn und er verkroch sich wie immer in einem kleinen Tal in den Bergen, wo er vor sich hin brütete. Diesmal aber beschloss er, seine Eltern ganz zu verlassen, da sie ihm eh nie erlauben würden zu tun, wonach es ihm dürstete, so meinte er zumindest. Er fühlte sich von ihnen vernachlässigt und war neidisch darauf, was seine ältere Schwester alles durfte. Raí erzählte niemandem von seinem Plan, nicht den anderen Kindern der Stadt, nicht seiner Schwester, Amant Emaior oder seiner Amme. Er packte lediglich heimlich etwas Kleidung, Nahrung und ähnliche Dinge derer er meinte zu bedürfen ein und schlich sich eines Tages kurz vor Morgengrauen aus dem Haus seiner Eltern und der Stadt. Niemand bemerkte sein Verschwinden.

Der gerade erst 14Jährige schlug sich nach Südosten durch. Er hielt sich dabei an den Verlauf der Straße nach Maggin sowie der größeren, von Maggin nach Arsullan führenden, behielt aber stets einen gewissen Abstand zur Straße ein, um auch ja nicht gesehen zu werden. Manchmal übernachtete er in einer unbewachten Scheune eines Bauernhofes, wenn er sicher war, dass ihn niemand erwischen oder bestrafen würde. Öfter noch musste er aber im Schutze eines Wäldchens am Straßenrand übernachten. Da die Nächte warm genug waren, überstand er es unbeschadet. Selten auch nahm ihn jemand auf und bot ihm einen Platz am Feuer an. Stets fragte man ihn, was er so alleine unterwegs machen würde, stets bot man ihm an, länger Unterkunft zu beziehen und seine Eltern zu finden – stets verneinte er und reiste weiter.

Irgendwann im Sommer erreichte er Arsullan. Ehemals die befestigte Grenzstadt in der Ebene im Inland, lag es nun nur noch einen kurzen Weg vom Meer entfernt. Wie Raí in der Stadt vom alltäglichen Geplapper der Bewohner erfuhr, war das Meer im Westen wie im Osten bedrohlich nahe gerückt. Die Straße nach Tambaheim in Tambien führte weiterhin eine gute Zeit nach Süden, verschwand dann jedoch irgendwann plötzlich im Meer. Am neuen jungen Strand stehend solle man aber noch sehen können, wie die Straße am Meeresboden weiterführte, gen Südosten, bis irgendwann das Meer zu dunkel wurde um noch etwas zu erkennen. Die Straße nach Darôn dagegen endete bereits kurz vor der Stadt. Man wusste aber, dass Darôn noch vorhanden war.

Alle Bewohner schienen Angst zu haben, dass das Wasser weiter vorrücken würde. Einige waren schon geflohen, auch hielten sich viele Flüchtlinge aus Tambaheim in Arsullan auf. Man hatte von Tól und Omé gehört, traute ihnen aber nicht. Die Stadt wollte neutral bleiben, wenn schon Lurruken sie vergessen hatte. Auch in Raí begann eine wachsende Angst vor dem Meer zu entstehen. Fast eine Woche hielt er sich in der Stadt auf. Er klaute sich Nahrung zusammen, übernachtete, wo er gerade einen Platz fand und so langsam wurde der Wunsch in ihm groß, in die Sicherheit seiner Eltern zurückzukehren. Schließlich erfuhr er aber, dass eine Person namens Silön auf der anderen Seite der jungen Bucht an der Arsullan nun lag, versuchte, die verstreuten Städte und Dörfer, dem Schutze ihres Lurrukens beraubt, zu vereinen. Raí kannte Silön noch, konnte sich aber an irgendwelche begangenen Missetaten nicht gut erinnern. Eine bekannte Person nun in der Nähe wähnend, beschloss er, nach Darôn zu ziehen. Vorsichtig reiste er an der Küste der großen Bucht entlang gen Westen.

Zur Überquerung des Flusses Panenfiress musste er wieder eine Weile ins Inland reisen, da wegen der Verbreiterung des Flusses zum Meer hin viele der alten Brücken zerstört worden waren. Nach einer weiteren Woche Wanderschaft – manchmal nahm ihn auch jemand mit dem Karren mit – kam er nach Darôn. Dort war alles irgendwie mit Bauarbeiten, Umgestaltungen und Beförderungen von Baustoffen beschäftigt. Raí – von dem langen Reisen erschöpft, mit zerrissenen, schmutzigen Kleidern am ungewaschenen Leib, hungrig und allgemein heruntergekommen – hielt einen Mann, einen Arbeiter, an, der gerade zwei Ochsen dazu antrieb einen Karren mit Werkzeugen zu ziehen.

Wofür werden die ganzen Arbeiter und Werkzeuge gebraucht?“ fragte er erschöpft aber mit jugendlicher Neugier, ohne zu grüßen.

Zur Strafe sah der Mann ihn misstrauisch an.

Was geht dich das denn an, Kleiner?“

Er schickte sich an, ohne Halt mit dem Karren weiter zu ziehen. Raí musste aus dem Weg der Ochsen springen um nicht von diesen zertrampelt zu werden. Sofort folgte er aber dem Mann wieder.

Ich will zu Silön, kennt ihr den Weg?“

Nun lachte der Mann kurz lauthals auf, lachte ihn aus.

Dann beschleunigte er den Schritt der Ochsen durch harte Peitschenschläge und rief Raí hinterher, derweil dieser wieder schnell zur Seite springen musste: „Kleiner! Folge einfach den ganzen Karren, den Weg den Fluss entlang zum Meer zur Baustelle!“

Und das tat Raí dann auch. Darôn lag an der Nechdra, einem Fluss mit etlichen Quell- und Nebenflüssen, die fast gänzlich aus dem Azirun, einem der größten Gebirge des Kontinentes, kamen und ihrerseits auch wieder zahlreiche Quellflüsschen hatten. So war das Land zwischen Nechdra und Azirun fruchtbar, aber auch nur schwer zu bebauen. Die Straße führte an der Nordostseite des Flusses, der dem Gebirge abgewandten Seite, entlang, von Panen über Arsen nach Darôn und von dort einstmals nach Serra, welches aber nun auch versunken lag. Darôn lag am nun zweitletzten größeren Nebenfluss der Nechdra, der Brestan. Die Reise zur neuen Mündung der Nechdra war demzufolge kurz, sie lag nun bereits knapp nach dem ehemals drittletztem, nun aber letztem Nebenfluss, dem Piket.

Raí wurde fast den ganzen Weg von anderen Karren mitgenommen, deren Fahrer und Treiber freundlicher und netter waren als der in Darôn. Kurz hinter der Mündung des Piket in die Nechdra konnte man bereits die Mündung der Nechdra und die Bucht erkennen. Vielmehr aber – da Raí noch nie zuvor hier gewesen und das Land vor dem Vorrücken des Meeres gesehen hatte – erstaunte den Jungen der Anblick der immensen Baustelle, die sich teilweise zwischen die Flussmündung und eine, in die große Bucht hinausragende Landspitze quetschte, sich größtenteils aber auf einer großen Insel in der Mündung ausbreitete.

Was ist das?“ fragte Raí den Fahrer des Wagens, auf dem er mitfuhr.

Dies wird die neue Hauptstadt Silöns“, erklärte der Mann neben ihm auf dem Kutschbock mit strahlenden Augen und Stolz.

Ein treuer Anhänger also, dachte Raí, fast so wie die meiner Eltern. Ein Teil der Stadt auf der Insel stand bereits, Raí fiel jedoch noch etwas ganz anderes auf.

Wofür die starken Mauern und Befestigungen dort?“ wollte er wissen.

Silön hat uns von den Lügen und Bedrohungen der falschen Mahner Tól und Omé erzählt. Silön befürchtet, dass sie mit ihrer Armee zu uns kommen könnten um auch unsere Länder zu erobern. Silön bietet nun Schutz für Darôn und andere Orte an der Nechdra und errichtet hier eine gewaltige Festung, um die Feinde aus dem Norden abzuschrecken, nun, da die meisten Soldaten und Diener von Lurruken geflohen sind.“

Raí schwieg dazu. Er hatte nicht vor, seine Eltern zu verteidigen, die ihm ständig alles verboten hatten und so selten für ihn da gewesen waren. So fuhren sie also weiter bis zu den Baustellen an der Bucht.

Du musst hier absteigen, Kleiner“, erklärte ihm der Fahrer, „ich muss die Steine hier abliefern und werde morgen zurück nach Darôn fahren.“

Wie komme ich auf die Insel?“ fragte Raí, obwohl er sich eher davor fürchtete, vom Wasser eingeschlossen zu sein.

Du nimmst die Fähre dort hinten“, er deutete nach Südwesten, irgendwo jenseits von Baugerüsten und –stoffen, „sie fährt nur, wenn genug Leute übersetzen wollen.“

Danke!“ erwiderte Raí und stieg vom Wagen.

Der Mann fuhr umgehend weiter. Raí sah sich kurz um. Überall befanden sich Gebäude, Mauern und Straßen im Bau, etliche Leute wuselten zwischen den einzelnen Baustellen umher, Wagen und Karren lieferten Baustoffe, Werkzeuge und Verpflegung an und ständig rief irgendjemand einer weiter entfernten Person Anweisungen oder Warnungen zu. Da es noch früh am Tag war, suchte sich Raí seinen Weg zur Fähre. Diese war in Wirklichkeit nur ein alter Holzkahn, der früher wohl ungefähr an dieser Stelle der Nechdra seinen Dienst als Flussschiff getätigt hatte. Es war gerade groß genug für etwa zwei Wagenladungen und die dazugehörigen Leute. Im Moment war sie ohne Ladung.

Bringt mich zu der Insel!“ forderte Raí von dem Fährmann.

Dieser warf ihm nur ein zahnloses Grinsen zu.

Bursche! Siehst du nicht, dass ich auf Ladung warte? Wenn du übersetzen willst, gedulde dich, bis der Kahn voll ist!“

Raí wartete geschlagene zwei Stunden, dann endlich kamen Holz, Steine, Werkzeuge und Arbeiter für die Insel. Das Schiff schaukelte dank des klaren, warmen Tages kaum, doch lag es tief im Wasser und Raí konnte die ganze Zeit nur daran denken, dass es untergehen und sie alle ertrinken würden. Aber kurze Zeit später stand er auf der Insel. Im Südosten erblickte er ein großes Gebäude, das ihn noch am ehesten an einen Palast aus den Geschichten seiner Amme erinnerte. Er hielt direkt darauf zu, auf Straßen zwischen fertigen und halbfertigen Gebäuden hindurch, und schließlich durch die offenen Tore in den starken Mauern die den Palast umgaben. Niemand hielt ihn auf, erst vor den Toren des Palastes selber standen zwei Wachen. Zwei Bartäxte versperrten ihm plötzlich den Weg.

Kein Zutritt zum Palast für Fremde!“ erklärte einer der Wächter und sah ihn hart an.

Lasst mich durch!“ empörte sich Raí, der es nicht gewohnt war, dass sich ihm Wächter widersetzten, „Ich bin Raí, Silön kennt mich! – Ich muss dringend zu Silön!“

Der andere Wächter sah ihn belustigt an.

Warum sollte Silön einen solch verdreckten Bettlerjungen kennen?“

Beide Wächter lachten, Raí aber wurde zornig und lief rot an.

Lasst mich durch!“ wiederholte er laut und trotzig.

Was willst du schon machen?“ grinste der erste Wächter.

In dem Moment öffnete sich eine kleine Tür in einem der Torflügel und es kam ein schwarz gewandeter Mann heraus. Er sah wichtig aus.

Was ist hier los?“ fragte er, blickte sich zu allen Seiten um, starrte zuerst die Wächter an, welche Haltung annahmen und ernst drein blickten, dann Raí.

Wer bist du, Kleiner?“ wollte er wissen, kniff die Augen zusammen und musterte den Knaben gründlich.

Einer der Wächter ergriff unaufgefordert das Wort: „Herr, dieser Junge will zu Silön – er behauptet, Silön kenne ihn.“

Der Blick des Schwarzgekleideten zuckte zuerst leicht verärgert zu dem Wächter, der gesprochen hatte, dann zu Raí.

Noch mal – wer bist du und was willst du von Silön?“

Raí plusterte sich so gut es ging auf und versuchte wichtig auszusehen.

Mein Name ist Raí – Silön wird mich sicherlich sehen wollen – und nun lasst mich endlich ein!“

Raí drang bis zu den Äxten vor, die ihm erneut schnell den Weg versperrten, und sah den Mann durchdringend an. Als von allen bewunderter und geachteter Sohn von Tól und Omé war ihm in Lían immer nur Ehrfurcht entgegen gebracht worden, anderes war er nicht gewöhnt.

Der Mann überlegte eine Weile, dann befahl er nachdenklich, doch ruhig: „Lasst ihn durch – er scheint keine Gefahr zu sein – ich werde mich um ihn kümmern.“

Raí folgte dem Mann durch die Gänge des Palastes.

Mein Name ist Thaléon Balouron, erster und höchster Berater von Silön“, stellte dieser sich vor. „Falls du dich wunderst – wie in deinem eigenen Heimatland stammen viele in dieser Gegend von Luvaunen ab. Silön hat beschlossen, diese Sprache zu fördern – ebenfalls, wie es bei euch geschieht.“

Das interessierte Raí natürlich nahezu gar nicht. Stattdessen fiel ihm etwas anderes auf.

Ihr kennt mich also!“ stellte er fest.

Balouron lächelte, ein irgendwie unpassender Ausdruck in dem düsteren Gesicht mittleren Alters.

Silön meinte, es könnte ein Junge vorbeikommen – einer unserer Helfer, der Arsullan besuchte, hat uns Kunde gebracht. Du könntest dieser Junge sein, also frage ich lieber Silön.“

Sie kamen an zwei großen, schwarzen Torflügeln zu stehen.

Warte hier!“ ermahnte Balouron, öffnete einen der Flügel einen spaltbreit, schob sich hindurch und schloss ihn wieder hinter sich.

Raí wartete minutenlang und sah sich die Inneneinrichtung an. Das meiste war noch kahl und leer, aber an den Wänden hingen bereits einige Wandteppiche. Diese konnten dort zwar noch nicht lange hängen, sahen aber bereits verstaubt aus und erzählten von uralten Schlachten und Begebenheiten. Ansonsten war der Palast tatsächlich eher spärlich eingerichtet. Nach einiger Zeit öffnete sich der Torflügel wieder und der Kopf eines weiteren Mannes lugte heraus.

Ihr dürft eintreten“, sprach der Diener und schob die Flügel weit genug auf, damit Raí hindurch passte.

Der Raum hinter dem Tor war offensichtlich ein erst notdürftig eingerichteter Thronsaal. Die Erhebung für den Thron war schon vorhanden, sonst aber nur Kerzenleuchter und einige wenige Möbel. Der Diener deutete auf eine Tür rechterhand der Thronerhebung, verbeugte sich und verschwand durch eine Tür linkerhand von dieser. Raí stand nun allein im Saal. Schließlich ging er durch die Tür, auf die der Diener gedeutet hatte. Ihn erwartete ein Arbeitszimmer, mit Schreibtischen, Bücherregalen und Stühlen sowie weiterführenden Türen. Silön stand mit einem Buch in der Hand an einem Regal und las darin. Dann bemerkte Raí einen zuerst gespielt erstaunten Blick, gefolgt von einem erfreuten warmen Lächeln. Das Buch wurde geschlossen und auf einen Tisch gelegt. Silön kam auf ihn zu und nahm ihn kurz in den Arm, trat dann zurück und sah ihn an.

Es erfreut mich, dich hier begrüßen zu dürfen, Raí. Aber was führt dich zu mir?“

Nun musste Raí kurz verlegen zu Boden blicken, während er mit offenem Mund nach Worten suchte, um sich zu erklären.

Ich – ich bin von Zuhause weggelaufen“, begann er unsicher.

Dann aber übermannte ihn die Wut auf seine Eltern: „Nie erlaubt man mir, zu tun, was ich tun möchte! – Alle achten immer nur auf Lían!“

Raí schien den Tränen nahe. Silön lächelte beruhigend weiter.

Und warum bist du gerade zu mir gekommen?“

Ich habe in Arsullan gehört, dass du hier bist – und wo sollte ich sonst hin? Ich kenne hier nur dich.“

Wieder lächelte Silön.

Du kannst gerne hier bleiben – und mir helfen, wenn du willst und kannst.“

Raí witterte endlich wichtige Aufgaben für sich. Diese Aussichten ließen ihn erfreut aufblicken.

Was soll ich tun?“

Ein drittes Mal lächelte Silön, tiefere Gefühle verbergend.

Lass uns erstmal hinsetzen. – Willst du etwas zu trinken?“

Durstig und erschöpft nickte Raí schnell, bevor er sich auf einen der Stühle setzte. Silön nahm Krug und Becher aus einem Schrank, stellte sie auf den Tisch, goss Raí und sich feinsten Obstsaft ein und setzte sich dann Raí gegenüber. Raí trank begierig.

Silön goss ihm mehr ein und fuhr fort: „Wie du sicher gehört hast, versuche ich die Städte und Dörfer an der Nechdra zu einen und zu schützen. – Die Feste hier soll als Mittelpunkt meiner Pläne dienen und besonderen Schutz bieten. – Es würde mich nicht wundern, wenn deine Eltern weiter versuchen mich zu behindern. – Weißt du, ich wollte deinen Eltern nur dienen und helfen, ich stand lange in ihren Diensten. Doch dann bemerkte ich ihre wahre schändliche Absicht und nun versuchen deine Eltern, mich zum Schweigen zu bringen.“

Silön blickte völlig ernst und unschuldig, Raí weiterhin begierig.

Wie kann ich dir helfen?“

Nun sah Silön ihn noch ernster an.

Hilf mir dabei, das Land an der Nechdra zu einen. – Tamirús und Lurruken haben dieses Gebiet bereits völlig aufgegeben und überlassen es nun sich selbst, da überall das Meer Land verschlungen hat und hier schreckliche verwirrende Zustände ausgebrochen sind. – Niemand sagt den Leuten mehr, was zu tun ist, noch bietet ihnen jemand Schutz und Hilfe.“

Aber ich habe Angst vor dem Meer“, musste Raí kleinlaut zugeben.

Silön lächelte ihn aufmunternd an.

Geh nach Darôn. – Ich setze dich dort als Statthalter ein. – Sag den Leuten in meinem Namen, was zu tun ist.“

Aber ich möchte lernen zu kämpfen“, wand Raí ein.

Erneut musste Silön lächeln, diesmal erheitert.

Keine Angst, ich lasse dir die besten Ausbilder zukommen, die ich finden kann. – Und wenn die Verwaltung von Darôn steht und wir eine Armee aufbauen können um uns zu verteidigen, wirst du sie anführen!“

Raís Augen begannen zu leuchten. – Sofort willigte er ein. Silön lächelte diesmal erfreut.

Meinen Berater – Thaléon Balouron – hast du ja bereits kennen gelernt. – Bleib einige Tage oder Wochen hier im Palast, er wird dich in deine Aufgaben einweisen und dir zur Seite stehen. – Geh einfach in das Zimmer gegenüber von diesem. – Auf der anderen Seite des Thronsaales.“

Damit verabschiedeten sie sich voneinander und Raí umarmte Silön in kindlicher Freude. Silön lächelte ein letztes Mal – alles verlief erfreulich.

Raí wurde zwei Wochen lang von Balouron eingewiesen. Er reiste dann zurück nach Darôn, wurde dort den Einwohnern als neuer Herr von Darôn öffentlich vorgestellt und bekam einen Stab von Beratern zugeteilt, die ihm bei der Bewältigung der Verwaltungsaufgaben helfen sollten, in Wirklichkeit aber natürlich den Großteil der Arbeit selbst übernahmen. Lieber konzentrierte sich Raí auf das Kämpfen mit Schwert und Schild, Bogen und anderen Waffen; ebenso brachte man ihm das Führen von Kriegern bei, zwei Jahre später – weiterhin unterstützt von Beratern und über Hauptleute, die seine Fehler wieder gut machen konnten. Zu Raís 16. Geburtstag verkündete Silön auch den Namen der nun fast fertigen Feste in der Nechdramündung, während an der Stadt noch fleißig gebaut wurde. Man kannte sie ab sofort unter dem Namen Silour – manchmal auch geschrieben: Silûr. Auch festigte Silön die Herrschaft über das Nechdraland bis zur Stadt Arsen, fast am anderen Ende der Nechdra, welche Silöns Schutz annahm. Die Vorgänge der Machtfestigung Silöns und des Lernens Raís gingen die nächsten Jahre ohne größere Vorkommnisse voran. In der Zwischenzeit hielten aber die Abläufe auch im Gebiet von Tól und Omé nicht an.

IV: Die Forschungsreisen von Amant Emaior und Raréon

Beteiligte: Tól, Omé, Lían, Raréon, Amant Emaior, Malont Déaron, Gaunus, Galand, Tamirús, Diener von Tamirús, Emaiors Reisegesellschaft, Raréons Reisegesellschaft, Bürger von Lían, Seeleute

Orte: Lían, Burg Raí, Ahém, Tamilor

Nach dem Verschwinden von Raí fragten sich alle in Lían, was passiert sei und machten sich Sorgen um Raí und seinen Verbleib. Amant Emaior wies alle Grenzposten und Wächter größerer Orte an, verstärkt darauf aufzupassen, eine Spur von Raí zu finden und schickte zahlreiche Späher aus, nach dem Jungen zu suchen. Auch Lían und Raréon baten Reisende, nach ihm Ausschau zu halten. Nur Tól und Omé selber unternahmen nichts. Wurden sie von jemandem gefragt, bedauerten sie das Verschwinden ihres Sohnes sehr wohl – doch gaben sie auch stets zu bedenken, dass Raí sich vermutlich nicht mehr in der Nähe aufhielt. Heimlich jedoch ging Omé zu Amant Emaior und bat ihn, trotzdem Leute auf die Suche nach ihrem Sohn zu entsenden.

Die Jahre vergingen und ähnlich wie Silön machten sich auch Tól und Omé daran, ihre Herrschaft zu festigen und auszubauen. Die Ausweitung ihres Gebietes war aber schwerer geworden. Im Osten, an der Küste, hatten sich aus den Überresten der lurrukischen Verwaltungsbereiche kleine Länder gebildet. In Yalame zum Beispiel hatte eine Banditenbande die Stadt übernommen und allmählich umgebende Dörfer unterworfen. Nun entwickelte sich das Ganze langsam zum Piratennest. Nach Norden hin hatten Tól und Omé aber schon immer verstärkt ihre Aufmerksamkeit gerichtet. Nun begannen sie, wenige Jahre nach dem Verschwinden von Raí, mit dem Bau eines Hafens. 2010 wurde dieser endlich fertiggestellt und trug fortan den Namen Ahém. Ahém lag an der großen Bucht, deren Entstehung die Städte Ketaine und Silaine hatte untergehen lassen. Geschützt wurde sie von einer kleinen Feste, bemannt von den Kämpfern von Amant Emaior.

Ihr wolltet mich sprechen?“

Amant Emaior stand im Empfangszimmer des Hauses von Tól und Omé in Lían. Tól und Omé waren wie immer in der Mitte des Raumes, Emaior hatte das Gebäude gerade erst betreten und kniete kurz vor den beiden nieder.

Wie ihr wisst, wissen wir wiederum nichts von dem Vorgehen in der Welt“, sprach Tól.

Ja, Herr!“

Amant“, mischte sich Omé nun ein, „wir müssen erfahren, wie es mit dem Rest der Welt bestellt ist. Vielleicht bedürfen noch andere Völker unserer Hilfe.“

Das Meer hat sich am Geist entlang tief ins Inland ausgebreitet“, sprach Tól, „viele Gebiete von Lurruken und Zardarrin müssen verschwunden sein – auch überall sonst auf der Welt wird es ähnlich aussehen. Wir wollen wissen, welche Länder noch vorhanden und welche im Wirrwarr versunken sind und unsere Hilfe brauchen. – Deshalb wollen wir von hier eine Forschungsreise per Schiff bis nach Tolum senden. – Sofern es noch besteht.“

Was ist meine Aufgabe dabei?“ fragte Emaior etwas verunsichert, da er es bereits ahnte.

Ihr sollt die Reise leiten“, sprach es Omé dann aus und lächelte ermutigend.

Aber was ist mit meinen Aufgaben hier? – Wer sagt den Kriegern in meiner Abwesenheit, was zu tun ist?“

Sucht euren fähigsten Gefolgsmann aus, eure Aufgaben zu übernehmen“, sprach da Tól.

Ja, Herr…“

Emaior war gar nicht begeistert von der Idee, um die halbe Welt segeln zu müssen. Aber er würde alles für Tól und insbesondere Omé tun.

Ihr brecht in einem Jahr in Ahém auf, bereitet bis dahin alles Notwendige dafür vor“, sprach Tól.

Und Amant – wir vertrauen sehr auf euch. – Niemand anderem könnten wir diese Aufgabe anvertrauen“, ergänzte Omé und lächelte weiterhin.

Ja, Herrin Omé.“

Emaior hätte alles für Omé getan, so war er nach ihrem Zuspruch auch ohne Bedenken bereit zu leisten, was man von ihm wollte. In den folgenden Monden hielt er sich abwechselnd in Ahém und der Burg Raí auf. In Raí suchte er einen Stellvertreter für die Zeit seiner Abwesenheit – der noch sein Nachfolger werden würde – und wies diesen und die Kämpfer ein. Sein Stellvertreter wurde einer seiner Hauptleute namens Malont Déaron. In Ahém wurden derweil Schiffe gebaut in den Werften, welche die Jahre zuvor errichtet worden waren, mit der Hilfe von kundigem Volk, das sich vor dem Vordringen des Meeres hatte retten können und ehemalige Seeleute und Schiffsbesatzungen bildeten Freiwillige aus. Nach einem Jahr war es dann endlich soweit. Es standen genug Schiffe zur Verfügung für Emaiors ausgesuchte Reisegesellschaft. Im Frühjahr 2011 belud man sie mit allen nötigen Vorräten – Nahrung, Waffen, Ausrüstung und anderem, was die Anhänger von Tól und Omé in den letzten Jahren gesammelt oder hergestellt hatten. Bevor Amant Emaior in See stechen konnte, gab es aber noch eine große Abschiedsfeier in Lían. Alle waren sie anwesend – Tól und Omé, Lían, Raréon, Gaunus, Malont Déaron, Galand, die Einwohner von Lían, ausgesuchte Vertreter der Besatzung von Burg Raí und viele andere. Irgendwann im Laufe des Abends riefen Tól und Omé Emaior zu sich.

Amant Emaior“, sprach Tól, „ihr habt uns gute Dienste geleistet, doch nun ist es Zeit für eine weitere Aufgabe. Ihr wisst, was ihr zu tun habt – wir wünschen euch viel Glück.“

Doch Omé hatte noch mehr zu sagen. Nun trat sie vor, Emaior feierlich etwas entgegenstreckend, das sie in den Händen hielt.

Dies habe ich für euch gewebt – es ist ein Banner.“

Sie entrollte das Geschenk um es ihm zu präsentieren. Und es war ein Banner aus feinstem Stoff in Rot und Gold, mit gekreuztem silbernen Schwert und Speer.

Möge es jedem eure Ankunft verkünden.“

Und dann nahm sie mit beiden Händen die rechte von Emaior und fügte etwas leiser, doch nicht minder bedeutungsvoll hinzu: „Passt gut auf euch auf.“

Damit ließen sie ihn alleine stehend zurück. Er ging nicht wieder zur Feier, sondern setzte sich abseits auf einen Stein, beobachtete die Sterne und dachte nach. Irgendwann kam Lían und setzte sich neben ihn.

So nachdenklich, alter Freund?“ fragte sie ihn.

Ich wundere mich nur, was die Zukunft für mich bereit hält und ob ich dem Ganzen gewachsen und würdig genug bin.“

Ihr habt schon viel für uns getan.“

Beruhigend legte sie eine Hand auf seine Schulter.

Wir vertrauen alle auf euch.“

Damit ging sie wieder.

Das ist es, was mir Sorgen macht“, murmelte er in sich hinein und sah ihr nach, wie sie von Raréon empfangen wurde.

Dieser erzählte ihr etwas, sie lachte fröhlich und beide mischten sich wieder unter die Feiernden.

Drei Tage später standen sie im Hafen von Ahém. Emaior stand mit Tól, Omé und Lían am Kai vor dem Flaggschiff der Forschungsreise. Die Schiffe wurden mit den letzten Dingen für die Überfahrt beladen und bereit gemacht für die kommende Abfahrt.

Viel Erfolg bei eurer Reise“, sprach Tól und es waren seine letzten Worte, bevor Emaior sein Schiff betrat und die Leinen lösen ließ.

Seeleute auf den Schiffen nahmen lange Stangen und stießen die Schiffe vom Kai ab, ehe die Ruderer sie aufs offene Meer hinaus ruderten. Die Drei am Kai sahen ihnen nach.

Auf dem offenen Meere angelangt, ließ man Segel hissen und setzte Kurs gen West, immer an der Küste entlang. Aus mehreren Gründen mussten sie sich immer an diese halten: Erstens wollte Emaior unter anderem die neuen Küsten erforschen und auf Karten festhalten. Zweitens wusste man nicht, wohin das Meer überhaupt überall vorgedrungen war, also auch nicht, wo man wieder Küste finden würde, wenn man einfach blind drauf los fuhr. Und drittens musste öfters Halt gemacht werden, um die Vorräte, besonders das Frischwasser, zu erneuern. Dieser dritte Punkt sollte noch ein großes Problem werden. Nach Ahém und den Ländern von Tól und Omé kamen Küsten, die kaum bewohnt wurden. Und dann plötzlich überraschten sie der Wald von Stirmen und die Silbernen Bäume, welche nun direkt am Meer lagen. Gewahr, was laut alten Geschichten mit allen passierte, welche es wagten unaufgefordert den Wald zu betreten, legten sie für Tage nicht mehr an und hielten einen möglichst großen Abstand zur Küste. Aber sie konnten unbehindert an dem Wald entlang fahren. Nach Stirmen führte der Weg sie nach Norden, an den Schmelzöfen entlang, welche einstmals das Herzland von Lurruken von den Ostmarken trennte. Nun gab es keine Ostmarken mehr, ja nicht mal mehr das Festland, auf dem sie sich einst befanden. In den Ausläufern der Schmelzöfen fanden sie nur einsiedlerische Bergstämme, welche sie mehr als unfreundlich begrüßten. Nach Osten ging es weiter, die Berge wurden niedriger, das Land wieder bewohnter. Zardarrin lag immer noch im tiefsten Gewirr. Oft wurde die Reisegruppe von Plünderern angegriffen. In Thameny hatten sich einzelne Gestalten zu Herrschern kleiner Stadtstaaten aufgeschwungen und bekriegten sich nun gegenseitig. Nachdem die Schiffe den östlichsten Punkt des neuen riesigen Golfs namens Geistmeer hinter sich gebracht hatten und nach Norden drehten, wurde es nur noch schlimmer. Bis Pakama nördlich von Zardarrin griff man sie ständig an, auch erlebten sie Elend, Krankheit und Not. Nach über zwei Jahren erreichten sie endlich Aleca, eine Reise, die man früher in wenigen Wochen zurückgelegt hatte.

Zwischenzeitlich blieb man aber auch in Lían nicht weiter untätig. Malont Déaron bildete als Emaiors Nachfolger fleißig weiter Kämpfer aus und verteidigte das Land von Burg Raí aus gegen sämtliche Banditenhorden, die immer wieder von Osten aus einfielen. Lían und Raréon dagegen reisten zusammen durch die umliegenden Städte und Ländereien und versuchten weitere Verbindungen aufzubauen und Leute zu überzeugen. Ein Jahr nach dem Aufbruch von Emaiors Gruppe riefen Tól und Omé nun auch Raréon zu sich nach Lían.

Herr und Herrin?“ fragte dieser, als er in der Versammlungshalle vor ihnen stand.

Amant Emaior hat Stirmen vor einigen Monden passiert“, sprach Tól.

Ja, Herr, davon habe ich gehört.“

Dann weißt du sicher auch schon, dass Lurruken im Niedergehen begriffen ist.“

Ja, Herr.“

Die Welt ändert sich“, sprach Tól geheimnisvoll. „Bereite eine weitere Forschungsgruppe vor. Erkunde das Land. Dort, wo das Durcheinander am größten ist, lass dich nieder, vereine die Einwohner jener Gegenden und hilf ihnen.“

Ja, Herr“, sprach Raréon ohne Zweifel.

Er kniete nieder, neigte den Kopf und erklärte: „Ich bin euer Diener.“

Dann stand er auf und ging. Natürlich war er traurig, sowohl Stadt als auch Person Lían verlassen zu müssen, doch war er völlig Diener von Tól und Omé. Die nächsten Tage und Wochen verbrachte er mit Lían, meist aber mit Vorbereitungen. Diesmal dauerte es nicht so lang wie bei Emaior. Bald schon war Raréon mit einem kleinen Tross von Leuten und Vorräten bereit. Galand begleitete ihn. Vor der Stadt winkte er Tól, Omé und Lían zum Abschied; letztere verbarg ihre Tränen.

Die Reise über Land war für Raréon wesentlich einfacher als die über das Meer für Emaior. Schnell verließ er das Einflussgebiet von Tól und Omé, als er Arasanh passierte. Im Herzland von Lurruken hielt man immer noch an dessen alten Traditionen fest, doch waren diese schon längst entartet. Ohne Schwierigkeiten zu bereiten, ließ man Raréon und seine Leute bis Ruken ziehen. Als Raréon dort aber damit anfing, die Lehren von Tól und Omé verbreiten zu wollen, wurde er schnell von amtlicher Stelle dazu aufgefordert, die Stadt schnellstens wieder zu verlassen. Doch Raréon ließ nicht locker. Zwar beugte er sich Ruken, zog aber weiter und erzählte es jedem, der seinen Weg kreuzte. Wollte er es nun hören, oder nicht. Nach Norden kam er, Richtung Tamilor, dem Herz von Lurruken, dorthin, wohin alle Straßen von Lurruken zwangsweise führten. Tamilor war die größte, mächtigste, beeindruckenste und fortschrittlichste Stadt der bekannten Welt und wohl noch weit darüber hinaus. Erbaut vor über tausend Jahren, war sie stets Mittelpunkt des Reiches von Lurruken gewesen, doch nun lag sie im Sterben. Ungefähr zwei Monde verbrachte Raréons Gruppe unentdeckt in der Stadt, bis eines Tages etwas Unerwartetes passierte.

Ihr seid Raréon, Diener Tóls?“ fragte ihn eines Abends im Gasthaus eine Gestalt von der Seite her.

Ja, der bin ich“, entgegnete Raréon, „wer will das wissen?“

Er musterte sein Gegenüber misstrauisch. Eigentlich war die Frage überflüssig, erkannte doch jeder sofort, dass da ein Beamter der Stadt neben ihm stand.

Tamirús möchte euch sprechen.“

Nun war Raréon aber tatsächlich erstaunt.

Tamirús? Warum das? Was will er?“

Das weiß ich leider auch nicht, aber kommt bitte morgen nach der Mittagsstunde zum Palast, wenn euch das möglich ist.“

Raréon nickte nur nachdenklich. Tags darauf tat er, wie ihm geheißen.

Tamirús war der vierte Herrscher Lurrukens. Und das seit dreihundert Jahren. Ob dies so stimmte, ob er wirklich selber so lange lebte, oder ob sich hinter dem Namen Tamirús nicht nur ein Geschlecht von Herrschern verbarg, sollte Raréon nun herausfinden. Tamirús war es gewesen, der die südöstlichen Königreiche der Colite- und Kalt-Stämme, wie Tambien und Arasanh, befriedete, nachdem sie sein Vorgänger Vaiaris einst erobert hatte. Heutzutage verehrte man ihn im ganzen Reiche von Lurruken als Gott, als gottgleichen Kaiser. Dies spiegelte auch sein Palast wieder, welcher eher eine Stadt in der Stadt war. Überall begrüßten Raréon Figuren von Tamirús und seinen Vorgängern und Schreine zu dessen Ehren. Einige der größten Gebäude auf dem Palastgelände waren Tempel, Tamirús und Vorgängern geweiht. Glücklicherweise holte der Beamte vom Vorabend Raréon ab, bevor dieser sich völlig verlaufen konnte, und führte ihn durch die Palaststadt bis zu Tamirús’ Halle. Diese war riesig doch gleichzeitig prunk- und geschmackvoll ausgestattet. Tamirús selber war gerade nicht anwesend.

Wo ist er?“ fragte Raréon seinen Führer.

Der Beamte seufzte und sah ihn dann ernst und irgendwie bedauernd an.

Tamirús liegt im Sterben“, erklärte er ihm.

Raréon runzelte die Stirn. Irgendwie kam ihm das bekannt vor.

Was ist mit ihm?“

Das vermag niemand zu sagen. Tamirús lässt schon seit Jahren niemanden mehr zu sich, nicht einmal das Gesinde.“

Der Beamte wirkte, als würde sich ihm sein krankes Kind verwehren und er nun nicht wüsste, was zu tun sei.

Und warum bin ich nun hier?“ wollte Raréon endlich wissen.

Tamirús selbst hat nach euch verlangt. Niemand hatte ihm mitgeteilt, dass ihr hier seid, noch weiß jemand, warum er nach euch verlangt hat.“

Wie soll ihm auch jemand mitteilen, dass ich hier bin, wenn niemand zu ihm darf?“ brachte Raréon ein Problem zu Gespräch.

Er unterrichtet uns mit Hilfe von Briefen.“

Raréon beachtete das nicht. Er war noch bei dem Punkt, dass er mal wieder von einem wichtigen Herrscher verlangt wurde, ohne dass jemand – und vor allem er selbst nicht – wusste, warum. Aber das war er ja schon gewöhnt.

Bringt mich zu ihm, er wird mich schon aufklären.“

Der Beamte nickte.

Folgt mir.“

Sie verließen die Halle durch eine Seitentür, folgten einem langen Gang und kamen schließlich zu Tamirús persönlichen Gemächern. Dort wurde Raréon dann allein gelassen. Dieser erkundete neugierig die Räumlichkeiten. Sie waren wesentlich schlichter, als er gedacht hätte, aber sonst im selben Stile wie der Rest des Palastes es auch schon gewesen war.

Danke, dass ihr gekommen seid“, hörte er plötzlich eine Stimme hinter sich.

Überrascht drehte Raréon sich um. Tamirús war ein Mann am Ende seiner mittleren Jahre und saß in einem großen Sessel im Wohnzimmer neben einem Kamin. Feuer prasselte in diesem. Raréon musterte Tamirús kurz. So sterbend sah er doch noch gar nicht aus.

Warum wollt ihr mit mir reden?“ kam er direkt auf das Problem zu sprechen.

Tamirús nickte, als wäre er damit einverstanden, nicht groß drumherum zu reden.

Das Reich ist im Niedergang begriffen, und mit ihm auch ich. Ich habe dieses Reich von Vaiaris übernommen und zu seinem Höhepunkt gebracht. Immer waren wir eins. – Tól und Omé haben gut daran getan, den Völkern im Osten zu helfen und ich hoffe, sie werden auch gut für mein Volk sorgen. Und ebenso ihr.“

Er schien kurz zu überlegen und erklärte dann: „Ich werde euch einige meiner besten Leute mitgeben.“

Raréon war überrascht.

Ihr gebt mir Leute mit?“

Ja.“

Tamirús setzte sich im Sessel auf und sah ihn ernst an.

Nehmt die Gepflogenheiten meines Volkes mit in den Norden, lasst sie nicht vergessen werden. Im Gegenzug biete ich euch meine Hilfe.“

Tamirús griff neben sich, wo auf einem kleinen Tisch ein kleines Kästchen stand. Reich verziert, doch sonst völlig unscheinbar aus rotem Holz, das matt schimmerte. Er reichte es Raréon.

Nehmt dies. Ihr findet alle Anweisungen und was ihr weiterhin noch zu wissen hättet darinnen.“

Was ist das?“ wollte Raréon wissen, ehe er das Geschenk annahm.

Das Geheimnis meiner Macht und meines Lebens und eine Möglichkeit für euch, in Zeiten der Not Kontakt mit Tól und Omé aufzunehmen.“

Ihr kennt Tól und Omé? Warum fragt ihr sie dann nicht um Hilfe für euch? Warum mich?“

Dachtet ihr, sie hätten mich nicht auch besucht? Sie warnten mich und boten mir an, mein Volk zu retten, doch ich war hochnäsig und eingebildet. Ich lehnte ab, da ich nicht an ihre Verkündungen glaubte. Doch sie sind mächtiger und allwissender als ich. Sie gaben mir aber den Inhalt dieses Kästchens. Und ich legte nun für euch noch ein eigenes Geschenk bei. Möge es euch von gutem Nutzen sein. Jetzt nehmt!“

Und damit drückte er Raréon das Kästchen auf, ob dieser wollte oder nicht.

Ich danke euch“, sprach Raréon verunsichert.

Doch Tamirús winkte nur ab.

Ich habe euch zu danken. Ihr macht meinen Fehler wieder gut. Ich zähle auf euch – wir alle zählen auf euch. Erzählt meinem Volk von Tól und Omé und warnt sie vor der Zukunft.“

Als Raréon schließlich wieder zurückkehrte zu seinen Leuten, wurde er von eben diesen mit Fragen nur so überhäuft. Doch statt auch nur eine zu beantworten, zog er sich still und nachdenklich auf sein Zimmer zurück.

V: Ein neuer Freund und ein neues Reich

Beteiligte: Raréon, Mytillin Machey, Amant Emaior, Galand, Wächter, Tamirús‘ Leute, Raréons Reisegesellschaft, Emaiors Reisegesellschaft

Orte: Tamilor, Amîen, Raréons Lager

In den nächsten Tagen und Wochen lernte Raréon in Tamilor die Leute Tamirús’ kennen und wies sie ein. Sie verstanden sich gut und die Fähigkeiten der Neuankömmlinge waren eine willkommene Ergänzung der Gruppe. Doch bald schon mussten sie endlich weiter reisen. Sie kamen nach Luvaun, dem ältesten Reich des Kontinentes, nördlicher Nachbar und früherer Feind von Lurruken und dessen Sprache Tól und Omés eigener Sprache sehr ähnlich war. Doch nun merkte man auch diesem Reich bereits sein Alter an. Das Volk war entartet und sah keine Gefahren, lebte lediglich für Lust und Freude, hielt sich für unverwundbar, unbedroht und für immer unsterblich. Für die Worte von Tól und Omé war hier natürlich niemand empfänglich und ähnlich wie Lurruken sollte so auch dieses altehrwürdige Reich bald schon zerfallen und ein Jahrtausende andauerndes Dunkles Zeitalter für die Gegend anbrechen. Doch war es in Amîen, der alten Stadt aus der Legende vom Moorwasser-Monster, nicht unfern von eben diesem See gelegen, wo Raréon einen Abenteurer kennen lernte. Es begab sich unweit der Stadt, dass dieser Mann von wilden Raubtieren, genannt Paudass, angegriffen wurde. Raréon traf gerade noch rechtzeitig ein, um ihm zu helfen.

Habt Dank!“ keuchte der Angegriffene nach dem Kampf gegen die Tiere.

Da gibt es nichts zu danken“, entgegnete Raréon beschwichtigend, „wir sind schließlich gerade deshalb unterwegs, den Leuten zu helfen. Und nicht um zuzusehen, wie sie gefressen werden.“

Der Mann sammelte sein auf dem ganzen Boden verstreutes Hab und Gut ein und warf ihm ein dankbares Grinsen zu. Er reiste mit reichlich Gepäck, war dunkelhaarig, groß und kräftig.

Ich bin Raréon“, stellte sich eben dieser vor.

Er deutete auf seine Reisegesellschaft: „Und dies sind meine Begleiter. Ich bin ein Diener Tóls.“

Der Mann ließ von seiner Suche ab.

Und ich bin Mytillin Machey. Doch wer ist dieser Tól?“

Und so verbrachten die beiden die nächsten Stunden damit, sich gegenseitig ihre jeweiligen Geschichten zu erzählen, während Raréons Begleiter eine Weile rastete. Machey stammte aus dem fernen Westen und war tatsächlich, wie schon vermutet, ein Abenteurer auf der Suche nach dem großen Glück. Doch bisher hatte er es noch nicht gefunden und stimmte sodenn bald schon begeistert zu, Raréon auf seiner weiteren Reise zu begleiten.

Sie verbrachten die Nacht in Amîen und zogen Tags darauf weiter gen Norden. Am gewaltigen Lusvameer entlang und durch die Berge, führte sie ihr Weg nach TuKarra, einem der jungen nördlichen Reiche. Es war ruhig im Lande und sie erlebten nichts Besonderes, doch waren die Einwohner dieser Täler und Flussauen mehr als ablehnend gegenüber den Lehren von Tól und Omé, vor allem da ihre Lande nicht am Meer lagen. Dafür erfuhren sie schnell von dem großen Unglück, welches sowohl Iotor im Norden als auch die Länder an den Zwillingsmeeren im Osten verheert hatte. Besonders Iotor sollte wohl gut zur Hälfte untergegangen sein, der Rest lag in Trümmern. Beeinflusst von Macheys Vorschlägen ordnete Raréon an, dass man dorthin weiter ziehen würde, um dem Volk, das vor Jahrhunderten von Iotor versklavt worden war, zu helfen – und es zu bekehren. Sie kamen recht unbemerkt durch den Süden Iotors. Es schien, dass Iotor die Herrschaft bereits teilweise aufgegeben hatte. Dörfer standen völlig frei und bar jeder Verwaltung da, ja sogar einige Städte. In anderen hatte sich die Stadtwache von Iotor losgesagt und war eigene Herrschaften angetreten.

Man schrieb das Jahr 2015, als Raréon samt Gefolgschaft und Mytillin Machey an seiner Seite die neue Mündung des Flusses erreichte, den man heutzutage Miabanur nennt. Früher mehr als doppelt so lang, bis weit nach Norden fließend, endete er nun aber bereits in einer kleinen Bucht, welche von zahlreichen großen und kleinen Inseln durchzogen und geprägt wurde und die man heutzutage deshalb Banurburta nennt. Raréon setzte zur größten der Inseln über und schlug genau dort sein Lager auf, um den umgebenen Einwohnern und Dörflern anzuzeigen, dass er auf Tól und Omé vertraue und keine Gefahr mehr vom Meer drohe. Die nächsten Monde verbrachte er denn auch damit, durch die nähere Umgebung zu reisen, mit Dörfern zu handeln und ihnen Tól und Omé näher zu bringen, derweil Machey den Aufbau eines befestigten Lagers überwachte.

Zu dieser Zeit hielt Amant Emaior sich gerade in Aleca auf. Aleca hatte als Küstenland ebenfalls Gebiet verloren, doch schaffte das Land es wenigstens, für mehr Ordnung zu sorgen als so manches andere. Trotzdem nutzten einige unzufriedene Minderheiten die Zeichen der Zeit und erklärten sich kurzerhand für unabhängig. Andere erklärten die Gründer von Ragadun für heilig, hatten sie die neue Hauptstadt doch genau an dem Punkt errichtet, bis zu welchem hunderte Jahre später das Wasser vordrang und dort stoppte, während Gadun, die alte Hauptstadt, in den Fluten für immer versank. Da Aleca seine Flotte größtenteils verloren hatte, half Emaior bei der Übermittlung von Botschaften zwischen dem Festland und den neuen Inseln vor der Küste. Die Länder nordwestlich, rund um den Zwillingsmeeren, wurden hart getroffen, doch das alte Kernland von Iotor überstand die Flut, nun aber als Halbinsel. Aber es gab dort Verwirrung, genau wie überall sonst.

2017, also zwei Jahre später als Raréon, erreichte auch Emaior die heute Banurburta genannte Bucht. Doch Raréon selbst war gerade nicht im Lager, welches nun schon eher ein befestigter Außenposten war, zugegen, als Emaior dort vor Anker ging und es betrat um seine Vorräte aufzufrischen. Er erwartete Einheimische anzutreffen.

Zu welchem Land gehört dieser Posten hier?“ erkundigte sich Emaior bei der Torwache, welche nicht zu Raréons ursprünglicher Gesellschaft gehörte, sondern wie so viele sich unterwegs anschloss und welche die Flagge Emaiors daher auch nicht kannte, doch die fremde und unerwartete Flotte misstrauisch beäugte.

Wir sind niemandem Untertan“, antwortete der Wächter ruppig, der Zeit seines Lebens immer unter Iotor gelitten hatte. „Wer seid ihr und was wollt ihr hier und von uns?“

Mein Name lautet Amant Emaior“, betonte eben dieser. „Ich befinde mich auf einer großen Reise und würde gerne mit euch handeln, um unsere Vorräte aufzufrischen. Wir führen auch andere Waren mit uns.“

Der Wächter musterte ihn und seine Begleiter erst eine Weile düster, bevor er zur Seite trat und ihnen Platz machte.

Tretet ein – doch stellt ja nichts an!“

Und so betraten Amant Emaior und seine drei Begleiter das Lager. Die Händler, welche zum Posten kamen und hier auf dem kleinen Platz zwischen halb behelfsmäßigen Gebäuden ihre Waren feil boten, waren allesamt Einheimische, doch musste es ja irgendwann so weit kommen, dass jemand aus Lían ihnen über den Weg lief und Emaior erkennen würde. Und so geschah es denn dann auch, ein Krieger starrte ihn wie gebannt an.

Emaior? Amant Emaior!“ rief er, und der Angerufene wandte sich überrascht zu ihm um.

Ich bin es – Galand!“

Emaior hatte Galand seit seiner Abfahrt nicht mehr gesehen und wähnte ihn die ganze Zeit über noch bei Tól und Omé. So war er denn auch nicht wenig erstaunt.

Galand? Was macht ihr denn hier?“

Erfreut klopfte dieser ihm kameradschaftlich auf die Schulter, doch sah er ebenso verwirrt und überrascht aus.

Wir sind genau wie ihr hierher gesandt worden, allerdings erst ein Jahr nach eurem Aufbruch.“

Was? – Wer hat hier den Befehl? Ich will mit ihm sprechen!“ forderte Emaior augenblicklich, konnte er es doch nicht fassen.

Galand sah ihn vorsichtig an.

Mytillin Machey hat hier die Aufsicht. – Ich bringe euch wohl besser zu ihm.“

Und das tat er dann auch. Sie fanden Machey in einem kleinen Zimmer in der Kaserne des Postens vor, wo er hinter einem Schreibtisch saß und Unterlagen durchging.

Ich bin Amant Emaior, gesandt von Tól und Omé um die Welt zu erforschen und den Völkern zu helfen“, stellte dieser sich ohne große Umschweife vor.

Ah!“ entgegnete Machey, „Wir haben euch bereits erwartet! Raréon erzählte uns von euch.“

Der überrascht-fassungslose Ausdruck kehrte auf Emaiors Gesicht zurück.

Raréon ist auch hier? – Was geht hier eigentlich vor?“

Machey nickte ernst.

Ja. – Aber er soll euch lieber selber alles erzählen. Wir erwarten ihn in einigen Tagen zurück. Bleibt solange doch als mein Gast.“

Doch Emaior war verwirrt und misstrauisch.

Wenn ihr erlaubt, tätige ich lieber erst mal nur meine Geschäfte. Wir werden dann vor der Küste auf unseren Schiffen lagern.“

Wie ihr wollt.“

Und damit tat Emaior wie gesprochen.

Emaior hatte einige Tage zu warten, eh Raréon endlich zurückkehrte.

Amant Emaior! Raréon ist zurück!“ sprach Galand, als er Emaior abholte und zu Raréon brachte.

Amant! – Alter Freund! – Es freut mich, dich hier zu sehen!“ begrüßte ihn dieser mit freundschaftlich erhobenen Armen.

Doch Emaior ging nicht auf diese Geste ein. Die vergangenen Tage hatten sein Misstrauen nur noch geschürt.

Warum bist du hier? Was hast du hier zu suchen? Trauen mir Tól und Omé nicht mehr?“ verlangte Emaior zu wissen.

Raréon stellte eine verwirrte Miene zur Schau. Dann lächelte er.

Amant, ich bin sicher nicht hier um dich zu behindern oder gar dich zu überwachen. Niemals! – Nach dem du los gezogen warst, riefen mich Tól und Omé zu sich. Wir kamen darin überein, dass nicht nur die Küstenländer bedroht sind. Auch ich sollte den Leuten helfen. Also reiste ich durch die küstenfernen Länder. Doch in TuKarra erfuhr ich dann von dem schrecklichen Unheil hier in Iotor und kam deshalb her.“

Er machte eine weit ausholende Bewegung mit dem Arm und legte Emaior die Hand auf die Schulter. Wieder lächelte er.

Du bist nun zu genau der richtigen Zeit erschienen. Ich kann dich hier gut gebrauchen. Hilf mir, denn zusammen werden wir die Dörfer hier einen und ihnen Tól und Omé nahe bringen!“

Und Emaior schüttelte die Hand ab.

Ich sehe deinen Standpunkt und kann ihn auch verstehen. Doch habe ich noch eine andere Aufgabe – ich soll nach Tolum.“

Raréons Lächeln versiegte, er wurde ernster.

Dort wirst du nicht mehr viel vorfinden. Tolum ist fast gänzlich versunken, der klägliche Rest dörrt immer weiter aus, bald werden die Länder wohl völlig unbewohnbar sein, ähnlich wie einst Antahr. Doch bleib bei mir, hier können wir noch etwas erreichen!“

Auch Emaior blickte ernst.

Dann werde ich einen Teil meiner Leute die Küste gen Tolum erkunden lassen, derweil ich mit dem Rest gen Ost gehe. Auch dort zerfällt Iotor und lässt sein Volk im Stich, dort bat man mich um Hilfe. Ihnen werde ich als erstes helfen.“

Doch in Wahrheit traute er Raréon nicht völlig, hatte es noch nie so gänzlich getan, nicht einmal in Lían.

Es schmerzt mich, das zu hören“, sprach Raréon, „bleib wenigstens noch den Winter über bei uns.“

Und das musste Emaior dann gezwungenermaßen auch, da der Winter bereits schnell nahte. So blieb er mit seinen Leuten im Lager und überwinterte dort zusammen mit Raréon. Sie hielten zahlreiche Gespräche über ihre Zeit in Lían, ihre jeweilig erlebten Abenteuer und vieles mehr, doch blieb die Stimmung zwischen ihnen letztlich weiterhin frostig, ähnlich dem leichten Schneefall außerhalb der Gebäude. Im Frühjahr des nächsten Jahres, des Jahres 2018, teilte Emaior seine Gruppe in zwei kleinere. Die Schiffe segelten größtenteils weiter nach Westen, derweil Emaior mit den meisten seiner Leute nach Osten ging. Sie kamen bald schon an den Pes-Erhd, den Sonnenfluss, oder Sonlar, den Iotor noch als Grenzfluss für sich beanspruchte, und folgten ihm hoch in die Berge: die steilen und zerklüfteten Sonnenzinnen. Schnell erkannte Emaior, dass dies wohl ein schlimmer Fehler gewesen war, trugen die Berge doch nicht umsonst ihren Namen, schien dort doch stets unerbittlich die Sonne und verwandelte die Täler der Berge in wahre Schmelztiegel. Emaiors Gruppe flüchtete aus den Tälern und erreichte schließlich den nördlichen Fuß des Gebirges, wo sie bald ihr Lager aufschlugen. In den folgenden Jahren erwehrte er sich den in Todeszuckungen befindlichen Teilen Iotors und baute sich eine eigene Machtstellung auf. Die Schiffe, welche nach Tolum gefahren waren, schickte er nach ihrer Heimkehr so gleich nach Ahém, wo sie Tól und Omé Bericht erstatten sollten.

In dieser Zeit hatte Raréon derweil anderes zu tun. Heimlich unterhielt er sich mit dem Kapitän von Emaiors Schiffen und schaffte es, diesen dazu zu überreden, auch Leute von Raréon mitzunehmen. Diese gingen nach wenigen Tagen aber bereits wieder von Bord. Dort, an einer kleinen, günstig gelegenen Bucht, wo einst Saten lag, errichteten sie einen weiteren Posten auf einem niedrigen Hügel, der über die Bucht wachte. Bald aber trafen sie auf die Bewohner des Inlandes. Diese waren Knechte Iotors gewesen, hatten sich nun aber losgesagt. Sie nannten sich selber Juepen, was der Name ihres Volkes vor der Invasion durch Iotor, zu Zeiten der iotorischen Herrschaft und nun immer noch gewesen war, als Zeichen der Abgrenzung zu den tolumischen Iotoren. Hier im Westen hatte sich nach dem Ende der iotorischen Versklavung ein kleines Königreich gebildet, welches sich Huálor nannte. Die Leute Raréons erzählten ihnen, dass sie zu „Rars Stadt“ gehören würden; dieses Wort lautete in der juepischen Sprache Rardisonan. Man konnte Huálor davon überzeugen, dass man sie weder erobern noch versklaven wolle, und so gelang ein friedliches Nebeneinander. Und im Osten von Rardisonan siedelte Emaior, dessen einzig wahre Liebe stets Omé gewesen war, und so nannte er seinen Posten Omérian, was gleichzeitig Omés Land, aber auch Ostland bedeuten sollte.

VI: Der Streit zwischen Raréon und Aurost

Beteiligte: Raréon, Mytillin Machey, Galand, Mharef, Gar-iorhed, Raréons Krieger, Wachposten von Aurost, ein Bote, Adlige von Aurost, Einwohner von Aurost, Krieger von Iotor, Sklavinnen.

Orte: Raréons Lager, Aurost

Wenige Wochen nach Emaiors Abreise im Jahre 2018, erhielt Raréon eine Botschaft. Mytillin Machey überbrachte sie ihm, aufgeregt und gleichzeitig besorgt aussehend.

Raréon, soeben traf eine Botschaft des iotorischen Herrschers bei uns ein! Du solltest sie lesen.“

Raréon sah von seiner Mahlzeit auf und runzelte die Stirn.

Was will er denn?“

Iotor herrschte noch immer über das Gebiet südlich des Pes-Erhd, und dieser lag nur wenige Tage südlich des Postens. Bei seinen Tätigkeiten war Raréon sehr schnell an diese Grenze gestoßen, sie aber nur vereinzelt überschritten. Sah man ihn nun als Bedrohung an?

Er lädt dich nach Aurost zu sich als Gast ein.“

Nach Aurost? Als Gast?“

Raréon war sichtlich verblüfft, damit hatte er nicht gerechnet. Schnell fasste er sich aber wieder und sah erneut grüblerisch drein.

Vermutest du eine Falle?“ fragte er Machey.

Dieser sah unschlüssig aus.

Ich weiß es nicht. Aber wenn wir die Einladung einfach so ablehnen, dürften wir einen ziemlich mächtigen Feind zum Nachbarn haben. Und sollte er dich umbringen oder gefangen nehmen, hätte er sicherlich schnell Emaior und Tól und Omé ebenso zum Feind. Die Welt wäre nicht gerade geordneter, käme es zu einem so großen Krieg.“

Raréon fand zwar, dass Machey in seinen Überlegungen übertrieb, stimmte aber dem Kern seiner Ansprache zu.

Und was meinst du, sollte ich nun unternehmen?“

Raréon vertraute schon länger völlig auf das Urteil seiner rechten Hand: Machey.

Annehmen – und nicht alleine hingehen. Ich werde dich, zusammen mit einigen unserer Leute, begleiten.“

Raréon dachte kurz nach und nickte letztendlich

Gut, machen wir es so, mein Freund.“

Und so taten sie dann auch. Einen Wochenlauf später machten sich Raréon, Mytillin Machey sowie mehrere Krieger auf den Weg nach Aurost, der Hauptstadt von Iotor, während Galand zurück blieb und das Lager in ihrer Abwesenheit leitete. Als sie Aurost schließlich erreichten und erblickten, waren sie zutiefst beeindruckt.

Vor langer Zeit schon hatte ein iotorischer Herrscher beschlossen, seinen Herrschaftssitz vom nördlichen Fayan, der früheren Hauptstadt des alten Otoriach – wie Iotor einst hieß -, weiter in den Süden, hinein in die besetzten Gebiete zu verlegen. Dazu wollte er aber nicht irgendeine Stadt übernehmen, sondern ordnete den Bau eines gewaltigen Denkmals, sich selbst zu Ehren, an. Die Fertigstellung von Aurost sollte er aber nicht mehr erleben, würde vielleicht niemals irgendjemand in seinem Leben sehen, denn ewiglich sollte an dem Turm weiter gebaut werden. Aurost lag an der Mündung des Dunlon, eines aus den Sonnenzinnen kommenden Flusses, in die Miabanur und war ein einziger, gewaltiger Turm: Aurost, der Stadtturm. Aber nicht irgendein Turm einer Stadt, nein, der ganze Turm war eine Stadt. Er war breit und hoch genug für die Bevölkerung einer mittelgroßen Ortschaft, doch noch lange nicht fertiggestellt. Bereits doppelt so hoch wie die ihn umgebenden Bäume ragte er auf und aus der Ferne sah man die zahlreichen Baukräne oben auf der belebten Baustelle des Turms. Der Bau stoppte zwar bereits seit Jahrzehnten, doch nun schien eine Fertigstellung endgültig unmöglich geworden zu sein. Denn nach der Abtrennung und dem Verlust so vieler Ländereien von Iotor war die Rohstoffbeschaffung beschwerlich geworden. Riesige Banner mit dem Wappen und den Farben von Iotor hingen an den Außenwänden herab. Ein gewaltiges Tor stand weit offen, doch wurde strengstens bewacht.

Wer seid ihr?“ fragte der grimme Wachposten.

Raréon samt Begleitung“, antwortete dieser ihm, „wir werden erwartet.“

Der Wächter nickte bestätigend.

Das stimmt. Man erwartet euch. Wartet hier.“

Er drehte sich um, rief jemandem im Innern des Turms etwas zu, woraufhin dieser wiederum los eilte, um jemanden gänzlich anderes zu holen. Die ganze Zeit über stand der Posten vor ihnen und starrte sie misstrauisch an, bis schließlich eine kunstvoll gewandete Person mit ebenso kunstvoll verziertem Schnurr- und Kinnbart sowie verzierten Augen und Fingernägeln erschien.

Ich bin Gar-iorhed“, stellte der Neuankömmling sich vor, „Kammerdiener dieser unserer Festung. Unser Herrscher Mharef erwartet euch bereits ungeduldig, also! – folgt mir bitte.“

Und sie folgten ihm. Von innen war Aurost nicht minder beeindruckend. Wie in einem riesigen Palast folgte ein endloser, schön ausgeschmückter Gang auf den nächsten, flankiert von abgehenden Nebenabzweigungen und Türen, die zu Gemächern, Wohnungen, Ställen, Lagerräumen und vielem mehr führten, aber auch riesige Plätze mit hoher Decke, auf welchen Händler ihre Waren feil boten und Einwohner der Anlage herum huschten. Von einer Etage zur nächsten kam man über große, an den Außenwänden entlang führende Rampen und zahlreichen innere Wendeltreppen. Die Gruppe um Raréon wurde zu einem weiteren großen Tor auf der ersten Ebene geführt, welches zu einer Art Thronsaal führte. Hier erwartete sie der iotorische Herrscher Mharef. Raréon trat vor und verneigte sich.

Oh großer Mharef, ihr habt uns das großzügige Geschenk eurer Gastfreundschaft angeboten und wir sind hier, es dankbar in Empfang zu nehmen. Doch auch wir bringen ein Geschenk für euch.“

Damit deutete er auf das Kästchen, welches einer der Soldaten nun präsentierte. Mharef ließ ein gönnerhaftes Lächeln erkennen. Er war schon lange nicht mehr der Jüngste, wohl schon Herr über Iotor vor dem Feuer am Himmel gewesen und daher das Herrschen gewohnt. Sklavinnen saßen auf den Stufen zu seinem Thron und Diener huschten umher. Er selber war ähnlich wie Gar-iorhed gekleidet, ließ diesen in seinem Prunk jedoch völlig verblassen. Sein Gewand war mit Edelsteinen bestickt und reichte bis zu den untersten Stufen. Als Zeichen der Herrschaft trug er eine reich bestückte Krone und war auch sonst nicht gerade bescheiden im Ausschmücken seiner selbst.

Wir danken euch“, war seine Antwort.

Er deutete einem Diener, das Geschenk entgegen zu nehmen und wegzubringen, dabei vermutlich auf eine Falle untersuchend.

Wir haben viel mit euch zu besprechen. Wie wäre es mit einem gemeinsamen Essen heute Abend?“ fuhr er fort.

Natürlich war dies weniger Frage denn gewohntes Gefasel und jegliche Ablehnung wäre eine tödliche Beleidigung gewesen, also nahm Raréon dankend an.

Mein Kämmerer hat Zimmer für euch vorbereiten lassen“, fuhr Mharef fort.

Fühlt euch als meine willkommenen Gäste.“

Damit war das Gespräch vorerst offensichtlich beendet. Gar-iorhed trat denn auch sofort vor.

Folgt mir bitte.“

Es waren vier Zimmer für sie vorbereitet worden. Machey bestimmte, dass Raréon und er jeweils ein eigenes Zimmer bekamen, ihre Krieger die restlichen unter sich aufteilen und einigermaßen gleichmäßig belegen sollten. Abends holte Gar-iorhed sie wieder ab und führte sie in einen Speisesaal, wo sie alle an einen länglichen Tisch gesetzt wurden. Raréon und Machey nah des Kopfendes, neben bereits wartenden Würdenträgern Iotors, die Kämpfer kamen an das Fußende. Kurz darauf kam dann auch Mharef hinzu und setzte sich an das Kopfende, neben sich Gar-iorhed und einen unbekannten anderen Mann sitzen habend. Alle Wesen zu Tisch waren männlich. Es wurde sich begrüßt, Höflichkeiten ausgetauscht und wirr durcheinander geredet, ehe die Speisen endlich aufgetragen wurden. Schließlich ergriff Mharef das Wort und wandte sich an Raréon.

Wir haben euch beobachtet, seit ihr euch letztes Jahr an unserer Küste niedergelassen habt. Was genau führte euch aber in unser Land?“

Nun wird es also ernst, schoss es Raréon durch den Kopf.

Tól und Omé haben uns entsandt, den Völkern zu helfen, welche durch das Feuer am stärksten betroffen waren. Bei euch fanden wir besonders große Not und Verwirrung vor.“

Dies schien Mharef nicht gern zu hören. Er runzelte düster die Stirn.

Wir können dem Volk immer noch am besten helfen. – Doch wer sind diese Tól und Omé?“

Raréon zögerte. Er wollte nichts Falsches sagen.

Sie sind vor achtunddreißig Jahren in Lurruken erschienen, haben unsere Leben verändert, Tausende gerettet und vor dem Unheil bewahrt.“

Und nun wollen sie ihre Herrschaft auf unser Reich ausdehnen?“ fuhr ihm Mharef scharf ins Wort.

Dem Herrscher Iotors schien nicht bewusst zu sein, oder er wollte es bloß nicht wahr haben, dass sein Reich fast zerstört da lag und dem Untergang bereits geweiht war.

Wir möchten nur helfen…“, sagte Raréon vorsichtig und unsicher.

Wenn ihr helfen wollt“, entgegnete Mharef, „zahlt eure Abgaben wie alle unsere Untertanen und wagt nicht aufzubegehren.“

Nach diesen Worten fielen noch viele weitere, doch erstmal wurde das Mahl fortgesetzt und Raréon hielt sich zu dem Thema Abgaben bedeckt. Raréon und seine Gruppe blieben noch zwei Tage in Aurost. Jeden Abend fand ein Mahl statt, jeden Abend versuchten Mharef und Raréon sich gegenseitig von ihren Standpunkten zu überzeugen. Der eine wollte die „Eindringlinge“ in sein Reich eingliedern, Steuern und Abgaben erhalten, der andere die „dem Untergang Geweihten“ von sich zu überzeugen um sie zu retten.

Am nächsten Abend kam Mharef endlich auf den Punkt: „Werdet ihr unsere Herrschaft anerkennen?“

Doch Raréon hatte nur zu entgegnen: „Nur, wenn ihr auch Tól und Omé anerkennt und uns euch helfen lasst.“

Doch besserte ihr Verhältnis sich damit nicht. Den Rest der Zeit hatten Raréon und die anderen zu ihrer freien Verfügung. So nutzten sie sie, um Aurost zu erkunden, mit den Leuten des Turmes zu reden und teilweise auch den Versuchen, Einzelne zu überzeugen, was Mharef jedoch gar nicht gerne sah. Am dritten Tag dann passierte aber etwas Schwerwiegendes: ein Auroster wurde oben auf der Baustelle tot aufgefunden. Mytillin Machey wurde Tags zuvor oft mit diesem gesehen und so schnell des Mordes bezichtigt, doch da er alles abstritt und niemand ihm etwas beweisen konnte, passierte erstmal nichts weiter. Am Abend gab es ein erneutes Mahl und misstrauische Blicke wurden zuhauf gewechselt.

Werdet ihr unsere Herrschaft nun endlich anerkennen?“ fragte Mharef schließlich scharf und fordernd.

Diese Einzelheit war die letzten Tage schon mehr als heiß besprochen worden und dementsprechend abweisend zeigten sich Raréon und die anderen bereits davon, doch blieb dieser freundlich.

Wenn ihr Tól und Omé anerkennt und uns eurem Volk helfen lasst.“

Wie ihr unserem Volk helfen könnt, haben wir ja heute zur Genüge gesehen!“ platzte diesmal aber einer der anwesenden Adligen dazwischen.

Was soll das heißen?“ wollte Raréon wissen.

Warum sollen wir eine Bande von Mördern aufnehmen?“ fragte ein anderer Adliger und wandte sich dann an den Rest: „Wieso vernichten wir sie nicht mit unserer Macht?“

Weil ihr dann niemanden mehr zum versklaven habt“, sagte Machey ruhig, doch vollkommen eisig.

Wer uns beleidigt, wird nicht mehr lange leben!“ entgegnete der erste Adlige daraufhin wütend.

Woher wollt ihr eine Armee nehmen? Euer Reich ist am Ende!“ stellte Machey bitterböse fest.

Wir sind immer noch mächtiger als ihr!“ warf endlich auch Mharef ein.

Womit nehmt ihr euch das Recht, hier aufzutauchen und uns Forderungen zu stellen?“ ergänzte ein Adliger.

Wann gab man euch das Recht, unser Volk zu töten?“ fragte Mharef.

Er blickte Raréon scharf an: „Welcher Herr hat hier seine Diener nicht im Griff?“

Doch Machey, nun hochrot im Gesicht vor Scham und Wut, holte mit der Frucht, welche er gerade in der Hand hielt und zuvor noch essen wollte, weit aus und warf sie mit aller Wucht. Sie klatschte Mharef gegen die Wange, zerplatzte und befleckte ihn, ließ ihn aber vor allem mit samt seines Thronstuhles hinten über kippen.

Alle blickten entsetzt auf den Gestürzten, bis dieser von unten, sich mit einem Arm aufstützend, den Finger in die Luft streckte und etwas mit brüchiger Stimme schrie: „Tötet sie!“

Die gesamte Festgesellschaft war gänzlich unbewaffnet und so blieben die Adligen entweder nur geschockt sitzen oder flohen gleich entsetzt und völlig überhastet. Doch die Wächter im Raum hatten ihre Waffen natürlich noch und rückten nun gegen Raréon und seine Leute vor, jeder mit einem bösartigen Grinsen im Gesicht. Machey war der einzige von diesen, der vorgesorgt hatte. Er zog einen Dolch aus seinem Stiefel und bezwang einen der acht Wächter damit. Dem Gefallenen nahm er die Waffe ab, tötete einen Zweiten, solange dieser noch zu überrascht war, und warf dessen Waffe Raréon zu. Dreien ihrer Krieger gelang es, einen weiteren Wächter zu überwältigen. So ging der Kampf weiter, bis einer von Raréons Kämpfern sowie alle acht Wächter tot am Boden lagen. Doch da stürzten bereits weitere zum Tor herein.

Wir müssen fliehen!“ rief da Raréon den anderen zu.

Raréon, Machey und die anderen versuchten sich einen Weg hinaus zu erkämpfen, doch der Weg Richtung Tor war schnell versperrt, so mussten sie eine andere Möglichkeit suchen. Nach etlichen Kämpfen, Gängen, Treppen und Sackgassen standen sie irgendwann nur noch zu sechst in einem Gang, von welchem ein großer Flur abging.

Raréon, hier entlang!“ machte Machey auf den Weg aufmerksam, „dort geht es zu den Ställen!“

Tatsächlich standen sie kurz darauf in eben diesen, arg bedrängt von den Aurostern. Die Tiere dort in den Boxen waren allesamt von der Art, welche man heutzutage Tomare, Tomisa, Panturgon oder dort im Norden Veduiguim nennt. Genau genommen waren es sogar die Vorfahren dieser heutigen letzten Unterart. Sie waren hier knapp unter dem „Dach“ des Turms untergebracht und damit waren diese geflügelten und flugfähigen Wesen keine allzu große Überraschung. Doch über viele von ihnen schienen die Iotorer wiederum auch nicht zu verfügen. Bis die Gruppe endlich einige Tiere abflugbereit hatte, waren zwei weitere Krieger erschlagen worden. Die letzten vier Anhänger von Tól und Omé in Aurost flohen aus diesem, aber nur zwei sollten es lebend bis zum Lager schaffen. Ein Kämpfer wurde bereits kurz nach dem Start von Pfeilen getroffen, der andere konnte sich in diesem für ihn ungewohnten Sattel nicht halten und stürzte schreiend in die Tiefe.

Die Nachricht von dem Geschehen entsetzte und verunsicherte das gesamte Lager, doch die meisten glaubten Machey, dass er unschuldig sei. Machey ordnete sofort an, das Lager kampfbereit zu machen, da er nicht annahm, dass die Iotorer ihre Rache so leicht vergessen würden. Als sie später allein waren, richtete Raréon das Wort an Machey.

Wie viel von dem, was die Iotorer behaupten, ist wahr?“

Diese Frage erzürnte Machey.

Traust du mir nicht mehr? Hältst du mich etwa für einen Mörder?“

Das habe ich nicht gesagt“, entgegnete Raréon, „ich will nur wissen, was wirklich geschehen ist – und ob ich dir wirklich noch trauen darf.“

Machey blickte ihn ernst an und schien einem Wutausbruch nahe. Doch dann seufzte er.

Nun gut, ich erzähl es dir.“

Er setzte sich an einen Tisch und deutete Raréon es ihm gleich zu tun.

Der Mann war ein Händler, mit dem ich zu tun hatte. Er versprach, mir Auskünfte zu übergeben, die uns gegen Iotor geholfen hätten. Wir vereinbarten das Dach als Treffpunkt. Doch dann verriet er mich und griff an. Ich habe mich nur gewehrt.“

Warum hast du das den Aurostern nicht erzählt?“ fragte Raréon leicht anklagend, „Warum unternimmst du so etwas ohne Rücksprache mit mir?“

Du hättest eh abgelehnt und ein Kampf mit Iotor war immer unausweichlich. Und hätte ich gestanden ihn getötet zu haben, wäre es bloß zu demselben Ergebnis gekommen, egal wie meine Gründe nun aussahen.“

Das mag so stimmen, doch hast du mich trotzdem immer über alles zu benachrichtigen!“

Damit ließ Raréon es bewenden, doch die Stimmung zwischen den beiden blieb die nächsten Tage gespannt.

Nach einer guten Woche standen die Streitkräfte von Iotor an der Küste. Raréon und Machey hatten alle, die helfen wollten, bewaffnet und das Lager so gut es ging befestigt. Es wurde auch ein Bote ausgesandt um Emaior zu suchen, doch kam dieser nicht rechtzeitig zurück. Iotor hatte lange nicht mehr soviel zu bieten wie noch vor zweihundert Jahren, doch waren es immer noch mehr – und vor allem besser ausgebildete – Kämpfer, als sie Raréon und Machey aufbieten konnten. Iotor griff aber nicht sofort an, schien sie nur aushungern zu wollen. Die Belagerung zog sich über Monde hinweg. Der Bote kehrte irgendwann zurück und erklärte, dass Emaior selber in Bedrängnis war und daher nicht helfen konnte. Als ihm aber klar wurde, dass Raréons Lager von Schiffen aus Huálor und anderen Händlern weiter versorgt wurde, wagte der iotorische Befehlshaber endlich den Angriff. Doch kam es damit noch zu keinem Ende, nur zu einer Verlängerung, da man ihn zurückdrängte.

Wir müssen zurückschlagen, sonst werden wir hier auf ewig so fest sitzen“, erklärte Machey eines Tages Raréon, während sich das Jahr bereits dem Ende zu neigte.

Raréon nickt langsam und bedächtig. In den letzten Monden war die Moral im Lager stetig gesunken und selbst Raréon und Machey zerstritten sich immer öfter. Raréon sprach täglich mit den Leuten, doch nutzte es immer weniger. Schließlich stellte sich Machey vor die Verteidiger.

Anhänger Tól und Omés, Bewohner dieses Lagers und dieser Länder, hört mir zu! Seit Jahrhunderten versklavten die Iotorer euch und eure Völker und nun ist endlich der Zeitpunkt gekommen, sie endgültig zu vertreiben! Wer diese Länder wieder frei sehen will und sich nicht scheut, der möge mir folgen! Wir werden Aurost besiegen!“

Machey hatte in letzter Zeit immer mehr an Beliebtheit bei den Soldaten gewonnen, während das normale Volk sich eher an Raréon hielt. Doch nun jubelten sie alle und stimmten ihm zu. Machey und seine Ausfalltruppe, zusammengestellt aus Freiwilligen, machten sich bereit und am nächsten Tag stürmten sie aus dem Lager. Die Iotorer zeigten sich überrascht, aufgrund der Ruhe der letzten Wochen unvorbereitet und leisteten dementsprechend weniger Widerstand. Bis sich dieser endlich doch gebildet hatte, war Machey bereits tief in den feindlichen Reihen. Nach einiger Zeit spaltete sich ein Teil der Kämpfer Raréons, darunter auch Machey selber, von dem Hauptkampf ab. Ohne groß bemerkt zu werden zogen sie weiter und stießen gar ohne Schwierigkeiten bis Aurost vor. Dieses fanden sie nahezu unbewacht vor und drangen leicht ein. Machey ließ alle Einwohner abschlachten, bis Galand, welcher ihn begleitete, ihm endlich Einhalt gebieten konnte.

Haltet ein mit dem Wahnsinn! Das sind Unschuldige!“

Daraufhin ließ Machey sie nur noch aus dem Turm werfen und flüchten, doch Gar-iorhed und andere Adlige dagegen ließ er aus den Fenstern des Turms und von den Baukränen baumeln, aufgehängt als Mahnmal und als Warnung für alle anderen Iotorer. Mharef aber fand man im Turm nirgends vor. Bei Raréons Lager ließen derweil die zurückgebliebenen Krieger von dem Kampf ab und zogen sich zurück. Bald merkten aber auch die Iotorer, was geschehen war. Man ließ Kundschafter zurück nach Aurost schicken und nachdem diese von vertriebenen Einwohnern und den Erhängten an den Mauern berichteten, ließ der iotorische Befehlshaber sofort von dem Lager ab. Er zog nach Süden, um die eigene Stadt anzugreifen. Doch Machey konnte Aurost genauso gut halten wie zuvor das Lager, so dass der Turm nur belagert werden konnte. Der Winter kam bald und nun waren es die Iotorer, welche entmutigt waren, trotz der aus anderen Gegenden eintreffenden Verstärkungen. Im Frühjahr kam dann endlich auch Hilfe für Machey. Raréon hatte die verstrichene Zeit genutzt, um einen Verbündeten zu finden. Westlich seines Lagers, nah der Küste am Sumpf, lag die Burg Emadé und herrschte über ein kleines Königreich, dem Reiche Iotor wieder entrissen. In dessen Herrscher Géri Anaruen fand Raréon einen Verbündeten im Kampf gegen Iotor und so zogen sie aus, dieses endgültig zu schlagen. Die Iotorer wurden erbarmungslos aufgerieben. Viele ergaben sich, nur einigen gelang die Flucht. Doch von Mharef weiterhin keine Spur. Aber er sollte wiederkommen.

VII: Der aufsteigende Stern Macheys

Beteiligte: Raréon, Mytillin Machey, Enreesa, Galand, Garmyn an’Vorra, Soumyl an’Dunnar, Varman an’Linroc, Junge, Wächter, Macheys Leute, Enreesas Jagdgesellschaft, Adlige

Orte: Rardisonan, Karra

Im nächsten Jahr änderte sich einiges in den ehemaligen südlichen Ländern von Iotor. Raréons Lager war längst zur Kleinstadt geworden und man nannte sie immer öfter selbst hier „Rardisonan“. Es siedelten sich immer mehr Leute aus der Umgebung dort an. Doch obwohl er jetzt über die Hauptstadt von Iotor verfügte, blieb er in seinem Lager, während Machey Aurost verwaltete. Das Gebiet südlich von Aurost erhob sich nach dem Fall von diesem endgültig gegen die Iotorer und vertrieb sie aus ihren Ländereien, unterstützt von Raréon und Machey. Dojolas Igíman wurde Herrscher des Volkes und über das nun wieder existierende Königreich Tobjochen. Und auch dieses verbündete sich mit Raréon. Nachdem sie sich eine Weile nur noch über Boten ausgetauscht hatten, besuchte Raréon Machey im Herbst in Aurost.

Ich brauche dich bald wieder bei uns“, eröffnete Raréon, nach einer Begrüßung und kurzem Austausch von Neuigkeiten.

Doch Machey schien nicht erfreut.

Wozu? Die Bedrohung ist beseitigt! Die letzten Iotorer werden sich nicht mehr lange halten oder haben bereits aufgegeben. Ich kann dir Galand schicken, wenn du einen guten Ausbilder brauchst.“

Raréon schüttelte den Kopf.

Du hast noch andere Aufgaben, außer dem Kampf. Wir müssen die Völker einen und ihnen die Lehren Tól und Omés bringen.“

Machey warf genervt die Arme in die Luft.

Tól und Omé! Wer braucht die noch? Die Welt ist nicht untergegangen und wird fortbestehen, auch ohne dass sie alles an sich reißen!“

Raréon war zutiefst entsetzt und zeigte dies auch deutlich.

Unser Ziel ist die Einheit der Völker – Frieden – ein goldenes Zeitalter“, brachte er gerade noch hervor.

Umschreibungen für weitere Eroberungen!“ entgegnete Machey hitzig, „Auch die Iotorer hatten ein goldenes Zeitalter.“

Raréon war fassungslos ob dieses Vergleichs.

Sie hatten andere Völker versklavt, unterdrückt und ihnen ihren Willen aufgezwungen. Unseres aber ist ein freiwilliger Bund!“

Wenn du das glaubst, wirst du bitter enttäuscht werden“, entgegnete Machey, seine Hoffnungen Raréon überzeugen zu können fahren lassend.

Raréon blickte verletzt. Doch wechselte er lieber das Thema.

Kommst du nun mit zurück oder nicht?“ fragte er vorsichtig, doch ernst.

Und Machey blickte ebenso ernst zurück.

Du kannst von deinem Lager aus nicht alles überwachen. Nimm du das Lager, Huálor und Emadé und lass mir Aurost und Tobjochen.“

Raréon funkelte ihn böse an.

Huálor, Emadé und Tobjochen sind unsere Verbündeten, nicht unsere Untertanen!“

Du willst alles nur für dich“, stellte Machey gehässig fest.

Komm mit oder spüre die Folgen“, antworte Raréon und ging.

Machey blickte ihm nachdenklich hinterher. Er hatte es satt, in diesen Landen nur der Zweite sein zu müssen. Zwei Wochen später erreichte eine Botschaft Aurost. Machey sollte zu Raréon kommen, welcher sich in seinem Brief entschuldigte und eine Belohnung für Macheys Dienste hätte. Doch zu diesem Zeitpunkt weilte Machey bereits nicht mehr in Aurost. Galand, der zurück geblieben war, musste Raréon mitteilen, dass Machey den Fluss hinauf gezogen war, gen Süden. Nun wollte auch Machey es zu etwas Großem bringen. Er hatte die ihm Getreuen um sich gesammelt. Groß war ihre Gruppe allerdings nicht und so kamen sie gut und recht unbemerkt voran. An Tobjochens Grenze haltend, gelangten sie in die südlichen Berge. Einen Pass hindurch zu finden war nicht einfach, doch entdeckte Machey schließlich den Weg zurück zu dem Pass, welchen er Jahre zuvor mit Raréon durchquert hatte. Weiter nach Süden wanderten sie und erreichten bald in TuKarra. Im Spätsommer gelangten sie an den Haregez, den gewaltigen Strom. Auf der Suche nach einer Brücke begegneten sie schließlich ihr. Sie befand sich gerade mit einer Jagdgesellschaft nah dem Fluss bei einem kleinen Wäldchen. Ein Lager war errichtet worden, farbige Zelte und Wimpel erzählten von ihren adligen Herren. Einundvierzig davon zählte die Gruppe noch. Machey beschloss, der Gesellschaft allein einen Besuch abzustatten. Nur seine beiden engsten Vertrauten begleiteten ihn. Offen und ohne etwas zu verstecken, stapften sie durch das hohe Gras und betraten die Zeltreihen. Über Feuerstellen brutzelte und briet gefangenes Wild, in Pfannen wurden Pilze gebraten und in Töpfen blubberten Suppen und Soßen. Vor jedem Zelt war ein Tisch aufgebaut, nebst zahlreichen Stühlen und Liegen. Überall saßen wichtig aussehende Leute und sahen teils desinteressiert, teils neugierig ihnen nach, während ihre Diener ständig zwischen ihnen umher wuselten und ihnen Annehmlichkeiten zuteil werden ließen. Einen davon hielt Machey an.

Sag mir, zu wem gehört diese Gesellschaft?“

Und der Junge antwortete unterwürfig, nicht einmal ungehalten ob dieser Störung seiner Tätigkeiten: „Unsere Herrin Enreesa ist hier mit ihrer Jagdgesellschaft zum Abendmahl versammelt, Herr. Ihr findet sie dort hinten in dem Zelt, dem großen in Gelb und Rot.“

Damit deutete er auf das größte der Zelte, wandte sich ab und verschwand wieder, wie er gekommen war. Natürlich hatte Machey bereits von Enreesa gehört. Immerhin war sie die Herrscherin von Karra und ganz TuKarra. Machey hatte zahlreiche Geschichten über sie und ihre fast schon sagenumwobene Schönheit, doch auch Einsamkeit gehört und wurde gar neugierig auf sie und darauf, ob auch nur ein Körnchen Wahrheit in diesen Legenden stecke. Er ging zu ihrem Zelt und bat die beiden Wächter, ihn zu ihrer Herrin vorzulassen. Diese erkundigten sich geschwind im Zelt und ließen ihn alsbald passieren, doch seine Begleiter hatten draußen zu warten und wurden schnell in die Reihen der auf das Abendmahl Wartenden aufgenommen. Und Machey hob den Vorhang und betrat das Zelt der Herrin Enreesa, Herrscherin von Karra und ganz TuKarra. Im Zelt war es weit dunkler als noch zuvor draußen, und so erblickte er sie zunächst nicht.

Wer seid ihr bitte, wohin reist ihr und was ist euer Begehr?“ fragte da eine helle Stimme.

Und nun sah er sie, sich halb auf einer Liege räkelnd, halb auf ihr sitzend, eine Schale voll Obst vor ihr auf einem verzierten Tisch, und war wie gebannt. Ihre Schönheit übertraf alle Legenden, alle Gerüchte, alle Erzählungen die er je über sie gehört hatte; ihre Anmut war entzückender denn die aller Frauen derer er je ansichtig, ihre Nähe fesselte mehr denn die jedes anderen Wesen, dem er je begegnet war.

Nun?“ brach sie leicht amüsiert das Schweigen. „Ihr wolltet zu mir, also sprecht nun auch.“

Und sie lächelte – ermutigend, doch Machey nur bezaubernd.

In ihrem Bann stehend, sprach er: „Mytillin Machey nennt man mich; aus dem Norden komme ich, doch ursprünglich aus dem fernen Westen. Ich weiß nicht, wohin ich reise, doch ich fliehe.“

Nur leicht fragend blickte sie.

Ihr flieht? Wovor?“

Nun verdüsterte sich sein Gesicht.

Vor Raréon, ehemals einem teuren Freund. Doch nun täuscht er ein edles Ansinnen vor um in dessen Namen die Völker selbst bezwingen und beherrschen zu können.“

Raréon? – Ich glaube, jemand berichtete mir von diesem Namen. Trägt ihn nicht der Sieger über Iotor?“

Ja, das ist er und besiegen tat er sie – oder besser, ich tat es für ihn. Doch nun zeigte sich, dass er genauso süchtig nach Macht ist, wie es die Iotorer vor ihm waren. Er will alles beherrschen und wird sicher auch noch hierher kommen.“

Hierher?“

Sie blickte leicht verunsichert, doch gewann dann wieder Vertrauen. Sie deutete auf den Platz neben sich.

Setzt euch doch und erzählt mir bitte von euch und diesem Raréon.“

Und so tat er dann. Er erzählte ihr von sich, seinen Erlebnissen und der Zeit mit Raréon. Doch er erzählte ihr nicht alles und auch nicht immer die Wahrheit. Er berichtete, dass ihr und ihrem Reich aus dem Norden Gefahr drohen würde, dass Raréon ihn verraten hätte, dass er Angst vor ihm hätte und einsam nach einer Zuflucht suche. Und so bot sie ihm letztlich an, mit ihr nach Karra zu gehen, in die alte Stadt am Haregez und östlich im Reiche gelegen. Sie verbrachten noch viel Zeit miteinander, kamen sich näher und festigten dies ein Jahr später schon in einem Bund der Ehe. Machey wurde damit zweitwichtigste Person des Reiches von TuKarra. Schließlich rief er eine Versammlung von Adligen und anderen wichtigen Leuten des Reiches in Karra zusammen und stellte sich vor sie, um zu ihnen zu sprechen.

Ruhe bitte, meine Herren!“ ermahnte er sie, während noch alles miteinander tuschelte und raunte.

Als endlich Stille herrschte und alle ihm gespannt ansahen, begann er mit seiner Rede.

TuKarra ist ein ruhiges und schönes Land. Seine Bewohner leben seit Jahren in Ruhe und Frieden mit seinen Nachbarn. Doch nun droht diesem schönen Reich am Haregez zwischen den Bergen eine neue, große Bedrohung. Wie ihr bereits wisst, kam ich aus dem Norden. Ich diente dort dem so genannten Anhänger von Tól und Omé, welcher sich Raréon nennt. Doch musste ich erkennen, dass Raréon bloß entsandt wurde, um seinen Herren Tól und Omé, welche bereits über einen Teil von Lurruken herrschen, bei ihren weiteren Eroberungen zu helfen.

Nun, meine Freunde – wollen wir zulassen, dass Raréon hierher kommt um TuKarra zu verwüsten, eure Frauen zu schänden, euch zu versklaven und eure Ländereien Tól und Omé vorzuwerfen?“

Empörtes Gemurmel entstand im Saal und viele riefen: „Nein!“

Einer der Adligen, Garmyn aus Vorra, erhob sich von seinem Stuhl.

Was wollt ihr denn bitte tun, um diesen Raréon davon abzuhalten, über uns herzufallen? Wir haben zwar schon davon gehört, dass er Iotor bezwungen hat, doch wer sagt uns, dass er selbiges ausgerechnet mit TuKarra vorhat? Bisher gibt es keine Anzeichen dafür! Wer sagt uns, dass ihr uns nicht nur gegen ihn aufhetzen wollt?“

Machey blickte ihn verärgert und genervt an. Die anderen Anwesenden beobachteten abwechselnd beide.

Wollt ihr etwa warten, bis Raréons Armee endlich über die Pässe strömt um eure Ländereien, Dörfer und Burgen zu überfallen, eure Häuser anzuzünden und eure Untertanen zu töten?“

Wieder riefen viele „Nein!“

Doch Garmyn blickte derweil weiter ernst.

Was genau habt ihr nun vor?“ fragte er.

Machey ließ Zeit für eine dramatische Pause, um alle fest anzusehen.

Als ich herkam, merkte ich, dass der Pass über die Berge euer Schwachpunkt ist. – Soumyl!“

Der Angesprochene blickte überrascht auf.

Eure Burg Dunnar liegt doch nah des Passes, oder?“

Das stimmt, Herr“, antwortete Soumyl unwohl.

Wie oft reisen Leute über den Pass? Habt ihr unser Ankommen bemerkt?“

Soumyl blickte leicht Hilfe suchend durch den Raum, doch fand keine. Schließlich wagte er eine Antwort.

Wir überwachen den Pass nicht immer, es gab nie Schwierigkeiten, …“

Machey schlug fest und bestimmt auf den Tisch vor sich.

Genau das ist es! Ihr bemerkt nichts! Eine ganze Armee könnte sich heimlich an euch vorbei schleichen während ihr in eurer Burg sitzt, Däumchen dreht und an nichts Böses denkt!“

Soumyl blickte beschämt zu Boden. Doch Garmyn sah beide abwechselnd und verärgert an.

Und doch steht am Pass ein alter Turm“, fuhr Machey fort. „Völlig verlassen und halb am zerfallen.“

Der Pentas – vor Urzeiten von Omijern erbaut“, murmelte ein anderer der anwesenden Adligen – Varman.

Machey nickte ihm zu.

Genau. Ich sage, lasst uns den Pentas wieder herstellen, verstärken und eine Festung darum errichten!“

Eine Festung?“

Die Anwesenden murmelten überrascht mit- und durcheinander.

Eine Festung, den Pass zu überwachen“, stellte Varman fest und schien begeistert oder zumindest auf der Seite von Machey. „So sei es!“

Und diesmal rief die Menge laut: „Ja! So sei es!“

Und wie soll sie heißen?“ rief man.

Machey blickte triumphierend und sprach feierlich: „Sie wird Verteidiger von TuKarra sein, also lasst sie uns deshalb Pegrott nennen!“ Welches in der Sprache von TuKarra schlicht Verteidiger bedeutete.

Pegrott!“ rief man begeistert und stieß mit den Weingläsern an.

Und wann beginnt der Bau?“ rief man.

Schon bald, denn Raréon wird immer mächtiger!“ antwortete Machey ihnen und rief ihnen den Grund des Baus wieder ins Gedächtnis.

Und wer soll über sie herrschen?“ rief man ein drittes Mal.

Nun“, fing Machey an und wurde leicht spöttisch, „lasst Soumyl sie verwalten, damit er aufmerksamer wird!“

Man lachte und stieß auf Soumyl an während dieser sich unbehaglich umsah. Garmyn musterte die Versammelten düster.

Dann ist es beschlossen!“ sprach Machey und erhob seinen Kelch, „Nun lasst uns endlich essen!“

Und sofort betraten Bedienstete die Halle und trugen Speisen auf. Doch Garmyn warf Machey einen letzten finsteren Blick zu, dann verließ er den Saal. Man feierte Soumyl, Machey und Pegrott, bis weit in die Nacht hinein, doch auch Machey zog sich bald schon zurück.

VIII: Das Wiedersehen von Lían und Raí

Beteiligte: Tól & Omé, Lían, Raí, Silön, Thaléon Balouron, Malont Déaron, Gaunus, Raís Vertraute, Raís Offiziere, Bannerträger von Malont Déaron, Armeen von Raí und Malont Déaron

Orte: Silour, Ebene bei Diméo, Lían

Doch was passierte wohl während all dieser langen Zeit im Süden, bei Tól und Omé? Nun, diese bekamen oft, doch immer seltener werdend, Nachricht von Emaior und Raréon. In allen drei Gebieten gediehen die Länder, die Bewohner waren zufrieden, es ging ihnen gut und sie hatten nichts und niemanden zu fürchten. Doch oft standen Tól und Omé oberhalb der Versammlungshalle in Lían am Fuß der Berge und blickten gen Süden, wo sich in großer Ferne die gewaltigen, hohen Wälle des Azirun erhoben und den ehemaligen Süden von Lurruken von den kalten Gebieten noch weiter südlich trennten. Etliche Flüsse entsprangen in den Tälern der Berge und flossen in die tieferen Gegenden. Der größte davon war die Nechdra, an deren Oberlauf Arsen, am Unterlauf Darôn und an der Mündung schließlich die Festung Silour lagen.

Zwischen 2015 und 2019, also gute vier Jahre vor dem Zusammentreffen von Machey und den Adligen von TuKarra, etwa zum Höhepunkt des Krieges zwischen Raréon und Iotor, blieb auch Silön alles andere als untätig. Raí war zu dieser Zeit 27 bis 31 Jahre alt und hatte längst seinen lang gehegten Traum verwirklichen können: er war Oberbefehlshaber von Silöns Truppen und eroberte in diesen vier Jahren für Silön zahlreiche der kleinen Reiche und Staaten zwischen Nechdra und Azirun, die nach 2000 und dem Fall von Lurruken entstanden waren. Raí wurde zum größten Krieger von Silön. Er brachte Feuer und Schwert in die Kleinreiche an den Grenzen und wenn man sich nicht freiwillig ergab und unterwarf, half er mit eben diesen nach, um sie zu Silön zu bekehren. Im Frühjahr des Jahres 2019 weilte er wieder in Silour. Im ganzen Reich war er schon lange als Held bekannt und wurde bei seiner Ankunft von den Bürgern auch dementsprechend gefeiert und bejubelt. Schließlich ritt er, nur begleitet von dreien seiner treuesten Leute, in den Palast ein, wo er von Thaléon Balouron, dem Berater Silöns und wie so stets ganz in Schwarz gewandet, bereits erwartet und dann auch freudig begrüßt wurde.

Raí! Herzlich willkommen! Silön erwartet dich bereits.“

Raí stieg endlich von seinem Tier, trat Balouron gegenüber und legte ihm die Hände auf die Schultern. Er blickte ihn fest und ernst an, um dann zu grinsen.

Balouron freundschaftlich die Schultern schüttelnd antwortete er ihm: „Es tut gut, euch wieder zu sehen, alter Freund.“

Balouron blickte betont kühl.

Ja, tut es.“

Endlich ließ auch Raí von seinen Schultern ab und grinste.

Balouron fuhr fort: „Ihr hattet viel Erfolg in den Flussländern, wie wir gehört haben. Silön ist sehr zufrieden.“

Raí nickte grinsend. Zusammen gingen sie in den Palast und redeten dabei weiter.

Ja. Es war schwer, lang und hart, doch wir haben es geschafft: viele der herrscherlosen Völker erkennen jetzt Silön an.“

Raí hatte sich in den letzten Jahren stark verändert. Er war groß geworden und durch seine ständigen Übungen und Schlachten hatte sich sein Körper gestählt. Seine Haare trug er nun länger und er war wesentlich selbstsicherer als früher. Auch sah man ihn fast nur noch in Rüstzeug und bewaffnet. Er erzählte Balouron noch eine Weile begeistert von dem, was er gesehen, was er erlebt und was er erzielt hatte, dann erreichten sie endlich den Thronsaal, wo Balouron ihn allein zurück ließ. Silön war wieder einmal in dem kleinen Geschäftsraum an der Seite des Saales zu finden, an einem Tisch sitzend und über Karten gebeugt. Raí musste sich laut räuspern, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Silön blickte, wie gewohnt gerne spielend überrascht guckend, auf, um dann warm zu lächeln.

Ah, unser kleiner Raí – schon zurück?“

Silön stand auf, trat von dem Tisch zurück und kam auf ihn zu.

Ja, endlich wieder hier!“

Raí packte Silön und sie umarmten sich freundschaftlich. Dann schlug Silön ihm auf die Schulter.

Also, wie war deine Reise? Was hast du erlebt? Erzähl mir alles, jede noch so kleine Einzelheit!“

Gerne, aber erst möchte ich etwas trinken!“ lachte Raí.

Oh, natürlich, wie unhöflich von mir“, grinste Silön zurück.

Silön reichte ihm einen Becher aus dem Regal und füllte sich und Raí jeweils etwas Wein ein.

Silön“, fing Raí an, „dein Schutzbereich vergrößert sich.“

Dann erzählte er von all seinen Schlachten und Erlebnissen und zeigte dabei Orte und Länder auf der Karte vor Silön. Irgendwann unterbrach Silön seinen begeisterten Redefluss und blickte ihn ernst an.

Du weißt, warum wir dies alles tun, oder?“

Raís Lächeln versiegte schließlich doch noch.

Wegen meinen Eltern.“

Silön nickte und nahm einen Schluck.

Richtig. – Wir müssen deinen Eltern Einhalt gebieten. Ich habe erfahren, dass sie planen, uns anzugreifen.“

Was? Warum tun sie so etwas?“ fragte Raí, traurig blickend.

Weil sie die mächtigsten Wesen dieser Welt werden wollen, weil sie angebetet werden wollen, mächtiger und stärker als es Tamirús und seine Vorgänger je waren.“

Aber das werden sie doch jetzt schon“, entgegnete Raí.

Ja, aber eben nicht von allen.“

Raí schüttelte nur noch traurig den Kopf.

Silön seufzte und schnitt dann das eigentliche Thema des Tages an.

Wir müssen sie aufhalten.“

Raí blickte auf und runzelte nachdenklich die Stirn.

Und wie?“ fragte er schließlich.

Silön deutete auf einen roten Punkt auf der Karte, nordöstlich der Gebiete, von denen Raí zuvor erzählt hatte.

Hier ist ihre wichtigste Grenzstadt, Maggin. Ich habe die Befürchtung, dass sie uns von dort werden angreifen wollen.“

Dann deutete Silön auf einen weiteren Punkt, nah Silour an der Nechdra.

Hier ist Darôn, deine Stadt.“

Schließlich wanderte Silöns Finger zu einem Punkt zwischen Maggin und Darôn, irgendwo an dem großen Fluss Panenfiress zwischen den Flüssen Nechdra und Gamont.

Und hier schließlich liegt Diméo. Diméo ist ein kleiner Ort direkt am Panenfiress, von niemandem beansprucht. Dieser Ort ist für uns bestens geeignet, liegt er doch sehr nahe an Maggin und nicht sehr weit von deinem Darôn entfernt.“

Raí, der in den letzten Jahren ein guter Heeresführer geworden war, nickte ernst und zustimmend.

Ich sehe, was du meinst.“

Silön sah ihn kurz an, um dann fortzufahren.

Zieh deine Truppen dort in Diméo zusammen. Wir müssen deine Eltern angreifen, bevor sie selbiges gegen uns versuchen und Gelegenheit haben, selber zuzuschlagen.“

Raí nickte ernst, um kurz darauf Silön nachdenklich und etwas gequält aussehend anzublicken.

Aber müssen wir sie wirklich bekämpfen? Gibt es keinen anderen Weg?“

Und Silön schüttelte den Kopf.

Nein, gibt es nicht. – Wirst du deine Aufgabe erfüllen?“

Raí blickte traurig, willigte aber ein.

Wenn es sein muss.“

Ja, das muss es.“

In den darauf folgenden Monden sammelte Raí aus den Gebieten Silöns alle Truppen, die zu entbehren waren und ließ sie nach Diméo kommen, wo sie zu einer großen Armee vereinigt wurden. Während die Einwohner Diméos alles ängstlich beobachteten und bald nur noch damit beschäftigt waren, die Armee zu versorgen, war Raí mit der Bildung eben dieser gegen Winter endlich fertig und reiste zurück nach Silour.

Alle Vorbereitungen sind getroffen“, verkündete er, nach dem er von Balouron und Silön im Geschäftszimmer des Thronsaales empfangen worden war.

Sehr gut“, antwortete ihm Silön, „ich bin stolz auf dich.“

Dies freute Raí sichtlich.

Lass sich deine Leute aufeinander abstimmen und reichlich miteinander üben. Im nächsten Jahr, während der ersten Frühjahrstage, greifst du dann endlich an.“

Und Raí nickte ergeben.

Ja, Silön.“

Aber Raí“, ergänzte Silön, „sei vorsichtig! Balouron hat Nachricht bekommen von unseren Spähern aus Maggin.“

Damit überließ Silön nun Balouron das Wort, welcher neben dem Stuhl von Silön stand. Er nahm einen großen Stapel Briefe vom Tisch und schob sie bedächtig Raí zu.

Raí, wir haben Kunde bekommen, dass deine Eltern ihre Armee in Maggin zusammen ziehen. In diesen Unterlagen steht alles, was wir über ihre Pläne und Bewegungen wissen.“

Und Raí nahm die Schriftstücke und blätterte sie flüchtig durch.

Das habe ich bereits erwartet“, antwortete Raí nachdenklich. „Sollten sie uns wirklich angreifen, werden wir sie kampfbereit erwarten, sonst greifen wir sie selber an.“

Silön nickte, stand auf und legte Raí die Hände auf die Schultern.

Aber passe auf dich auf. Du bist wie ein Sohn für mich geworden!“

Dann umarmte Silön Raí kurz, aber heftig. Als er wieder frei war, nickte Raí nur grimmig und düster. Balouron legte ihm nur die Hände auf die Schultern.

Pass auf dich auf, mein Freund.“

Schließlich verließ Raí die Feste wieder und warf einen Blick zurück. Er sollte nicht noch einmal zurückkommen.

In der Zeit, in der Raí in Silour mit seinen Vorbereitungen beschäftigt war, zog Malont Déaron, Nachfolger von Amant Emaior, unterstützt von Gaunus, dem alten Anhänger Tól und Omés, eigene Truppen in Maggin zusammen. Denn auch Tól und Omé hatten erfahren, dass man in Diméo eine Armee sammelte, wussten aber nicht, wer sie anführte. Um ihre Grenze zu schützen, wurde man aber geschwind auch selber tätig. Im Frühjahr des Jahres 2021 war es Raí, im Alter von dreiunddreißig Jahren, der seine Armee als Erster ausrücken ließ. In Maggin handelte Malont Déaron fast sofort und schritt ihm entgegen, man wollte Maggin tunlichst aus jeglichen Kampfeshandlungen heraus halten. Zwischen den Flüssen Panenfiress und Gamont lag eine weite und lediglich stellenweise von Wäldchen durchsetzte Ebene. Ungefähr in der Mitte von dieser Ebene sollten beide Armeen aufeinander treffen. Bühnengerecht drapiert standen sie sich zwischen zwei kleinen Wäldchen gegenüber und versuchten sich gegenseitig einzuschüchtern. Raí stand mit seinen ranghöchsten Offizieren an der Spitze seiner Armee und beriet sich mit diesen.

Herr, ihre Armee scheint ebenso groß zu sein wie unsere“, sprach einer der beiden Offiziere.

Auch sind sie gleich stark und ausgerüstet“, ergänzte der andere.

Raí betrachtete sie wütend.

Ja und? Unsere Leute sind besser ausgebildet und kämpfen für eine gerechte Sache!“ sprach er und verließ sie.

Er stellte sich breitbeinig und das Bild eines Helden abliefernd vor seine die Gegner betrachtende Armee und ließ einen Hornbläser ihre ganze Aufmerksamkeit auf sich lenken.

Soldaten von Silön!“ rief Raí laut. „Wir sind hier, um unser Land vor den Lügen und den Armeen aus dem Norden zu schützen!“

Und man antwortete ihm mit lautem und zustimmendem Gebrüll. Raí deutete auf die Gegner.

Dort stehen unsere Feinde! Wollt ihr sie vernichten?“ rief er fordernd und voller Leidenschaft, die seine Traurigkeit ob dieser Notwendigkeit nur überdecken sollte.

Und wieder antwortete man ihm mit Gebrüll und Kampfesrufen.

Dann lasst uns sie angreifen!“

Raí deutete mit dem Schwert auf die Gegner und ließ es wie ein Fallbeil herabfallen. Seine Leute brüllten und schrien weiter ihre Kampfesrufe, dann stürmten sie alle wild heulend los.

Und was passierte derweil auf der anderen Seite des Schlachtfeldes, bei der Armee aus Maggin? Malont Déaron stand mit Gaunus, seinem Bannerträger und zwei Soldaten ebenso vor seinen Leuten, wie Raí vor seinen.

Was meint ihr, wie viele sind das wohl?“ fragte Gaunus Déaron und kniff die Augen zusammen, um in der Ferne mehr erkennen zu können.

Der Gefragte warf lediglich einen verächtlichen Blick auf die Gegner.

Nicht genug um gegen uns anzukommen“, entgegnete er gelangweilt.

Gaunus wirkte ob der erdrückenden Menge an Kämpfern auf beiden Seiten sichtlich nervöser und verunsicherter.

Wer sie wohl anführt?“ fragte er sich laut genug, dass Déaron es hörte.

Sicher einer dieser Barbaren Silöns“, antwortete Déaron, ohne Gaunus eines Blickes zu würdigen.

Wie lange es wohl noch dauert, eh sie etwas unternehmen?“ fragte sich Gaunus schließlich.

Vermutlich haben sie Angst“, entgegnete Déaron nur.

Dort geht etwas vor…“, murmelte Gaunus plötzlich, als sich vor der feindlichen Armee etwas bewegte.

Auch Déaron konnte es sehen und wusste, was zu tun war.

Lasst die Truppen antreten!“ befahl er Gaunus scharf.

Dieser grüßte, drehte sich zu den wartenden Truppen um und musterte sie nur kurz.

Angetreten!“ rief er lautstark.

Déaron legte ihm kurz eine Hand auf die Schulter, um dann das Wort zu übernehmen und zu seinen Leuten zu sprechen.

Anhänger von Tól und Omé!“

Von der anderen Seite des Schlachtfeldes ertönte lautes Gebrüll, das Déaron allerdings ignorierte.

Ihr wisst, warum wir hier sind!“ fuhr Déaron fort.

Die Soldaten sahen ihn nur still, schweigsam und erwartungsvoll an.

Diese Armee dort drüben bedroht die Sicherheit eurer Familien in Maggin, Lían, Taiban und den restlichen Orten unter dem Schutz von Tól und Omé. Wollt ihr das etwa zulassen?“

Nein!“ entgegnete man ihm schreiend, während die andere Armee ebenso ihre Rufe schrie.

Dann nehmt eure Waffen zur Hand und verteidigt eure Familien und eure Heimat, ehe die dort sie zerstören!“

Déaron hob sein Schwert und deutete gen Himmel und zu den Feinden.

Für Tól und Omé!“ schrie er laut und ließ sein Schwert niedersausen.

Gaunus und die Soldaten antworteten ihm gleichermaßen und stürmten los, auf den Gegner zu. Déaron sah ihnen nach um ihnen dann zu folgen, während der Gegner sich gleichzeitig ebenso in Bewegung setzte. In der Mitte der Ebene trafen die beiden Armeen aufeinander. Es wurde aber kein schneller, tatenfroher Kampf, sondern ein zäher, langsamer, mit zahlreichen einzelnen und verbissenen Zweikämpfen. Stundenlang schien nicht viel zu passieren, dann traf Raí schließlich auf Gaunus. Ihre Blicke begegneten sich und beide waren mehr als überrascht, den jeweils anderen zu sehen.

Raí! Du lebst!“ rief Gaunus zuerst vor Freude, ihn wieder zu sehen.

Er erkannte ihn trotz seiner äußerlichen Veränderungen, der verstrichenen Zeit, doch dann erkannte er ebenso auch die Farben, in denen Raí kämpfte. Sein Gesicht verfinsterte sich.

Du kämpfst für Silön!“

Und du noch immer für meine Eltern“, entgegnete Raí ihm, „schließe dich uns an, Silön wird dich vor meinen Eltern schützen!“

Doch Gaunus war von diesem Vorschlag entsetzt.

Was? Du bist wahnsinnig! Wer hat dich so geblendet?“

Raí schüttelte bedauernd den Kopf.

Nicht ich bin es, der geblendet wurde, sondern du.“

Silön will uns alle ins Unglück stürzen, wie kannst du das bloß unterstützen?“ wollte Gaunus wütend wissen.

Doch Raí antwortete ihm nicht mehr mit Worten. Er wurde wie rasend vor Zorn, hatte das tiefe Bedürfnis, Silön zu schützen und wusste sich nicht anders zu helfen, als sein Schwert zu heben und mit erschreckender Härte auf Gaunus einzudringen. Dieser wehrte sich zwar tapfer, doch merkte er schnell, dass er unterlegen war.

Raí, hör auf!“ rief Gaunus, um sein Leben fürchtend.

Aber es war zu spät. Raí traf Gaunus am Helm, und der Getroffene brach zusammen. Er starrte entsetzt auf den Körper und fragte sich, was er getan hatte. Da wurde er bereits von einem weiteren Kämpfer bedrängt und musste sich nun selber wehren.

Unbemerkt von allen Kämpfenden traf zu diesem Zeitpunkt Lían auf dem Schlachtfeld ein. – Doch, einer bemerkte sie. Es war Malont Déaron, der am Rande des Geschehens seine Kämpfe austrug. Gerade hatte er einen Gegner besiegt und stand da, auf der Suche nach dem nächsten, da bemerkte er sie, wie sie angeritten kam, in sicherer Entfernung zu den Kämpfenden hielt und die Reihen nach bekannten Gesichtern absuchte.

Lían!“ rief Déaron überrascht und hielt auf sie zu.

Lían stieg von ihrem Tier und begrüßte ihn kurz.

Déaron, sagt mir, wie steht es?“

Déaron sah schmutzig und erschöpft aus.

Wir kämpfen nun schon seit Ewigkeiten hier, wie mir scheint, ohne dass jemand auch nur einen kleinen Vorteil erringen konnte.“

Er musterte sie kurz, bevor ihm endlich etwas auffiel.

Aber was habt ihr hier zu suchen? Ihr solltet doch in der Sicherheit von Maggin bleiben! Wenn eure Eltern das erfahren, verbannen sie mich für immer aus ihrem Gebiet!“

Er rollte übertrieben mit den Augen, doch Lían seufzte nur.

Ich hielt es nicht mehr aus“, entgegnete sie forsch und mit einem drängenden Ton in der Stimme.

Hier könnte das Schicksal von uns allen entschieden werden und ich konnte nicht tatenlos zusehen“, sie unterbrach sich kurz, ihre Stimme wurde ruhiger, doch bekam einen düsteren Unterton, „etwas drängte mich, herzukommen. Ich weiß auch nicht, was, aber ich muss hier sein!“

Déaron musterte sie kurz, sie sah fest zurück.

Nun gut, wenn ihr schon mal hier seid, könnt ihr uns auch genauso gut helfen. Wir können jedes weitere Schwert gebrauchen!“

Danke, Malont“, antworte Lían erleichtert.

Ich werde aber auf euch aufpassen!“ erwiderte dieser in festem und bestimmtem Tonfall.

Tut, was ihr nicht lassen könnt“, lächelte Lían.

Dann zückte sie ihr Schwert, als auch schon zwei Gegner auf sie zustürmten. Lían und Malont Déaron kämpften eine Weile Seite an Seite gegen die Feinde und sie bewahrte ihn öfter vor Unheil als er sie. Doch bald schon wurden sie getrennt und beide waren auf sich allein gestellt. Nach einiger Zeit sah Lían plötzlich im Schlachtgetümmel, und unweit ihrer eigenen Stellung, ihren Bruder.

Raí!“ rief sie überrascht.

Auch er selbst sah überrascht aus, doch kämpften sie sich schnell aufeinander zu. Sie entledigten sich ihrer Gegner und standen sich schließlich schweigend und musternd gegenüber, während um sie herum alles kämpfte.

Du bist groß geworden“, brach Lían schließlich das Schweigen.

Und stark. Du siehst gut aus.“

Du aber auch, Schwester“, erwiderte ihr Bruder.

Lían musterte sein Schwert mit offenem Missfallen.

Wie ich sehe, hast du ja nun wohl deinen Willen endlich bekommen und das Kämpfen erlernt. Und gar nicht mal schlecht, muss ich sagen.“

Silön hat mir alles gegeben, was mir unsere Eltern immer verwehrt hatten“, antwortete Raí eisig.

Lían seufzte kurz.

Du weißt, dass das so nicht stimmt. Du warst nur viel zu jung für Waffen und fürs Kämpfen!“

Das ändert nichts an den Tatsachen.“

Lían war kurz sprachlos, dann fiel ihr etwas anderes auf: „Warum nur bist du zu Silön übergelaufen?“

Weil Silön für mich da war, sich für mich interessierte, mich zu etwas wichtigem machte und mir alles Nötige beibrachte!“

Und dafür hast du uns, mich, deine Eltern, deine Familie, deine Freunde, deine Heimat – uns alle verraten?“ fragte Lían traurig.

Nicht ich habe euch verraten, ihr habt mich verlassen!“ schleuderte Raí ihr hitzig und wütend ins Gesicht.

Du bist weggelaufen und hast alles verraten, wofür wir stehen; kämpfst nun, um uns zu vernichten“, erinnerte ihn Lían und Tränen stiegen ihr in die Augen.

Raí schwankte zwischen Wut, Mitleid mit Lían, Liebe zu Silön, Hass auf seine Eltern und verletztem Stolz. Er versuchte sich mit Hohn und Schimpf zu schützen und so seine Gefühle zu verbergen.

Dich haben unsere Eltern immer umhegt und gepflegt, du warst ihr Liebling. Aber haben sie sich je um mich oder um mein Geschick gekümmert? Wo waren sie, nachdem ich fortgelaufen war?“

Wir haben uns alle schreckliche Sorgen um dich gemacht und nach dir gesucht, nachdem du verschwunden warst“, antwortete Lían und Tränen liefen ihr über die Wange.

Davon habe ich nie etwas gehört, nur immer Verbote. Silön aber gab mir alles; alles was ich wollte, alles was ich brauchte.“

Silön benutzt dich nur, um Rache an unseren Eltern zu üben!“

Das ist nicht wahr!“ erwiderte Raí barsch und hitzig und lief vor Wut rot an. Sein Schwertarm zitterte.

Du weißt genauso wie ich, dass es wahr ist!“ schrie sie ihm verzweifelt ins Gesicht.

Nein!“ schrie Raí, dass es jeder hörte.

In diesem Moment brach etwas in ihm; brach seine Selbstbeherrschung zusammen. Wütend und ohne Kontrolle über sich, über seine Handlungen, hob er sein Schwert, rannte auf Lían zu und schlug nach ihr. – Ungeschickt, doch kräftig, und Lían hatte Mühen, ihn abzuwehren. Wie rasend, wie in einem Blutrausch, schlug Raí wieder und wieder auf Lían ein. Diese musste nur ihr Schwert heben um ihn abzuwehren, doch ließen seine harten Schläge ihren Arm schnell taub werden, ihren Körper bis ins Mark erzittern. Raí war zu keinem klaren Gedanken mehr fähig, Lían hatte Angst um sich und ihren geliebten Bruder, um ihr beider Leben.

Raí, so höre doch auf!“ rief sie verzweifelt, doch weder er, noch irgendjemand anders vermochte sie zu hören.

Kurz kam ihr der Gedanke, dass sie sterben würde, erschlagen vom eigenen Bruder, dass er dies nach seiner Raserei bedauern und sich Vorwürfe machen, sich sogar etwas antun würde. Dann dachte sie an ihre Eltern und ihr Volk und sie sagte sich, dass sie jetzt nicht versagen, dass sie diese nicht enttäuschen und allein lassen dürfe. Sie dachte an Silön und die Lügen, die ihren Bruder so geblendet hatten. Darob wurde nun auch sie wütend. Nicht länger erduldete sie nur die Schläge ihres Bruders, sondern schlug auch zurück. Dieser merkte zunächst nichts davon, doch war alsbald erstaunt. Sein Zorn ließ nach, seine Schläge wurden schwächer, seine Kampfkunst ungeschickter. Schließlich schaffte es Lían, ihm das Schwert aus der Hand zu schlagen. Raí sank auf die Knie und erwartete sein Ende. Lían setzte ihr Schwert an das Herz ihres Bruders, doch besaß sie mehr Selbstbeherrschung denn dieser und so zügelte sie ihren Zorn, sah ihn nur an. Tränen stiegen ihr wieder in die Augen und liefen ihr über die Wangen.

Raí, ergib dich“, schluchzte sie verzweifelt.

Du hast große Fortschritte gemacht, liebe Schwester“, stellte dieser lediglich ruhig fest.

Lían brachte ein verzerrtes, verzweifeltes und kurzes Lachen zustande, das kaum fröhlich klang.

Du aber auch“, antwortete sie ihm.

Dann riss sie sich zusammen und blickte ihn ernst an.

Raí, ergib dich und komm mit mir. Unsere Eltern werden dir vergeben. Vergiss Silön!“

Doch Raí musste nicht überlegen.

Nein, niemals!“ rief er.

Raí versuchte schnell nach seinem Schwert zu greifen, doch war er nicht schnell genug; Lían war schneller. Wie von selbst ob der drohenden Gefahr zuckte ihr Schwertarm vor und ihre Waffe drang tief in Raís Körper ein. Erschrocken ließ sie ihr Schwert augenblicklich los und sah ihren Bruder an, der überrascht den Griff des Schwertes umfasste, bevor er stöhnend nach hinten sank und zusammenbrach. Entsetzt starrte Lían ihn an und war zu keinem Gedanken fähig, während er die Waffe in seinem Körper mit beiden Händen umfasste.

Schwester…“, krächzte er.

Dies brach ihren Bann. Sie sank neben ihm auf die Knie. Kurz besah sie die Wunde und wusste, dass es zu spät war.

Raí…“, sagte sie und zog seinen Kopf vorsichtig auf ihren Schoß.
„Es tut mir Leid…“, murmelte sie und strich ihm die Haare aus dem Gesicht.

Nein…“, erwiderte er und hustete mit qualvollem Gesicht.

Es tut mir Leid…“

Diese Worte zerstörten Líans Bann endgültig. Tränen liefen ihr immer schneller über das Gesicht.

Wie ist es nur so weit gekommen?“ fragte sich Raí hustend.

Raí…“, schluchzte seine Schwester.

Dieser sah sie nun an. Mit einer Hand strich er ihr die Tränen von der Wange, dann packte ihn ein neuer Hustenanfall.

Sag unseren Eltern, dass ich sie liebe“, brachte er noch hervor.

Lían konnte nichts mehr antworten, sie weinte nun völlig.

Lían… Schwester… ich liebe dich“, sprach Raí.

Sämtliche Kräfte ihn verlassend erschlaffte sein Körper, die Hand an Líans Wange fiel kraftlos zu Boden. Es dauerte eine geraume Weile, bevor Lían dies gänzlich mitbekam. Entsetzt und ängstlich sah sie ihn an.

Raí…?“ fragte sie, doch niemand antwortete ihr.

Raí…“, stellte sie fest, fast gefühllos und gefasst und strich ihm über das Gesicht, doch er reagierte nicht.

Raí!“ schrie sie und fing wieder heftig an zu weinen.

Sie nahm ihn fester in den Arm und drückte ihn an sich. Unbemerkt von Lían ließen die Kämpfe um sie herum immer weiter ab, nach und nach. Bereits als Raí im Sterben lag, hörten die Kämpfe um sie herum auf und alle beobachteten sie. Nun, ohne ihre Anführer, da auch Raís höchste Offiziere umgekommen waren, verließ seine Truppen jeglicher Kampfeswille. Schnell verließen sie das Schlachtfeld und verstreuten sich überall hin.

Doch Malont Déaron und seine Leute feierten nur verhalten, die meisten suchten die Verwundeten zusammen. Einer dieser Verwundeten war Gaunus, welcher von Raí nur bewusstlos geschlagen worden war. Irgendwann war er von alleine wieder erwacht und kam nun zu Lían. Bedrückt stand er neben Lían, sah kurz auf Raí und legte ihr eine Hand auf die Schulter. Besser vermochte er sie nun nicht zu trösten. Lían sah kurz zu ihm auf, ein von Tränen feuchtes Gesicht ließ auch ihn traurig werden. Dann sah sie wieder zu ihrem Bruder. Sie packte ihr Schwert und zog es ihm mit schmerzverzerrtem Gesicht aus dem Körper, als würde sie es in sich selbst hinein stoßen. Schnell und angewidert ließ sie es fallen und krümmte sich, als wäre ihr schlecht. Dann riss sie sich zusammen, legte die Arme unter Raís Körper und mit überraschender Kraft hob sie ihn hoch. Ihre Tränen bekämpfend verließ sie das Feld, während ihr die Soldaten Platz machten, sie aber bedrückt ansahen. Gaunus hob ihr Schwert auf und folgte ihr langsam, ebenso düster blickend.

Lían brachte ihren Bruder zu einem der Wagen, welche für die Verwundeten bereit standen, und fuhr ihn mit diesem zu ihren Eltern. Gaunus musste zurückbleiben, um sich behandeln zu lassen. Malont Déaron und der Rest folgten ihr erst, nachdem alle versorgt waren. Kaum, dass Lían in der Stadt angekommen war, kamen Tól und Omé aus der Versammlungshalle. Líans Mutter eilte sofort zu ihr und nahm ihre Tochter in die Arme, während Tól wie immer keine Gefühle zeigte, doch düster schaute.

Bringt Raí in die Halle“, sprach er

Einige Männer wollten seiner Anordnung Folge leisten, doch Lían ging dazwischen und brachte ihn selbst in die Halle. Raí wurde in den folgenden Tagen vorbereitet, während Tól und Omé eine vierwöchige Trauerzeit anordneten und Raís Todestag zum Trauertag erklärten. Nach einer Woche wurde Raís Leiche dann in einer Grabkammer in den Bergen hoch über der Stadt Lían beigesetzt. Tól und Omé, Lían, Gaunus und andere, begleiteten seine Träger den Weg hinauf. In der Zeit danach ließ Malont Déaron die Burg Raí räumen und siedelte mit seinen Leuten nach Maggin um. Die Burg Raí sollte für immer verlassen und nie wieder genutzt werden.

Und in Silour betrauerte auch Silön den Verlust von Raí und ordnete ebenso eine lange Trauerzeit an. Sogar bis zu Amant Emaior und Raréon drang die Kunde von Raís Tod vor, welche dasselbe taten wie der Rest. In den folgenden Jahren sollte es ruhiger werden in den Gebieten von Tól und Omé. Es gab gelegentliche Auseinandersetzungen mit Silön und Banditen aus dem Osten, doch nichts Großes sollte vorerst mehr passieren. Dafür aber geschah umso mehr bei Raréon und Mytillin Machey.

IX: Das getrennte Volk

Beteiligte: Mytillin Machey, Enreesa, Varman an’Linroc, Garmyn an’Vorra, Soumyl an’Dunnar, Brannac, Karlon von Morgolt, zwei Wächter, Adlige von TuKarra, TuReesten und Morgolt, Bürger von Karra, ein Diener, die Zofe Enreesas, ein Händler aus Rees

Orte: Linroc, Karra, Rees, Pegrott

Zehn Jahre vergingen zwischen 2023 und 2033, in denen einiges geschah. Raréon festigte seinen Einfluss im Norden und verteidigte sein Gebiet und seine Verbündeten ein ums andere Mal gegen die letzten Reste von Iotor und anderes Räubergesindel. Stets war er bemüht, den Frieden zu halten zwischen Géri Anaruen von Emadé und Dojolas Igíman von Tobjochen, welche sich nicht wirklich vertrugen.

Im südlichen TuKarra dagegen wurde Machey immer umtriebiger. Eines Tages stand er mit Varman zusammen in der Burg Linroc in den südlichen Bergen nahe der Grenze zu TuReesten. Linroc war Varmans Burg und ein Grenzposten gegen TuReesten. Schon immer träumte er davon, mehr Gebiet zu haben, welches aber noch in TuReesten lag. Sie standen auf dem höchsten Turm der Burg und schauten über das weite Land, das unter ihnen lag, sich am Fuß der Berge ausbreitend. Machey deutete auf einen Punkt im Nordosten.

Dort liegt Karra“, murmelte er, und dachte dabei an seine Frau, Enreesa.

Und dort hinten Rees“, meinte Varman und sah nach Nordwesten.

Machey wandte ihm den Blick zu.

Ich finde es seltsam, dass euer Volk immer noch solch einen Hass auf Rees hat. Wie kommt das?“

Doch Varman schüttelte den Kopf.

Ihr als Außenstehender versteht das einfach nicht“, entgegnete er.

Machey runzelte nachdenklich die Stirn.

Was gibt es da nicht zu verstehen? Ihr wart doch immerhin ein Volk.“

Wir waren kein Volk; wir waren ein Reich, das Reich von Tukon“, korrigierte Varman schnell, „doch brachte uns Verrat auseinander und die Tukonmauer wurde errichtet.“

Beide sahen hinüber zu der großen Mauer, welche in der Ferne im Westen an der Burg vorbeiführte. Doch da kam Machey eine Idee.

Was würde passieren, sollte man versuchen, sich mit ihnen versöhnen zu wollen?“

Varman sah ihn an, als sei er verrückt geworden.

Niemand würde da mitmachen, niemand euch unterstützen, niemand würde es jemals.“

Und er schüttelte voller Überzeugung den Kopf. Aber Machey nickte nur, sich im Stillen selber zustimmend und für diesen wunderbaren Einfall beglückwünschend.

Wir werden diese Mauer durchbrechen, so oder so.“

Varman sah ihn nur wieder zweifelnd an, doch hatte er Vertrauen in Machey und hoffte auf große Zeiten für Linroc und TuKarra. Machey verbrachte die nächsten Jahre oft in Burgen und Städten im ganzen Land, unterhielt sich mit deren Herren und gewann auf diese Weise nach und nach immer mehr von ihnen für sich, hatte bald mehr Einfluss im Reich als seine Frau, welche sich immer mehr zurückzog und ihrem Mann ihre Aufgaben ausüben ließ.

Das Volk folgt und vertraut dir“, stellte sie eines Abends fest, als sie sich zusammen in ihren Gemächern im Palast von Karra befanden.

Machey blickte nachdenklich aus einem Fenster der Gemächer auf die von Fackeln erhellte Stadt hinunter.

Das ist sicherlich gut, doch ich brauche vor allem noch die störrischen Adligen auf meiner Seite.“

Enreesa kam langsam und bedächtig auf ihn zu.

Gib ihnen etwas, dass sie persönlich betrifft, dann folgen sie dir auch“, empfahl sie ihm.

Das habe ich vor“, murmelte er, während sie ihn zärtlich umarmte.

Wiederum ein Jahr später war es soweit. Machey hatte eine erneute Versammlung einberufen. Die wichtigsten Adligen des Reiches kamen nach Karra und trafen sich zu einem Fest in der Stadt. Unter ihnen waren Fürsten wie Soumyl an’Dunnar, Garmyn an’Vorra und Varman an’Linroc. Das Fest sollte drei Tage dauern. Am ersten Tag begrüßte man die Ankömmlinge und gab die erste Feier, am zweiten Tag kam es nachmittags zur Versammlung. Sie alle saßen an drei langen Tischen in der Festhalle, die gerade erst von der Feier des Vorabends gesäubert worden war. Viele Anwesende hatten sich von dieser Feier noch nicht erholen können, unter ihnen Soumyl. Er hing halb über dem Tisch an seinem Platz, immer noch unter dem Einfluss des vielen Weines. Doch Garmyn, Varman und Machey selbst waren in gutem Zustand. Machey stand am Kopfende der Tische, fürstlich gekleidet und aufgemacht.

Werte Herren“, sprach er, und sah sich betont in der ehrenwerten Runde um, „liebe Freunde.“

Einige sahen ihn bei diesen Worten giftig an, andere lächelten – doch die meisten blickten völlig ungerührt.

Ich spreche hier im Auftrage Enreesas, eurer Herrscherin“, fuhr er fort.

Und warum spricht sie nicht selber zu uns?“ fiel ihm Garmyn ins Wort.

Doch Machey gönnte ihm keinen bösen Blick, kein genervtes Aufseufzen.

Sie hat mich damit beauftragt“, stellte er knapp fest.

Lasst ihn reden“, unterstützte ihn Varman und blickte den Rest der Versammlung ernst an.

Diese schwiegen endlich und sahen abwechselnd ihn und Machey an, bis dieser Varman dankend zunickte und endlich mit seinem Anliegen fortfuhr.

TuKarra befindet sich seit langem im Stillstand. Es ist träge geworden und ein leichtes Ziel für seine alten Feinde aus dem Westen.“

TuReesten!“ entfuhr es Garmyn. „Worauf wollt ihr hinaus?“

Ungerührt von Garmyns Ausbruch fuhrt Machey selbstsicher fort.

TuKarra sollte sich wieder im Kampf üben. Auch braucht es neue Ländereien und Rohstoffe. TuReesten ist schwach geworden.“

In der Versammlung entstand Gemurmel, während Machey einen Diener anwies, den Ständer neben Machey zu enthüllen, dessen viereckige Last bisher noch mit einem schwarzen Tuch verdeckt gewesen war. Eine Karte wurde offenbar, welche TuKarra und TuReesten zeigte. Im Norden und Süden grenzten Gebirge das große Tal ein, in dem die beiden Reiche lagen. Der gewaltige Strom Haregez durchfloss das Tal von West nach Ost. Karra lag am Ostrand von TuKarra, am Fluss. Rees lag nördlich des Flusses, nah der Berge. Die Tukonmauer trennte beide Reiche genau in der Mitte ihres gemeinsamen Gebietes. Sonst zeigte die Karte nur wenige weitere Orte und Örtlichkeiten.

TuKarra und TuReesten waren einst ein Reich. – Tukon!“ erklärte Machey den Anwesenden, was diese schon längst wussten.

Durch Verrat und Misstrauen wurde dieses Reich einst zerstört. Wir aber werden die Tukonmauer niederreißen und die Reiche unter der Führung von Karra wieder vereinen!“

Nahezu ausnahmslos sah man ihn überrascht, über besorgt bis sogar entsetzt an. Niemand tuschelte mehr.

Ihr seid verrückt!“ stellte schließlich Garmyn fest.

Und selbst Varman hatte einen Einwand vorzutragen und erhob sich kurz.

Wie wollt ihr das schaffen?“

Machey blickte, als sei ihm der Sieg bereits sicher.

TuReesten wurde in den letzten Jahren von Räubern und anderen Völkern aus Nord und Süd bedeckt und hat seit eh und je Probleme mit den Wesen aus dem dort gelegenen Randetal. Es ist geschwächt und für uns nun eine leichte Beute.“

Aber wenn wir angreifen, sind wir Raréon schutzlos ausgeliefert“, warf nun Soumyl sich ängstlich in den Stuhl drückend ein, der um seine Burg und sein eigenes Wohl fürchtete.

Machey lächelte, sich seiner immer sicherer werdend.

Raréon wird in den nächsten Jahren noch nicht angreifen, seid euch dessen sicher. Und mit mehr Land und Gefolgsleuten im Rücken, werden wir uns seiner besser erwehren können, sobald es denn so weit ist. Davon abgesehen haben wir doch vor allem noch euch und Pegrott, die uns sicher gut verteidigen werden“, ergänzte er spöttisch.

Varman grinste Soumyl gehässig an, während dieser sich nervös in der Gesellschaft umsah, doch keine Unterstützung fand.

Aber wir haben gar nicht genug Soldaten, um TuReesten anzugreifen“, stellte Garmyn fest.

Doch, die haben wir“, begegnete ihm Machey und stützte sich übertrieben betont mit den Armen auf dem Tisch vor sich ab.

Karlon von Morgolt wird an unserer Seite kämpfen.“

Nun wurde das Gemurmel im Raum nahezu ohrenbetäubend, Rufe wurden Laut und viele fragten sich, wie das möglich sei. Morgolt war das Reich, welches im Osten von TuKarra an dieses angrenzte. Die Beziehungen waren schon lange gut, doch ansonsten eigentlich eher ungebunden.

Was verlangt er für seine Hilfe?“ fragte Garmyn, dessen Gebiet direkt an Morgolt grenzte und der nun Bosheiten von Machey erwartete.

Keine Angst“, beruhigte ihn dieser aber, „er hat kein Interesse an euch. Nur an freien Handelsstraßen gen West und Anteilen an unserer Beute – Und an Unterstützung, wenn er selber mal in Not ist.“

Ihr seid nicht Enreesa, nur ihr Mann“, wagte Garmyn zu sagen. „warum sollten wir euch folgen?“

Tut es für euer Reich und eure Herrscherin“, antwortete ihm Machey.

Garmyn blickte zweifelnd und setzte zu einer Entgegnung an, da mischte sich jemand anders ein.

Er handelt auf mein Geheiß, Garmyn“, sprach Enreesa und ging auf ihren Mann zu, um ihm den Arm um die Hüfte zu legen.

Tut, wie er euch befiehlt.“

Nun schwieg Garmyn und wartete auf die nächsten Worte.

Jeder, der mit mir zieht, bekommt Gebiete und Eroberungen zugesprochen“, kam Machey endlich zur Sache.

Ich folge euch“, sprach da Varman, der auf eine Vergrößerung von Linroc hoffte, erhob sich von seinem Stuhl und grüßte Machey.

Nach und nach meldeten sich auch andere Adlige, standen auf und grüßten ihn. Fast alle von denen, deren Lehen an die Mauer grenzten und viele aus dem Herzen und sogar einige aus dem Osten des Reiches. Doch eine Gruppe um Garmyn an’Vorra schwieg und verschwörte sich heimlich gegen Machey. Enreesa musste ihre Macht anwenden, um sie später zur Gefolgschaft zwingen zu können.

Im selben Jahr noch, 2031 also, zog man gegen die erste Burg von TuReesten. Trotz seiner Schwächung und Probleme wehrte sich das Reich von TuReesten lange und hartnäckig, doch viele seiner Adligen waren untereinander zerstritten. Ebenso auch die von TuKarra, doch hielt diese Enreesa zusammen. Manurc von Rees gelang dies nicht, und so ergaben sich viele der Lehnsherren von TuReesten schnell den Eindringlingen oder liefen bereits über, bevor der Gegner überhaupt an ihrer Haustür zu klopfen vermochte. Trotzdem eroberte Machey erst 2033 die Hauptstadt Rees. Manurc floh bereits zuvor nach Caertal, einer kleinen und ehemals haretischen Stadt weit im Westen des Reiches. Die nächsten drei Jahre über war Machey damit beschäftigt, das Land zu befrieden und die Gebiete unter den ihm Getreuen zu verteilen, bevor er sich 2036 daran machte, endlich Caertal anzugreifen. Manurc hatte in all den Jahren keine weiteren Verbündeten finden können, und so setzte die Stadt nach Eintreffen der Nachricht, dass Machey auf sie zu kam, Manurc an’Rees einfach vor die Tür und lieferte ihn den Angreifern aus. Während diese ohne auch nur einen Blutstropfen vergießen zu müssen in die Stadt einzogen, verbannte man Manurc ins Ausland. Dieser floh, so schnell er nur vermochte, nach Fasia, einem Reich im Norden von TuReesten.

Enreesa und Machey ordneten an, die Tukonmauer weitflächig abzutragen, um wieder Verkehr zwischen Ost und West zu erlauben, ohne dafür ein Tor nutzen zu müssen.

TuKarra und TuReesten sind nun wieder vereint als das Reich von Tukon!“ rief Machey siegreich strahlend vor den Bürgern der Stadt Karra, welche ihm zujubelten und Beifall klatschten.

Karra wurde Hauptstadt von Tukon, doch waren noch lange nicht alle Schwierigkeiten beseitigt. Misstrauen und Hass schwelten unter den Einwohnern von Ost- und Westtukon.

Ob sie sich je wieder vertragen werden?“ fragte Enreesa eines Tages ihren Mann, während sie im Palast von Rees weilten, auf einem Balkon standen und die Stadt beobachteten.

Sie werden es müssen, ob sie nun wollen oder nicht, oder sie werden untergehen“, stellte Machey finster fest.

Sie werden das aber nicht verstehen“, entgegnete ihm seine Frau, „der Hass ist uralt und sitzt tief.“

Es ist sonderbar, dass sich die, welche doch ein Volk sind, so hassen können“, sinnierte Machey nachdenklich.

Das ist wohl unsere Natur“, sprach Enreesa.

Dann ist es die Natur, die sonderbar ist“, ergänzte Machey.

Sie sah ihn sanft an und legte einen Arm um ihn. Die Steine, welche man von der Tukonmauer abtrug, sollten nicht verschwendet werden. Machey wusste, dass es nie zu Frieden in Tukon kommen würde, wenn man versuchte, von Karra aus über den Westen zu herrschen wie über das, was es doch war: ein erobertes Gebiet mit einem fremden Volk. Nein, man musste sich unter sie mischen, und so ließen Enreesa und Machey eine neue Hauptstadt errichten. Genau im Herzen von Tukon sollte sie liegen. Die Mauer stand dort noch, als man mit dem Bau begann, und so baute man um sie herum, nahm sie als Zeichen in das Stadtbild auf.

Im nächsten Jahr weilten Machey und seine Frau wieder in Rees. Machey war der Meinung, dass sie im Westen so oft wie möglich anwesend sein sollten, um das Volk an sie zu gewöhnen und ihnen vor allem nicht das Gefühl zu geben, bloße Eroberer zu sein. Und es klappte: Das Volk lebte sich langsam in die neuen Umstände ein und viele erkannten Enreesa als ihre Herrscherin an, doch unter den Völkern schwelte es noch. Machey nahm an einer Besprechung mit den Adligen TuReestens und TuKarras teil, welche er nach Rees geladen hatte. Auch Karlon von Morgolt war samt seinem Gefolge von Adligen anwesend. Sie besprachen immer noch einige Einzelheiten der Handelsfreigaben und saßen alle in einem Saal unten im Palast der Stadt. Enreesa befand sich dagegen gerade in den für sie und ihren Mann hergerichteten Gemächern oben im Palast. Sie war müde und wollte zu Bett gehen, daher rief sie nach einer Dienerin, die ihr bei der Umkleide helfen sollte. Sie schickte einen der Wächter, die vor ihrer Tür postiert waren, los, ihre Zofe zu holen.

Herrin, wir dürfen euch nicht allein lassen“, sprach der Wächter.

Es wird schon nichts passieren“, beruhigte sie ihn.

Dem anderen Wächter einen Blick zuwerfend, eilte er los. Doch als die Dienerin endlich eintraf, fand sie Enreesa bereits im Bett liegend vor. Dessen war die Zofe sehr verwundert und wandte sich gerade zum Gehen, da fiel ihr auf, dass Enreesa vollständig bekleidet da lag. Als sie sich ihre Herrin neugierig näher ansehen wollte, bemerkte sie das Blut an ihr und auf den weißen Laken.

Nein!“ entfuhr es der Zofe entsetzt schreiend.

Die beiden Wächter draußen im Gang sahen sich gewarnt und aufgescheucht. Sofort stürmten sie in das Zimmer, doch kamen sie zu spät, um noch jemanden zu retten. Der Attentäter, welcher auch Enreesa angegriffen hatte, sprang aus seinem Versteck und brachte die Zofe schnell und plötzlich zum Schweigen. Die Wächter konnten nur noch mit ansehen, was da geschah, und bedrohten den Attentäter mit ihren Waffen. Dieser sah sie nur finster an.

Ihr bekommt mich nicht!“ schrie er.

Der Attentäter nahm kurz Anlauf und sprang durch das Fenster des Zimmers hinab in den Garten. Er sollte es nicht überleben. Die Wächter stürmten sofort hinab und unterbrachen Macheys Versammlung, um ihm die Neuigkeiten mitzuteilen.

Die Herrscherin ist tot!“ verkündete einer von ihnen so wenig gefühlvoll, wie nur möglich.

Was?“ war alles, was Machey in dem Moment von sich brachte.

Er wurde kreidebleich und sank in seinem Stuhl zusammen.

Was ist geschehen?“ verlangte Garmyn zu wissen und blickte ebenso entsetzt wie alle anderen in der Runde.

Ein Attentäter!“ erklärte der Wächter.

Er ist tot!“ ergänzte der andere.

Bringt uns zu ihr!“ verlangte Varman von ihnen.

Er stand auf, ging zu Machey und legte ihm eine Hand auf die Schulter, da dieser stark zitterte. Wenig später standen sie zu fünft in den Gemächern im oberen Stockwerk. Garmyn untersuchte Enreesa kurz, doch tatsächlich kam jegliche Hilfe viel zu spät für sie.

Lasst mich mit ihr allein!“ verlangte da Machey plötzlich.

Garmyn funkelte ihn böse an, hatte doch auch er Enreesa geliebt, wie jeder Bürger des Reiches, doch Varman legte diesem beruhigend eine Hand auf den Arm und führte ihn zusammen mit den beiden Wächtern aus dem Raum. Draußen warteten Karlon und drei weitere hohe Adlige. Der Rest tuschelte gerade noch in der Versammlungshalle. Machey blieb die gesamte Nacht über bei seiner Frau. Als es dunkler wurde, schaffte man die Leiche des Attentäters in die Versammlungshalle, wo sich wieder alle außer Machey versammelt hatten und nun über den Vorfall sprachen.

Ich kenne ihn!“ stellte Varman überrascht fest, als man dem schwarz gekleideten Toten die Maske vom Gesicht riss.

Wer ist es?“ fragte ihn Garmyn und nahm sich eine weitere berauschende Pflanze zur Hand, um darauf zu kauen.

Er ist ein Händler hier aus Rees!“

Und alles raunte, doch einige stimmten ihm zu.

Er war wohl noch mehr, als bloß ein Händler“, stellte Garmyn fest, konnte ein leichtes Kichern nicht verkneifen und kaute weiter.

Garmyn, ihr seid nicht mehr nüchtern“, erkannte Karlon.

Doch brachte er lieber schnell den Gegenstand des Gespräches zurück auf den Toten, der da auf dem großen Tisch zwischen ihnen lag.

Wann habt ihr ihn das letzte Mal gesehen, Varman?“ fragte Karlon.

Vor wenigen Wochen erst!“ antwortete der Gefragte.

Vielleicht haben ihn die Reestener angeheuert?“ fragte sich Karlon ruhig und warf den Anwesenden finstere Blicke zu.

Niemals!“ entfuhr es einem Reestener namens Brannac.

Wir sind nicht so unehrenhaft wie die Karraner!“ ergänzte ein anderer.

Das sagen gerade die, welche ihren eigenen Lehnsherrn Manurc verrieten und zum Feind überliefen!“ spie Karlon förmlich aus.

Brannac stand ruckartig auf, dass sein Stuhl nach hinten über fiel, und zog seine Waffe blank.

Wagt es ja nicht, uns zu beleidigen!“ zischte er.

Meine Herren, kein weiteres Blutvergießen hier!“ rief da Varman und stellte sich zwischen die beiden Gegner, sie mit den Händen von einander abblockend.

Wir verlassen die Stadt!“ verkündete Brannac und steckte seine Waffe ein, „Das müssen wir uns nicht gefallen lassen!“

Und so taten sie dann auch. Auch Karlon kehrte heim. Später suchte Varman Machey auf, welcher sich in andere Gemächer zurückgezogen hatte und starr in einem Sessel saß.

Herr, die von TuReesten und von Morgolt wollen abreisen, sie drohen sich mit Mord und Krieg!“ versuchte Varman Machey zu benachrichtigen, doch dieser starrte nur weiter vor sich hin.

Machey war zu keiner Handlung mehr fähig. Varman musste die nächsten Tage dafür sorgen, dass Enreesa samt Trauergefolge nach Karra gebracht wurde, während er selbst in Rees blieb und für Ruhe in Volk und Adel zu sorgen versuchte. Enreesas Leiche wurde in Karra verbrannt und nach einer fünftägigen Trauerzeit hatte sich auch Machey endlich wieder einigermaßen gefasst. Während überall in Tukon, besonders aber im Westen, die Stimmung immer angespannter wurde und ein Bürgerkrieg drohte, rief er wieder alle Adligen zusammen, diesmal in Varmans Burg Linroc in den Bergen. Es kamen jedoch nicht alle. Sie saßen wie immer gemeinsam um einen Tisch, Machey vor ihnen, mit dem düstersten Ausdruck im Gesicht, den die Versammelten je gesehen hatten.

Der Attentäter kam nicht aus Rees, wurde nicht von ihnen geschickt“, kam Machey sofort zum Punkt.

Wer hat ihn dann geschickt?“ erkundigte sich Garmyn.

Er wurde von Raréon entsandt, um uns zu entzweien, um West und Ost gegeneinander zu hetzen – was auch geklappt hat.“

Lautes Raunen ging durch den Raum, überall überraschte Gesichter.

Was macht euch dessen so sicher?“ wollte Brannac wissen.

Machey nahm ein Papier vom Tisch und hob es kurz hoch, um es allen zu zeigen.

Es wurde dieser Brief in den Habseligkeiten des Mörders in Rees gefunden, der von Raréon stammte.“

Wieder entstand Gemurmel und viele Gesichter sahen ihn verwirrt bis ungläubig an.

Was habt ihr nun vor?“ fragte Varman.

Machey sah sie alle ernst an.

Zeigen wir ihm, dass Tukon sich nicht so leicht wieder auseinander trennen, nicht so leicht gegeneinander aufhetzen lässt, und erteilen ihm eine Lehre – eine, die er nicht vergessen wird!“

Brannac nickte ihm zu.

Wir stehen hinter euch“, sprach er für alle.

Auch andere Adlige aus dem Westen schlossen sich ihm an, Kriegsrufe ertönten lautstark über Linroc. Nachdem die Versammlung aufgelöst worden war und alles sich zerstreute, trat Varman an Machey heran, der sich nachdenklich an den Tisch gesetzt hatte, und beugte sich zu ihm herunter.

Das war ein kluger Zug.“

Natürlich wusste Varman, dass ein solcher Brief nie gefunden worden war. Machey nickt nur und sah ihn ernst an.

Sonst wäre es zum Bürgerkrieg gekommen.“

Monde später hatte sich eine Armee vor den Toren Pegrotts versammelt. Die Kämpfer lagerten außerhalb der Feste, am Fuße der Klippe, auf welcher sie sich befand, derweil Machey im Inneren erneut die Adligen aus allen Teilen des Reiches traf. Im Innenhof hatte man kleine Tische aufgestellt, auf denen Karten ausgebreitet worden waren. Nun standen alle darum herum und sahen Machey angespannt an.

Wir greifen morgen früh an“, erklärte dieser.

Dann wandte er sich an Varman, welchen er zu seinem General über all seine Truppen ernannt hatte.

Varman, wie lautet euer Plan?“

Dieser trat vor und zeigte sich den anderen.

Der Pass lässt uns kaum Spielraum“, erklärte er, „also gehen wir einfach drauf los und greifen von vorne an.“

Machey nickte nachdenklich und besah sich die anderen Adligen, die zur Versammlung eingetroffen waren. Einige hatten die Gefolgschaft verweigert und waren von Machey zur Verteidigung der restlichen Grenzen eingeteilt wurden. Dazu gehörte vor allem eine Gruppe um Garmyn an’Vorra. Dafür aber waren Brannac und viele andere aus Reesten da, welche ihre Ehre verteidigen wollten und nun zu Macheys wichtigsten Anhängern gehörten. Soumyl wiederum würde zur Verteidigung der Feste in dieser zurückbleiben, sobald die anderen aufgebrochen wären.

Macht euch bereit“, befahl Machey ihnen.

Tags darauf standen Machey und Varman auf der Außenmauer der Feste und blickten auf ihre Gefolgschaft hinab.

Krieger von Tukon!“ rief Varman hinab und breitete die gepanzerten Arme aus, um die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und auf Machey zu deuten.

Hört euren Herren!“ rief er und trat beiseite, um diesem genug Platz zum Sprechen zu machen.

Die Krieger grüßten Machey lautstark. Er deutete ihnen, ruhig zu sein.

Krieger von Tukon!“ grüßte auch er sie und alle sahen ihn gespannt an.

Ihr seid hier, euer Reich zu verteidigen, euer Land, eure Heimat. – Und um eure geliebte Herrscherin, meine geliebte Frau, zu rächen!“

Von unten brüllten hunderte Kehlen Zustimmung.

Reestener und Karraner! Ihr seid wieder ein Volk, dass seinen Feinden zeigen kann, wie es stets vereint zusammen steht!“

Wieder schrie man, dann erhob Varman das Wort.

Ihr kämpft hier nicht nur für eure Heimat, sondern auch für das wiedervereinte Tukon, merkt euch das! Die neue Hauptstadt eures Reiches liegt auf dem Gebiet beider Teile, es gibt keine Grenzen mehr zwischen West und Ost! Grüßt euren Herrscher, den Lort Machey, und eure neue Hauptstadt, die Stadt des Lorts: Illort!“

Und man schrie Kampfesrufe.

Für Illort!“ brüllte Varman.

Für Illort!“ kam es aus hunderten Kehlen.

Für den Lort!“ rief Varman.

Für den Lort!“ antwortete man ihm.

Für Enreesa!“ verlangte Varman.

Für Enreesa!“ erwiderten selbst die Reestener.

Für Tukon!“ schrien Varman und Machey schließlich zusammen, so laut sie nur konnten, und reckten ihre Waffen gen Himmel.

Für Tukon!“ ertönte es überall im Tal.

Banner wurden erhoben, Fahnen geschwenkt, Schwerter auf Schilde geschlagen und alles brüllte vor Kampfeslust. Varman gab Zeichen und die ihm unterstellten Adligen führten ihre Leute das Tal entlang und den Pass hinauf. Machey und Varman begaben sich hinab zu ihren Reittieren und folgten ihnen alsbald, derweil Soumyl ihnen Abschiedsgeleit gab. Es war ein heller Sommertag und Raréon erwartete sie bereits.

X: Raréon und Sedíra

Beteiligte: Raréon, Sedíra, Géri Anaruen, Camón Anaruen, Dojolas Igíman, Amant Emaior, Géris Frau und Tochter, ein Diener, General von Emadé, Kämpfer von Raréon, Krieger von Tobjochen, Leute von Emadé

Orte: Emadé, Rardisonan, Omérian, Raréons Festung

Einen Sommer zuvor war es in den Landen Raréons noch friedlich und ruhig. Sein kleines Reich bestand aus Rardisonan, Aurost und den verbündeten Königreichen von Tobjochen im Süden, Emadé und Huálor im Westen. Raréon durchreiste diese vier sowie weitere, angrenzende Reiche, lernte viel Neues und auch viele Personen kennen und brachte den Bewohnern die Worte von Tól und Omé näher. Eines hellen Sommertages weilte er in der Burg Emadé, zu Gast bei Géri Anaruen und dessen Familie.

Euer Land ist wahrlich schön“, meinte Raréon, als sie zusammen von einer Mauer aus das weite Sumpfland nördlich der Burg überblickten und das Land beobachteten, wie es lebte.

Ja, das ist es“, erwiderte Anaruen, „und endlich frei von Iotor.“

Raréon stützte sich auf die Mauer und blickte nachdenklich drein.

Aber ich habe gehört, dass Mharef sich hier irgendwohin in die Nähe geflüchtet hat.“

Anaruen nickte und deutete gen Süden.

Das stimmt, er soll sich in Chobogi aufhalten. – Doch lasst uns von anderem sprechen. – Hattet ihr schon das Vergnügen, euch unser Land etwas genauer anzusehen, als nur von hier oben?“

Raréon musste verneinend den Kopf schütteln.

Nein, tut mir Leid, ich bin direkt nach Emadé gekommen.“

Anaruen legte ihm die Hand auf die Schulter.

Dann müsst ihr das noch unbedingt nachholen.“

In dem Moment kam ein Diener durch die Tür aus der Burg auf die Mauer.

Das Abendmahl ist angerichtet“, sprach er, ohne den beiden Anwesenden einen Blick zuzuwerfen.

Anaruen nickte ihm zu und wandte sich dann an Raréon.

Lasst uns nun essen.“

Gemeinsam betraten sie die Burg, gingen zum Speisesaal und setzten sie sich an die Tafel, jeder an ein Ende. Bereits zu Tisch und ihnen zur Seite saßen Anaruens Frau, sein junger Sohn Camón und seine noch jüngere Tochter. Sie erwarteten sie.

Wir haben noch einen Gast“, erklärte Anaruen, „eine entfernte Verwandte von mir aus dem schönen Fasia.“

Sie ist wirklich reizend“, ergänzte seine Frau und sah Raréon mit leuchtenden Augen an, „sie wird euch sicherlich gefallen.“

Ihr verschwörerisches Lächeln tat das seine, um Raréon neugierig, aber auch nervös zu machen.

Ah, da kommt sie ja“, sprach Anaruen und stand auf, um den Neuankömmling im Saal zu begrüßen.

Auch Raréon stand auf, doch vor allem, da er tief beeindruckt von ihr war. Selten hatte er eine schönere Frau gesehen.

Raréon, dies ist Sedíra“, stellte Anaruen sie vor.

Raréon brachte kein Wort hervor, doch verbeugte er sich nach einigen Momenten vor ihr und sah ihr tief in die Augen. Sie erwiderte es mit einem warmen Lächeln. Das Essen ging ruhig von statten. Anaruen versuchte eine Unterhaltung mit Raréon, doch besprachen sie nur völlig belanglose Dinge, wie Raréon schnell fand, während er größtenteils Sedíra beobachtete und sich schnell in ihrem Anblick verlor. Sie lächelte ihm hin und wieder scheu zu, derweil sie mit Anaruens Frau plauderte und ihr Mann Raréon von den Problemen und der Geschichte seines Reiches zu erzählen versuchte. Nach dem Mahl begab es sich, dass Sedíra zur Mauer hinaus ging um das Land zu betrachten, wie Raréon und Anaruen zuvor. Raréon schlug denselben Weg ein, wie zufällig, und schlenderte zur Brüstung.

Dies Land ist schön, findet ihr nicht?“ sprach er, während er sich zu ihr gesellte, den Blick dem offenen Land zugewandt.

Sie sah ihn mit weiten, schwarzen Augen an, überrascht von seinem Auftauchen, doch lächelte alsbald.

Es ist mir irgendwie zu wild, zu wüst und zu gefährlich“, stellte sie fest.

Frech lächelnd lehnte er sich neben sie, an die Zinnen.

Das ist doch das schöne daran“, sprach er und musterte sie.

Scheu strich sie sich die schwarzen Haare aus dem Gesicht.

Ich vermisse die ruhigen Wälder und schönen Auen von Fasia“, sagte sie dann plötzlich, voller Sehnsucht in der Stimme.

Jedes Land hat seine eigene Schönheit“, lächelte er ihr zu. „Und auch jede Frau, doch aus Fasia scheinen die schönsten zu kommen.“

Sie blickte verlegen wieder zum Land heraus und schwieg.

Wie kommt es eigentlich, dass ihr eure Wälder und Auen verlassen habt?“ erkundigte Raréon sich bei ihr.

Nun beschlich der Schatten der Traurigkeit ihr Gesicht.

Manurc von Rees ist nach Fasia geflohen und wird immer noch geduldet. Mir hat seine Anwesenheit aber nichts Gutes gebracht.“

Raréon suchte nach einer Möglichkeit, sie aufzuheitern. Dann befiel ihn eine Idee, die er für fantastisch hielt.

Kommt morgen früh mit mir, ich würde gern mit euch dieses Land genauer erkunden und genießen.“

Sedíra schien zu überlegen, doch lächelte sie wieder.

Gerne doch“, sprach sie schließlich.

Da Raréon sich aber selber nicht in den Gebieten von Emadé auskannte, ließen sie sich Tags darauf von einem Diener Anaruens in die Sümpfe führen, zu den schönsten, geheimnisvollsten und ruhigsten Flecken der Sümpfe, Seen und Wäldchen.

Dort vorne liegt einer der schönsten Plätze von ganz Emadé“, sprach der Diener und deutete voraus.

Sehr gut“, erwiderte Raréon, „dann kannst du uns hier allein lassen, wir werden schon zurückfinden.“

Herr?“ sprach der Diener überrascht.

Er blickte verständnislos, entsetzt und ängstlich. Sollte ihnen etwas zustoßen…

Du hast mich schon richtig verstanden.“

Aber Herr, der Herr Anaruen trug mir auf, bei euch zu bleiben. Es gibt überall versteckte Sumpflöcher und wilde Tiere und andere Gefahren…“, hilflos wedelte er mit den Armen.

Keine Angst, wir werden schon auf uns aufpassen, uns wird nichts passieren“, beruhigte ihn Raréon.

Der Diener blickte besorgt zwischen Sedíra und Raréon hin und her. Schließlich erbarmte Sedíra sich seiner.

Raréon, vielleicht ist es besser, wenn wir uns seiner Hilfe bedienen.“

Raréon seufzte, konnte er ihr doch nichts abschlagen. Er wandte sich an den nervösen Diener.

Nun gut, dann komm heute Abend wieder und hol uns hier ab.“

Der Diener sah sich immer noch unsicher um.

Herr, bleibt nur dort, wo ich es euch gezeigt habe. Rechts und links findet ihr nur Sumpflöcher. Solltet ihr in eines geraten, nutzt die Bäume und ihre Wurzeln. Und bleibt dabei ruhig!“

Und Raréon nickte nur: „Wir wissen das.“

Der Diener biss sich auf die Lippe und ergänzte noch: „Herr und Herrin, passt gut auf euch auf!“

Dann verabschiedete er sich und verschwand wieder im Sumpf.

Sobald sie alleine waren, fragte Sedíra: „Ob es eine gute Idee ist, hier ganz alleine zu sein?“

Ich möchte diese Orte selbst erkunden, ohne dabei von jemanden geführt werden zu müssen“, erwiderte Raréon, und blickte zu der Stelle im Sumpf.

Kommt ihr mit mir?“ sprach er, lächelte, und bot Sedíra seine Hand.

Seine Zuversicht und Begeisterung für das Abenteuer steckte an. Sie ergriff seine Hand, er führte sie voran. Er nahm einen Stock, um den Boden ihr zuliebe bei jedem Schritt auf seine Festigkeit zu überprüfen, wähnte sie sich doch in Gefahr, aber es sah alles normal und völlig unbedenklich aus. Raréon führte sie vorsichtig durch Büsche, dann erreichten sie den Platz: eine kleine Bucht an einem sonderbar klaren See, bevölkert von Vögeln und Schildkröten, umsäumt von bunten Blumen und Bäumen.

Ihr hattet Recht, es ist wunderschön hier“, staunte Sedíra.

Sie verbrachten den gesamten Tag an dieser einen Stelle im Sumpf, wanderten die Bucht entlang, alles erkundend, und vor allem über alles redend: Über das Land, Fasia, Tól und Omé, Emadé, ihre bisherigen Leben und Erlebnisse und vieles mehr. Abends wurden sie abgeholt, der Diener war sichtlich erleichtert. Die nächsten Tage wanderten sie noch oft durch das Land und die Gärten Emadés, immer vertrauter mit Land aber auch den Gefahren werdend. Irgendwann kehrten sie zurück zu der Bucht im Sumpf. Sie saßen zusammen an den Ufern des Sees und beobachteten die Tiere.

Wie einfach die Tiere es doch haben“, dachte Raréon laut.

Sedíra sah ihn an, an einem Grashalm spielend.

Warum? Sie leben doch auch nur vor sich hin.“

Raréon blickte nachdenklich auf den See hinaus.

Sie kennen keinen Krieg, kein Leid, verfehden sich nicht, verraten sich nicht und ahnen nichts von ihrem drohenden Ende.“

Seit ihr euch da sicher? Dort hinten fängt ein Vogel gerade einen Fisch. Er zappelt und hat Angst vor seinem Tod“, sprach sie und deutete auf besagte Stelle im See.

Doch Raréon schüttelte den Kopf, ihrem Blick folgend.

Er hat keine Angst; es liegt in seiner Natur, sich seines Lebens zu erwehren, die Natur war es, die ihm dies sagte.“

Sedíra sah Raréon musternd an.

Sie kennen aber auch keine Liebe, keine Leidenschaft, keine Freude – meint ihr, dass das stimmt, meint ihr, das ist beneidenswert?“

Nun sah auch Raréon sie an.

Glaubt ihr etwa, dass sie so lieben können wie wir?“

Es gibt Tiere, die ihr Leben lang zusammen bleiben, sich umeinander kümmern und trauern, wenn der Partner gestorben ist.“

Raréon sah hinab zum See, wo eine Schildkröte grad an Land kroch.

Dann sind dies vielleicht weiter entwickelte Tiere. Doch lieben sie sicher nicht so oder so stark wie wir – wie ich euch.“

Sedíra sah ihn erst überrascht an, blickte dann verlegen zu Boden.

Oder ich euch“, antwortete sie ihm.

Raréon streckte die Hand zu ihr aus.

Kommt mit mir“, forderte er, und sie willigte ein.

Wenige Tage noch blieben sie in Emadé, dann verabschiedeten sie sich gemeinsam von Géri Anaruen und seine Familie. Sie reisten zunächst zusammen nach Zínan, der Hauptstadt von Tobjochen, wo Dojolas Igíman sie bereits vor der dräuenden Gefahr aus dem Süden warnte. Raréon beriet sich mit ihm und sie kamen darin überein, eine eigene Feste am Nordende des Passes zu errichten. Über Aurost kamen Raréon und Sedíra nach Rardisonan, wo sie schließlich überwinterten und Raréon Pläne schmiedeten. Eines Abends fragte er sie.

Sedíra, verwalte dieses Reich mit mir. Ich gebe dir Aurost.“

Sie befanden sich gerade alleine in einem gemütlich eingerichteten Arbeitszimmer des Hauptlagers, welches langsam zur Burg einer Siedlung werden sollte. Sedíra stand, ein Glas Wein in der Hand, am Kamin, wandte ihren Blick vom Fenster ihm zu und lächelte ihn an.

Nein, aber ich danke dir.“

Als ein trauriger Schatten in Raréons Gesicht schlich, lächelte sie ihm verschwörerisch zu.

Gib mir Chobogi, wohin sich Mharef geflüchtet hat. Vertreibe ihn aus dieser uralten Stadt der Juepen!“

Doch Raréon musste leider ablehnen: „Es tut mir Leid, doch Machey bedroht uns, ich kann nicht an zwei Fronten gleichzeitig kämpfen, nicht jetzt.“

Und sie nickte und sah wieder zum Fenster hinaus.

Dojolas Igíman kümmerte sich um den Bau der Feste im Süden, derweil Raréon Huálor und Emadé um Hilfe und Unterstützung bat und diese ihre Soldaten nach Rardisonan sandten. Am Ende des Winters fragte er sie erneut.

Sedíra, du siehst traurig aus.“

Sie standen gerade in einem weiteren Raum des Lagers. Raréon saß an einem großen Tisch über Dokumenten gebeugt, Sedíra blickte wieder einmal aus dem offenen Fenster, auf die See hinaus. Sie antwortete ihm, ohne sich zu ihm umzudrehen.

Ach Raréon, ich vermisse Fasia. Die Wälder, die Auen, die Flüsse, die Wiesen und Felder.“

Warum reisen wir nicht im Frühjahr dorthin?“ bot er ihr an.

Nun blickte sie ihn kurz traurig an, mit deutlichem Schmerz in den Augen.

Manurc, der vertriebene Herr von Rees, ist dorthin geflüchtet, wie einstmals die Adligen von Omijern nach Fasia flüchteten. Er ist zwar ein Gegner Macheys, doch wäre er deiner auch nicht wohl gesonnen. Er ist ein wahres Übel für das Volk von Fasia, wie es Mharef nun für Chobogi ist. Vertreibe Manurc bitte aus Fasia!“ drängte sie ihn.

Doch Raréon musste ihre leidenschaftliche Forderung bedauernd ablehnen. Mitfühlend sah er sie an.

Fasia liegt zu weit weg von uns und wir hätten die ganze Zeit Chobogi und Mharef im Rücken. Eine Befreiung Fasias ist noch unmöglicher als die von Chobogi. Es tut mir Leid.“

Sedíra sah wieder zum Meer hinaus.

Im Frühjahr versuchte er sie aufzumuntern, indem sie eine Reise gen Osten antraten. Sie erreichten dort Omérian, welches Amant Emaior einst zu Ehren von Omé gegründet hatte. Amant Emaior begrüßte sie am Eingang seines eigenen Lagers.

Raréon! Was führt dich zu mir?“ erkundigte er sich bei ihrer Ankunft und nahm Raréon fest in den Arm; doch seit ihrer ersten Begegnung hatte sich ihre Beziehung kaum verändert.

Emaior hatte seit ihrem letzten Zusammentreffen zahlreiche graue Strähnen in Bart und Haar bekommen, doch sah er weiterhin kräftig und gesund aus, immer noch der Alte.

Amant, dies ist Sedíra“, stellte Raréon sie vor und deutete auf seine Begleiterin, die neben ihm stand.

Emaior sah sie anerkennend an, bevor er ihre Hand zum Kuss nahm und sich galant verbeugte.

Wir kamen, dich zu besuchen“, führte Raréon fort.

Ach, mehr nicht?“ entgegnete Emaior, zog eine Augenbraue hoch und zweifelte ganz offensichtlich, „doch besprechen wir deine Anliegen lieber später. Lasst euch erst von mir Omérian zeigen!“

Sehr gerne doch“, antwortete Raréon, „doch lass uns erst unsere Sachen verstauen, wenn dies recht ist.“

Natürlich! Ich lasse euch Zimmer geben.“

Und so taten sie. Später führte Emaior Raréon und Sedíra durch Burg Omérian, durch den Ort dieser zu Füßen sowie durch Teile des Landes. Doch die Stimmung blieb angespannt, hatten sie doch für Jahre nicht miteinander geredet.

Was macht deine ehemalige Rechte Hand, dieser Machey?“ fragte Emaior später beim gemeinsamen Abendessen.

Sie saßen nur zu Dritt an der Tafel, war Emaior doch stets unverheiratet geblieben, da seine Liebe immer noch Omé galt, und auch schätzte er die Anwesenheit von speichelleckenden Lakaien und Adligen nicht. Der Diener Tóls verzog das Gesicht.

Das ist nun der zweite Grund, warum wir hier sind. Er hat TuKarra und TuReesten an sich gerissen, wieder vereint und bedroht nun uns.“

Emaior nickte und nahm einen Schluck Wein.

Das habe ich gehört. Doch was habe ich damit zu tun?“ fragte er ernst blickend.

Wir sind beide die Diener von Tól und Omé. Lass nicht zu, dass unser Glaube untergeht; hilf uns!“ drängte Raréon ihn.

Doch Emaior schüttelte grimmig den Kopf.

Du bist nur der Diener Tóls, ich nur der Omés. Du wirst in diesem Problem alleine da stehen. Ich selbst werde bereits von allen erdenklichen Seiten bedroht, doch von dir kam für mich in all diesen Jahren ebenso wenig irgendwelche Hilfe.“

Raréon blickt beschämt zur Seite.

Verzeih mir“, sprach er, ohne Emaior anzusehen.

Dafür ist es zu spät. Ich werde zu alt und versuche dieses Land unter allen Umständen zusammen zu halten. Dir aber viel Glück, alter Freund.“

Er hob seinen Kelch und trank einen langen Schluck auf Raréon. Dann wechselte er lieber das Thema.

Doch was ist eigentlich der erste Grund, der euch zu mir führte?“

Raréon legte seine Hand auf die Sedíras, doch sah Emaior an.

Sedíra aufzuheitern und ihr dein Reich zu zeigen.“

Emaior sah Sedíra musternd an, bevor er ihr aufmunternd zulächelte.

Dann hoffe ich, dass es euch hier gefällt“, sprach er zu ihr.

Und natürlich gefiel es Sedíra in Omérian, wie es ihr bisher in jedem Reich gefallen hatte, in dem sie mit Raréon gewesen war. Doch bald wieder beschlich sie die alte Traurigkeit und Sehnsucht. Und eines Abends fragte Raréon sie dann zum letzten Mal.

Sedíra, was ist mit dir?“

Sie befanden sich in einem Garten des Ortes Omérian, auf einer Terrasse am Berghang angelegt. Raréon hatte sich auf einen Felsen gesetzt, derweil Sedíra die Fische in einem Garten des Teiches betrachtete.

Ach Raréon“, seufzte sie und sah ihn an, den Blick aber in die Ferne gerichtet, „ich habe es dir nie erzählt, doch ich stamme nicht wirklich aus Fasia.“

Raréon sah sie überrascht und verdutzt an.

Von wo denn dann?“

Sedíra nahm ein Riedgras zur Hand und spielte abwesend damit.

Ich stamme aus Omjúen, welches früher zu Omijern gehörte; genau wie es einst auch Fasia tat. Doch heute liegt es in den Bergen südlich von Tobjochen, noch auf dem Gebiet von Morgolt und ist leider nur über den Pass nach Karra erreichbar.“

Raréon runzelte bloß die Stirn und dachte kurz nach.

Sehnst du dich nach deiner Heimat?“ fragte er sie schließlich.

Statt zu antworten fing Sedíra an zu weinen. Raréon gesellte sich zu ihr und nahm sie in die Arme. Ein Entschluss reifte ihn ihm, während er sie tröstete und hielt, derweil sie ihren Gefühlen freien Lauf ließ. Wenige Tage später erreichte ein Bote von Dojolas Igíman die Burg Omérian. Man hatte Truppenbewegungen am Pass nach Tukon bemerkt. Die Feste zur Absicherung des Landes sei bereits fertig und Igíman lies sie beziehen. Raréon und Sedíra reisten unverzüglich ebenfalls zu dieser, wo Igíman sie bereits erwartete.

Raréon, endlich seid ihr da!“ begrüßte sie dieser und führte sie selbst in den Innenhof der Feste.

Wie ist die Lage?“ erkundigte sich Raréon, derweil die Drei in der Feste standen, deren Mauern zwar stark und trotzend aufragten, dessen Inneres aber noch eine einzige große Baustelle darstellte.

Wir erwarten einen baldigen Angriff über den Pass“, antwortete Igíman und sah Raréon ernst an.

Ist die Festung denn bereits verteidigungsbereit?“ wollte dieser wissen, doch musste er sich bloß umsehen.

Igíman schüttelte denn auch bedauernd den Kopf. Mit einer weit ausholenden Bewegung deutete er auf die Baustelle.

Die Mauern sind zwar fertig, doch hier wird immer noch gebaut, wie ihr selber seht. Einer Belagerung könnten wir so unmöglich lange genug standhalten, wir waren nicht schnell genug“, sprach er.

Habt ihr dann einen anderen Vorschlag?“ erkundigte sich Raréon, während sie die Festung umschritten und erkundeten.

Igíman nickte bedächtig und wählte seine Worte vorsichtig.

Drüben im Pass gibt es eine alte, halb zerfallene, doch versteckte Burg, von wo aus wir ihnen in die Flanke fallen könnten, sobald sie hier anmarschieren. Die Burg ist kaum noch jemandem bekannt und auch nur schwer erreichbar. Ihre Kundschafter dürften sie nicht rechtzeitig entdecken können“, erklärte er ihnen.

Dann machen wir es so“, beschloss Raréon. „Lasst alles vorbereiten. Wir müssen dies überleben.“

Igíman hatte bereits einen Plan ausgearbeitet und ließ ihn nun ausführen, derweil Raréon und Sedíra ihr Lager in der Festung bezogen. Der Plan von Igíman war einfach, doch vielversprechend. Zuvor aber wurden noch weitere Streitkräfte erwartet, ohne die es nicht zu schaffen sein würde. Aus Rardisonan, Emadé, Aurost, Huálor und Tobjochen zog man sie zusammen, unterstützt von Söldnern, die man in anderen Reichen angeheuert hatte. Als Machey dann schließlich angriff, zog er an der im Pass versteckten Burg vorbei, ohne sie bemerkt zu haben. Seine Armee stürmte aus dem Pass wie ein Schwarm Käfer und fiel über die Feste her. Doch dort war nur ein Teil von Raréons Leuten, wehrte Pfeilhagel und Sturmleitern ab. Der Rest fiel Macheys Leuten aus dem Pass in Rücken und Flanke, was für heillose Verwirrung und Panik in den Reihen der Tukonen sorgte. Als dann auch noch die Besatzung der Feste zurück schlug, war es aus für die Angreifer. Schnell schon musste Machey seinen Angriff aufgeben und sich zurückziehen, um nicht völlig aufgerieben zu werden. Und Raréon ließ ihn gehen, ließ niemanden verfolgen, ließ seine Leute feiern. Am Abend des Sieges stieg Raréon auf die Mauern der Feste. Er breitete die Arme aus, ließ alle zu sich aufsehen und sprach zu ihnen, während alles ihm zujubelte und ihn feierte.

Völker des Nordens, Nachfahren der Juepen! Ihr habt heute einen wichtigen Sieg errungen, habt euch einer weiteren Versklavung durch ein fremdes Volk entzogen!“ verkündete er ihnen, und alles jubelte ihm zu.

Diese Festung, auf der ich steh‘, wird zukünftig dabei helfen, dass dies so bleiben wird! Zur Feier unseres Sieges und meiner geplanten Vermählung mit meiner geliebten Sedíra, soll diese Festung fortan ihren Namen tragen! Dies ist die Festung Sedíra!“ rief er.

Und alles jubelte ihm zu. Danach wurde lange und ausgiebig gefeiert, alle waren ausgelassen. Nun aber stand Raréon vor dem Problem, wie er nach Omjúen kommen könne, für Sedíra. Entweder umging er die Berge gen Osten, doch wollte er keinen Ärger mit den dortigen Reichen, oder mitten durch den Pass und an Pegrott vorbei. Nach dem Sieg und unter Einfluss der unbegrenzten Zuversicht seiner Leute, alles und jeden schlagen zu können, kam er endlich zu der Einsicht, dass man die fliehenden Gegner doch hätte verfolgen und solange diese verängstigt und ungesammelt seien, Pegrott einnehmen sollen. Dies müsse man nun nachholen.

Lasst uns ihre Festung einnehmen, solange sie noch ihre Wunden lecken!“ forderte Raréon leidenschaftlich, als er mit Igíman und seinen Offizieren zu Tisch saß, flankiert von dessen Soldaten.

Fast alle stimmten ihm sofort lautstark zu, nur Igíman saß still und nachdenklich da.

Nicht nur sie haben zahlreiche Verluste erlitten, auch wir. Vielleicht sollten auch wir unsere Wunden lecken und erstmal für unsere eigene Sicherheit hier sorgen“, gab er zu bedenken.

Nein, wir müssen ihnen den Gnadenstoß verpassen!“ widersprach ihm der General von Emadé, welches seit jeher Gegner Tobjochens gewesen und noch immer war.

Sie besprachen sich noch länger und teilweise gar hitzig, doch kamen sie letztlich darin überein, dass man doch handeln müsse, solange der Gegner noch geschwächt war. Tags darauf machten sie sich auf den Weg, doch sprach Raréon zuvor noch einmal zu seinen Leuten.

Juepen der Nordlande!“ begrüßte er sie laut und durch das Tal hallend, „die Bewohner der Südlande haben es gewagt, euch anzugreifen, haben versucht, euch erneut zu versklaven, nachdem ihr Iotor gerade erst abgeschüttelt hattet. Nun ziehen wir gegen sie, folgen ihnen, um ihnen zu zeigen, dass man dies nicht ungestraft tun kann und darf!“

Und alle jubelten ihm zu.

Und nun los!“ schrie Raréon.

Kriegsrufe antworteten ihm. Der Tross setzte sich bald darauf in Bewegung. Man musste dreimal in den Bergen übernachten, bevor man eine Position unfern Pegrotts einnahm. Am Morgen des dritten Tages nach dem Angriff auf die Feste Sedíra führte Raréon die Seinen gegen die Mauern von Pegrott. Machey war mit der Hälfte seiner Leute abgezogen, gen West, um einen Angriff von Manurc über den Pass von Fasia her gegen Rees zu vereiteln. Soumyl stand nun allein da, um Pegrott zu verteidigen, womit man niemals gerechnet hätte. Die ersten Angriffe konnte er zwar noch verhindern, so dass Raréon in Belagerung überging. Doch diese sollte Wochen andauern, ohne dass Soumyl um Hilfe schicken konnte, und ohne ausreichende Vorräte. Endlich musste er sich ergeben. Soumyl wurde von Raréon aber bloß fortgeschickt, während dieser in die Feste Pegrott einzog, umgeben von jubelnden Juepen.

XI: Sedíras Abenteuer und eine Liebe, die niemals enden wird

Beteiligte: Raréon, Sedíra, Mytillin Machey, Dojolas Igíman, Soumyl an’Dunnar, Varman an’Linroc, Sedíras Diener, Sedíras Leibwächter, Sedíras Kammerzofe, Sedíras Mutter, ein Connal, ein Pangaron, Wächter, Volk von Omjúen, Garde von Raréon, Krieger von Tukon

Orte: Festung Sedíra, Festung Pegrott, Illort, Omjúen, Karra, Rardisonan

Raréons langes Fortbleiben verunsicherte Sedíra. In der Zeit, zur der er ausgezogen war, blieb sie in der Feste zurück, seine Heimkehr erwartend. Doch nach Wochen kamen immer noch keine neuen Nachrichten von ihm. So wandte sie sich an Dojolas Igíman, der ebenfalls noch in der Feste verblieben war und wartete. Doch dieser begrüßte sie nur mit einem düsteren Kopfschütteln.

Es tut mir Leid, Sedíra, wir haben leider keine Neuigkeiten aus dem Pass erhalten. Unsere Kundschafter kamen auch noch nicht wieder zurück von dort, noch jemand anders.“

Immer bedrückter wurde Sedíra, sorgte sich immer stärker um Raréon und fragte sich nach dem Geschehen.

Herrin“, sprach da einer ihrer Diener zu ihr, Mitleid für sie in den Augen, „Raréon ist ein Held, von Tól selbst gesandt und von diesem beschützt; es wird ihm gut gehen.“

Doch warum schickt er dann keine Botschaft, um von seinem Vorankommen, seinem Wohlergehen zu berichten?“ sprach da Sedíra und blickte hinauf zum nahen Pass.

Ihr Diener sah ihr dabei zu, wie sie sich an die Zinnen stützte und nachdenklich und traurig blickte.

Womöglich ist er zu beschäftigt oder betrachtet es nicht als wichtig, Nachrichten zu senden.“

Sedíra verzog kurz das Gesicht.

Er liebt mich; er würde nicht wollen, dass ich mich um ihn sorgen muss. Er würde es sogar mitten in der Schlacht tun; Nachrichten über sein Wohlergehen zu versenden.“

Doch wir können nichts anderes tun, denn abzuwarten“, ermahnte der Diener sie nachdrücklich.

Sedíra sah ihn nur böse an.

Ich kann nicht länger warten! Ich muss zu ihm!“ bestimmte sie schließlich und erntete nur entsetzte Blicke des Dieners.

Das meint ihr nun doch nicht ernst! Es wäre Wahnsinn, die Feste zu verlassen, solange wir nicht wissen wie es dort draußen im Pass aussieht und wie es um uns bestellt ist.“

Aber genau das habe ich vor, ich verlasse die Feste!“ erklärte sie, drückte sich von den Zinnen ab, wirbelte gewandt herum und suchte ihre Gemächer auf, um zu packen.

Such mir Reisekleidung heraus!“ befahl sie ihrer Kammerzofe.

Diese hielt in ihrer Arbeit inne und sah sie verwundert an.

Ihr wollt verreisen?“ fragte sie überrascht.

Ich gehe zu Raréon“, erklärte Sedíra, während sie die Kammer nach Brauchbarem für die Reise durchsuchte und alles auf einen Haufen aufs Bett warf.

Das ist doch Irrsinn!“ entfuhr es der Zofe.

Das habe ich ihr auch versucht zu erklären“, sprach da der Diener, welcher gerade zur Tür hereinkam, gefolgt von Sedíras Leibwächter, der ebenso besorgt und erregt schien.

Herrin, das dürft ihr nicht tun!“ ergänzte dieser.

Sedíra sah die kleine Gruppe an, die sich dort vor der Tür versammelt hatte und zurück sah.

Ich bin Sedíra, eure Herrin, und tue was ich will. Ihr könnt mich nicht aufhalten!“ erklärte sie verärgert.

Dann begleite ich euch“, sprach der Leibwächter mit vollem Ernst, „denn ich habe geschworen, euer Leben zu verteidigen und für immer auf euer Wohl aufzupassen.“

Sedíra sah ihn ernst an, doch nickte schließlich. Der Diener rollte mit den Augen und warf verzweifelt die Hände gen Decke, als rufe er um Beistand.

Ich komme auch mit; ich lasse euch nicht sterben, auch wenn ich das selber tun muss“, sprach er.

Nun lächelte Sedíra endlich.

Mir wird es an nichts fehlen, und niemand wird sterben.“

Die Zofe sah immer noch geschockt von einem zum anderen, doch fasste sie sich bald und schluckte.

Ich komme auch mit! Wer… wer passt denn sonst auf eure Kleidung auf?“ fragte sie.

Nun lächelte Sedíra breiter denn zuvor.

Wir gehen noch heute Nacht, bereitet alles vor“, erklärte sie.

Alles nickte ergeben und machte sich an die Arbeit. In der tiefsten Nacht standen die Vier an einem kleinen Ausfalltor der Festung. Der Leibwächter hatte ihnen Waffen beschafft, der Diener hatte Reittiere besorgt und die Zofe Verpflegung und natürlich die Kleidung ihrer Herrin herbei geholt. Vorsichtig, um niemanden zu warnen, öffneten sie das Tor und zwängten sich hindurch in die offene, dunkle Nacht jenseits der sicheren Festungsmauern hinter ihnen.

Ich kenne den Weg durch den Pass“, erklärte der Leibwächter schließlich leise, „folgt mir einfach.“

Hoffentlich begegnen wir keiner feindlichen Armee“, gab der Diener zu bedenken und blickte besorgt und sehnsüchtig zurück zur Festung, die dunkel und gewaltig da stand.

Das werden wir nicht, dafür wird Raréon schon gesorgt haben“, beruhigte ihn Sedíra mit fester Stimme.

Er wird uns sicherlich hinrichten lassen dafür, dass wir die Festung verließen“, sagte die Zofe mit ängstlich gequälter Stimme und sah aus, als erwarte sie jeden Moment sterben zu müssen.

Unsinn! Das würde er niemals tun!“ herrschte sie Sedíra an.

Fortan schweigend folgten sie dem Weg den Pass hoch.

In der Zwischenzeit erreichte Mytillin Machey mit seinen Truppen endlich die Burg Dunnar, wohin sich Soumyl wieder einmal zurückgezogen hatte, um auf Machey zu warten.

Ihr seid einfach nur unfähig!“ fuhr Machey den Burgherrn an.

Soumyl duckte sich wie unter Schlägen.

Herr, es, es tut mir Leid“, stotterte er ängstlich.

Machey warf bühnenreif die Hände in die Luft.

Es tut ihm Leid!“ äffte er Soumyl nach und sprach zur Decke.

Wie konnte das passieren?“ fragte Varman, wesentlich gelassener als Machey, doch düster guckend.

Soumyl sah Varman an und nutzte dessen Ruhe, um sich auch selber endlich zu fassen.

Raréon griff uns an, kurz nachdem ihr Pegrott verlassen hattet. Wir haben nicht mehr mit ihm gerechnet. Wir konnten ihn zwar anfangs zurückschlagen, doch belagerte er uns für Wochen!“

Machey drehte sich wieder zu ihm um.

Das wissen wir bereits alles“, unterbrach er ihn ungeduldig und verärgert.

Ich will aber weiterhin wissen, warum ihr die Festung einfach so aufgegeben und ihm überlassen habt!“

Herr“, begann Soumyl wieder unsicher, „uns gingen die Vorräte aus und meine Leute wurden krank. Raréon bot uns freies Geleit und freien Abzug wenn wir gehen würden.“

Für diese Unfähigkeit sollte man euch eigentlich sofort aufhängen lassen!“ zischte Machey fast außer sich vor Wut und funkelte ihn mehr denn böse an, „Doch ich brauche euch leider noch. Unsere Truppen ziehen gerade nach Pegrott. Macht die euren bereit und folgt uns sofort. Wir werden Pegrott wieder zurückerobern!“

Ja, Herr“, antwortete Soumyl schluckend und verbeugte sich tief und unterwürfig vor Machey.

Einen Tag später standen sie alle vor Pegrott. Die Festung gut geschützt auf ihrem Felsen stehend, Macheys kleine Armee ihr zu Füßen, doch außerhalb der Reichweite aller feindlichen Waffen.

Entsendet Kundschafter in den Pass und die Umgebung, vielleicht hat Raréon wieder Stoßtruppen hinterlassen, um uns in den Rücken zu fallen“, ordnete Machey gleich nach der Ankunft an.

Kleine Gruppen von Kriegern schwärmten so denn auch zügig in den Pass aus und suchten nach möglichen Hinterlassenschaften des Feindes. Doch eine Gruppe sollte etwas ganz anderes finden. Morgens am nächsten Tag begegneten die sechs Krieger aus Tukon einer Gruppe von Reisenden aus dem Norden. Der Pangaron, Anführer der Truppe, sah sie zuerst.

Dort, seht!“ warnte er seine Begleiter.

Das sieht mir nach einer reisenden Adligen samt Gefolge aus“, vermutete sein Connal, sein nächster Untergebener in der Rangfolge.

Nehmen wir sie gefangen und bringen sie zu Lort Machey“, ergänzte der Pangaron ihn.

In dem Moment sahen auch die Reisenden aus dem Norden schließlich doch noch die ausrückenden Kämpfer.

Tukonen!“ entfuhr es dem Diener.

Sedíra! Flieht! Ich werde sie aufhalten!“ rief da der Leibwächter und stieg, seine Waffe ziehend, von seinem Tier, um sich den Gegnern in den Weg zu stellen, auf dass seine Herrin fliehen könne.

Ich verteidige euch auch!“ sprach da der Diener zu Sedíra und folgte dem Beispiel des Leibwächters.

Oh nein! Ich wusste, wir werden sterben!“ rief da die Zofe und warf sich ängstlich und schützend die Hände vors Gesicht.

Sedíra machte Anstalten, den beiden zu folgen.

Herrin! Bleibt hier!“ flehte da die Zofe sie an.

Sedíra blickte gehetzt zwischen den beiden Männern und ihrer Zofe hin und her, doch beschloss sie schließlich, dass sie das Mädchen verteidigen müsse, dass ihr kein Leid zu Teil werden dürfe. So sahen sie nur aus sicherer Entfernung dem Kampfgetümmel zu, welches äußerst kurz weilte. Der Leibwächter erschlug einen überraschten Krieger, der nicht mit soviel Widerstand gerechnet hatte, und schlug sich danach mit dem Pangaron. Derweil hielt der Diener ihm den Rücken frei, doch wurde selber arg bedrängt. Als der Connal ihn schließlich niederstrecken konnte, fiel auch sogleich der Leibwächter, doch nicht ohne den Pangaron im Fallen noch tödlich treffen zu können. Der Connal bemerkte diesen Umstand jedoch nicht, er bedrohte, begleitet von einem der Kämpfer, die beiden Frauen.

Ihr beide kommt mit zu meinem Herrn“, verkündete er ihnen und gab dem Soldaten Zeichen, sich Sedíra zu packen.

Nein! Rührt meine Herrin nicht an!“ schrie da die Zofe, zog ihre Waffe und hieb nach dem Kämpfer.

Verfluchte…!“ entfuhr es dem Connal, als der Mann stöhnend und sterbend ihm zu Füßen zusammenbrach.

Wie von selbst schoss seine Hand hervor und er erstach die Frau. Keuchend sah er nach Sedíra, die nur geschockt da stand, riss ihr grob die Waffe vom Gürtel und schlug sie damit zu Boden. Er drehte sich um.

Fesselt sie!“ rief er den beiden noch verbliebenen Kriegern zu, „wir bringen sie zu Lort Machey!“

Tags darauf erreichten die Vier das Lager Macheys. Sedíra weigerte sich dem Connal gegenüber, irgendetwas über sich preiszugeben, ja verweigerte gänzlich auch nur einen Ton hervorzubringen. Der Connal nahm es zähneknirschend hin und freute sich dafür umso mehr auf seine Belohnung für das Ergreifen einer Adligen aus Raréons Land.

Lort Machey, einige Kundschafter sind zurückgekehrt“, kündigte ein Kämpfer die Rückkehr des Connals Truppe an.

Machey, der gerade die Festung beobachtete, sah zuerst den Mann an, dann die Ankömmlinge. Er musterte sie kurz düster, doch blieb sein Blick schließlich auf Sedíra haften.

Wo ist der Rest eurer Gruppe?“ fragte er schließlich den Connal.

Dieser nahm Haltung an und antwortete gedrückt.

Lort Machey, wir sind dieser Frau aus dem Norden im Pass begegnet. – Ihre Begleiter haben unseren Pangaron und zwei unserer Krieger erschlagen“, erklärte er schließlich.

Von wem wurde sie denn begleitet? Ungetümen aus Antahr?“ fragte Machey lauernd nach.

Lort, nur von Dienern und einem Kämpfer“, antwortete der Connal und schluckte, sich langsam fragend, ob dies so eine gute Idee gewesen sei, wieder zurückzukommen.

Ihr lasst euch nun schon von einfachen Dienern umbringen?“ entgegnete Machey wütend, immer noch an dem Verlust der Festung zehrend, „Ich sollte dich auspeitschen lassen!“

Der Connal blickte ihn entsetzt an.

Lort, es nicht meine Schuld!“ versuchte er sich zu rechtfertigen.

Es ist niemals eure Schuld! – Geh mir aus den Augen, du kleine Made!“ herrschte Machey ihn an, dabei versuchend, so gut wie möglich seine Selbstbeherrschung zu bewahren.

Doch lass sie hier“, ergänzte er, einen Blick auf Sedíra werfend.

Der Connal sah erst Sedíra, dann Machey an. Ohne ein weiteres Wort verließen er und seine Leute den Schauplatz des Geschehens, froh um ihre Gesundheit, doch betrübt über das Fehlen jeglicher Belohnung für den Einsatz ihres Lebens bei der Ergreifung dieser Adligen.

Wer seid ihr und woher kommt ihr?“ fragte Machey Sedíra, nach dem nur noch sie beide und seine Leibwächter verblieben waren.

Warum sollte ich euch das wohl verraten?“ entgegnete Sedíra verbissen und sah ihn trotzig an.

Wenn ihr es nicht freiwillig tut, muss ich euch leider zwingen. Ihr könntet immerhin eine Kundschafterin des Feindes sein. Doch würde es mir auch selber wehtun, euch Leid zufügen zu müssen.“

Machey musterte sie eingehend und konnte seine Bewunderung für ihre außergewöhnliche Schönheit nicht lange verhehlen.

Ich würde es nicht ertragen, wenn irgendjemand dieser eurer Schönheit schaden würde.“

Doch Sedíra ließ sich von Schmeicheleien nicht beeindrucken. Sie funkelte ihn nur weiter böse an.

Überfallt ihr immer wie ein gemeiner Bandit arme reisende Frauen, die nur ihre Familien besuchten, und lasst ihre Dienerschaft töten, die niemanden etwas angetan hat?“ entgegnete sie bissig.

Machey kniff den Mund zusammen und nickte.

Es tut mir Leid um eure Diener, doch hätten sie sich einfach nur ergeben müssen, dann wäre niemanden etwas geschehen.“

Eure Leute waren einfach nur mordlustig!“ warf Sedíra ihm vor und war nicht geneigt, von diesem Standpunkt abzulassen.

Es mag sein“, wandte Machey beschwichtigend ein, „dass einige Männer ihr Handwerk mehr lieben als gut für sie wäre. Doch habe ich sie leider nicht aussuchen können. Aber ich entschuldige mich für sie und lasse sie bestrafen, sofern ihr wollt.“

Sedíra runzelte leicht die Stirn, doch ließ sie sich nichts weiter von ihren Gefühlen anmerken.

Das wird nicht nötig sein, danke. Es wurde heute bereits genug Blut vergossen“, antwortete sie ihm.

Dann betrachtet euch bitte als mein Gast“, lud Machey sie ein und verbeugte sich vor ihr.

Sedíra blickte hinüber zur Festung und dachte an Raréon, der sich in diesem Moment wohl dort befinden müsse. Doch dachte sie ebenso an ihre eigene Lage, und dass sie keine großartige Wahl haben würde. Sie nickte und nahm Macheys dargebotene Hand. Die Truppen Macheys versuchten in den nächsten Stunden ihr Glück mehrmals an den Mauern Pegrotts, doch mussten sie nach einiger Zeit stets wieder aufgeben und sich zurückziehen. Machey war erbost und enttäuscht, doch gab er sich Sedíra gegenüber galant und fasste einen anderen Plan. Machey ließ seine Truppen die Feste belagern und einen Teil als Ersatz in Dunnar, Soumyls Burg, zurück. Doch er selber, mit einer kleinen Schutztruppe – für Sedíra, wie er betonte – zog ab und zurück nach Illort.

Doch sagt mir bitte noch, wie euer Name lautet“, fragte Machey seine Begleiterin auf der Reise.

Diese schien zu überlegen, ob sie antworten solle, doch suchte sie in Wahrheit nur einen Namen.

Jamíra“, sprach sie schließlich, den Namen ihrer Großmutter verwendend.

Sedíra ließ sich von Machey bereitwillig die Stadt Illort zeigen, doch war sie nicht ganz ohne Grund mit ihm mitgekommen.

Mein werter Herr“, sagte sie ihm nach einigen Tagen, „es ist schön in eurer Stadt, doch würde ich gerne wieder in meine Heimat, nach Omjúen, das fern von hier liegt.“

Liebste Jamíra“, antwortete da Machey, als die gerade den Garten seines Palastes durch wandelten, „wie könnte ich euch auch nur einen einzigen Wunsch ablehnen?“

Längst schon hatte Machey sich in sie verliebt, und Sedíra wusste dies natürlich und ebenso wusste sie es auch auszunutzen.

Ich werde eine Reise mit euch in eure Heimat unternehmen“, fügte er gönnerhaft hinzu, lag Omjúen doch im befreundeten Morgolt.

Das reichte Sedíra aber bei weitem noch nicht, doch begnügte sie sich vorerst damit. Endlich sollte sie ihre Heimat wieder sehen, endlich sollte sie wieder bei ihrem Volk sein. Machey reiste mit ihr von Ort zu Ort in den Bergen und eine Woche blieben sie in Omjúen selbst. Sedíra verbrachte die Tage beim Volk und den Leuten, welche ihre Familie gekannt hatten, doch waren diese selbst irgendwo anders hin geflüchtet, und niemand vermochte ihr zu sagen, wohin nun genau. So saß sie eines Abends traurig an einem Bach nah des Ortes, wo Machey sie schließlich aufspürte.

Liebste Jamíra, warum seid ihr so traurig?“ fragte er sie und setzte sich bald neben sie.

Ach, ich vermisse meine Familie“, seufzte sie da.

Da kann ich leider auch nicht mehr helfen“, murmelte er.

Dann erhob er seine Stimme zu einem ernsteren Tonfall und sah sie an.

Liebste Jamíra, die Herrschergeschäfte rufen und wir müssen morgen zurück nach Illort.“

Und Sedíra nickte nur traurig. Zwei Wochen blieben sie in Illort und Machey überhäufte Sedíra mit Geschenken und versuchte sie anderweitig aufzuheitern, doch nichts sollte helfen, nichts sie erfreuen.

Liebste Jamíra, so sagt mir doch wenigstens, was ich für euch tun kann“, fragte er sie eines Abends beim Abendmahl voller Verzweiflung in seinem Gesicht und seiner Stimme.

Mein werter Herr, ich könnt nichts für mich tun, ich vermisse meine Familie“, antwortete sie ihm mit abwesendem Blick.

Dann habe ich eine Überraschung für euch!“ sprach er und stand auf, „Meine Kundschafter haben sie in Delent aufgespürt und bereits dazu überredet, nach Omjúen heimzukehren. Wir beide werden morgen früh wieder nach Omjúen reisen.“

Oh, danke!“ rief Sedíra, zutiefst erfreut, und umarmte ihn dankbar.

Machey lächelte nur und hoffte tief in seinem Geist, dass sie dies noch öfter so tun würde. Wieder verbrachten sie eine Woche in Omjúen. Gleich am ersten Tag fiel Sedíra glücklich ihren Eltern in die Arme und es wurde mit dem gesamten Ort lange gefeiert. Doch nach wenigen Tagen musste Machey erneut an sie herantreten. Er fand sie auf einer Bergwiese oberhalb des Ortes.

Liebste Jamíra“, sprach er, „es wird Zeit, dass wir nach Illort zurück kehren.“

Sie blickte ihn verzweifelt an.

Nein! Lasst mich nur noch einen Tag hier!“ flehte sie ihn an.

Doch er konnte sie nur bedauernd ansehen.

Es tut mir Leid, es ist wichtig. Es wird Zeit, Raréon aus meinem Pegrott zu vertreiben“, erklärte er.

Raréon?“ murmelte Sedíra überrascht, doch Machey hörte sie bereits nicht mehr, er hatte sich wieder an den Abstieg gemacht.

Und so kehrten sie erneut zurück nach Illort. Zuvor musste sich Sedíra unter Tränen von ihren Eltern trennen. So wurde sie denn auch in Illort jeden Tag, der verging, trauriger und verbrachte die Nächte oft weinend in ihren Gemächern. Machey hielt die Sorge um sie jedoch von seinen ernsten Plänen gegen Raréon ab. Er lud sie schließlich zu einer Bootsfahrt auf einen See nahe Karra ein. So schön wie möglich versuchte er es zu gestalten, und inmitten eines Seerosenfeldes fragte er sie dann. Er sah sie ernst an und nahm ihre Hand, sie blickte verunsichert.

Liebste Jamíra, ich genieße jeden Augenblick mit euch, mein Leben ist wieder heller, hat wieder mehr Sinn, seit ihr es betratet. Lasst uns uns vereinen und gemeinsam dieses Reich regieren!“

Sedíra sah ihn überrascht und erschrocken an, doch hatte sie schon lange mit diesem Augenblick gerechnet und sich darauf vorbereitet. Nun suchte sie in den Tiefen ihres Verstandes nach passenden Worten, ihre Augen wanderten rastlos über den See.

Mein werter Herr“, begann sie schließlich, „das bringt viele Dinge mit sich, die erledigt werden müssen. – Ich muss mit meinen Eltern vieles vorbereiten und es gibt anderes zu erledigen.“

Machey nickte ihr beruhigend zu.

Alles, was ihr wollt, meine Liebe. Doch kann ich euch dieses Mal leider nicht begleiten“, erklärte er.

Wiederum Tags darauf reiste Sedíra allein mit einem kleinen Begleitschutz zu ihren Eltern in den Bergen von Morgolt. Am Tage der Ankunft suchte sie sofort ihre Mutter auf, um unter vier Augen mit ihr zu sprechen, während ihre Begleitung ihr Lager aufschlug.

Mutter, ich vermisse Raréon“, sprach Sedíra und blickte sehnsüchtig zu den Bergen im Westen.

Doch nun bist du dem Herrscher von Tukon versprochen“, entgegnete ihre Mutter belehrend.

Nein, ich werde nicht seine Gemahlin werden, niemals!“ stellte Sedíra fest und schüttelte nachdrücklich den Kopf.

Aber Liebes! Du könntest die Fehde zwischen Raréon und Machey nur noch verstärken!“ entfuhr es ihrer Mutter, doch beruhigte diese sich wieder, „Was hast du nun vor?“

Ich kehre zu Raréon zurück und ihr müsst uns helfen!“ sprach Sedíra ernst und fasste ihre Mutter an den Schultern.

Ich hoffe sehr, du weißt, was du tust!“

Ich liebe Raréon, ich muss zurück zu ihm“, war alles, an das Sedíra nun noch denken konnte.

Ihre Mutter nickte nur.

Ich hoffe sehr, du weißt, was du tust“, wiederholte sie noch einmal.

Den nächsten Tag verbrachten sie mit heimlichen Vorkehrungen für Sedíras Flucht, damit Sedíra ihrer Begleitung entkommen könne, ohne dass jemand etwas merken würde. Doch einer der mit ihr angereisten Soldaten bemerkte doch zu viel. Es war der Connal, der sie damals gefunden hatte.

Was habt ihr vor?“ fragte er sie gerade hinaus.

Sie wirbelte herum, als sie seine Stimme hinter sich hörte, und hielt die Decke, welche sie gerade einpacken wollte, schützend vor sich.

Ich gehe nach Pegrott. – Und versucht lieber nicht, mich aufzuhalten!“ sprach sie drohend.

Der Connal kam schleichend auf sie zu und strich mit einer Hand über die gepackten Taschen, welche Sedíra in diesem Stall aufgeschichtet hatte. Schließlich sah er sie an, mit gespielter Überraschung.

Ihr wollt nach Pegrott? Aber das ist Wahnsinn. – Was ist mit Lort Machey? Ihr seid ihm versprochen!“

Das weiß ich zufällig auch. Aber ich liebe ihn nicht! Ich liebe bereits jemand anderen“, erklärte sie.

Er hat euch auch nicht wirklich verdient“, murmelte da der Connal und sah betrübt zu Boden.

Was sagt ihr da?“ fragte Sedíra überrascht.

Der Connal riss sich zusammen und sah sie unsicher an.

Ihr müsst wissen, ich bewundere euch schon lange“, offenbarte er ihr, „doch wird mir als einfacher Krieger wohl nie vergönnt sein, was den hohen Herren gehört. Aber ich werde euch helfen!“

Sedíra war ehrlich und zutiefst erstaunt, doch riss sie sich zusammen und nickte letztendlich.

Ich danke euch. Wir gehen heute Nacht.“

Und das taten sie dann auch. Der Connal ließ sich die Nachtwache seiner Leute übertragen. Gegen Mitternacht kam Sedíra mit zwei Reittieren und Vorräten. Gemeinsam schlichen sie sich aus Omjúen, bestiegen die Tiere und ritten gen West. Sie blieben in den Bergen, um niemandem aus Karra zu begegnen, doch kamen sie so nur beschwerlich und langsam voran. Die Reittiere waren nicht für die Berge geschaffen und es kam, was kommen musste. Es war abends, die Sonne neigte sich dem Ende ihrer Bahn und sie konnten immer weniger sehen. Trotzdem ritten sie einen steilen Abhang entlang. Sedíra ritt gerade voraus und schreckte überrascht hoch, als sie einen Schrei hinter sich hörte.

Herrin!“ rief der Connal mit schriller Stimme.

Sie wendete sofort, doch es war zu spät. Das Tier des Connal war auf einen lockeren Stein getreten und taumelte nun, nach Halt suchend. Doch trat es dabei nur noch mehr los, bis der Abhang gänzlich unter ihm nachgab und es abrutschte.

Nein!“ schrie noch der Connal, schrie noch Sedíra, doch es änderte nichts am Geschehen.

Springt!“ rief Sedíra dem Connal zu.

Das Tier rutschte und fiel, doch der Connal konnte gerade noch rechtzeitig abspringen. Man hörte noch die Schreie des armen Wesens, wie es in den Abgrund stürzte. Niemals hätte es das überleben können. Sedíra stieg augenblicklich von ihrem Reittier, um dem Connal, welcher sich an der Klippe festzuhalten versuchte, hoch zu helfen.

Vielleicht gehen wir lieber erstmal zu Fuß weiter“, schlug Sedíra vor.

Tags darauf verließen sie den Bereich der Abgründe. Sowohl Sedíras Tier als auch der Connal waren mehr als erfreut über diesen Umstand und über den etwas sichereren Grund auf den hoch gelegenen Wiesen und Feldern. Nun aber mussten sie erst wieder eine Reisemöglichkeit für den Connal besorgen, denn sonst hätten sie noch Monde für die restliche Reise benötigt. Bald fanden sie ein Dorf, bei dem sie des Nachts einschlichen. In einem Stall fanden sie passende Tiere. Doch gerade als der Connal eines satteln wollte, kam der Besitzer hinzu.

Lasst es da stehen!“ begrüßte er sie, eine Heugabel in der Hand.

Lauft!“ rief der Connal Sedíra zu, und das taten sie dann.

Sie folgten unbewusst dem Weg aus dem Dorf, verfolgt von dem Bauern und anderen, die er aufgeweckt hatte.

Wir müssen uns trennen!“ kam es Sedíra irgendwann in den Sinn.

Getrennt setzten sie den Weg fort: Sedíra nahm die Tiere und schlich sich davon; der Connal machte Krach und lenkte die Verfolger auf seine Spur. Tatsächlich klappte es und er konnte sie sogar abhängen, aber erst, als er in einen Bach stolperte, ausrutschte und einen Wasserfall hinab gespült wurde. Sedíra fischte ihn Tags darauf aus dem Wasser. Er lebte noch, war aber nass und verletzt. Nach dem er sich erholt hatte, konnten sie ihre Reise fortsetzten, für die sie trotzdem noch gut eine Woche brauchten, trotz des neuen Reittieres und schnellen Rittes. Ihre Wegzehrung frischten sie am Wegesrand anhand von Beeren und Pilzen auf und ihre Wasserschläuche füllten sie an Bergbächen. Immer wieder umgingen sie kleine Siedlungen, Minengesellschaften, Holzfällerlager, Förster- und Köhlerhütten, da deren Bewohner anhand Sedíras Kleidung misstrauisch werden könnten. Schnell jedoch sah jene lange nicht mehr so frisch aus und als Sedíra eines Morgens beim Wasserholen auch noch ausrutschte, hinfiel und ihre Kleidung halb zerriss und endgültig verschmutzte, kamen sie endlich auf die Idee, dass dies doch eine hervorragende Tarnung sei. So sah man die beiden die letzten Tage auch vereinzelt in vorher gemiedenem Gebiet.

Bald schon waren sie nicht mehr fern des Eingangstales zum Pass bei Pegrott. Verdreckt und zerlumpt näherten sich die beiden dem Tal, da hörten sie plötzlich wütendes Gekläffe von irgendwo über sich.

Fagurans!“ rief der Connal alarmiert.

Erschrocken wandte Sedíra ihren Blick gen Osten, ihre Augen weiteten sich vor Entsetzten und Angst. Ein ganzes Rudel pelziger, etwa hüfthoher Tiere stürmte den Abhang hinab. Lange, spitz zulaufende Schnauzen endeten an von ebenso spitzen Eckzähnen gesäumten Mäulern. Speichelfäden rannen hinaus und wurden vom Wind verweht, als Lefzen vor Blutgier zurückgezogen wurden. Die kurzen, von Haarbüscheln gekrönten Ohren waren angelegt, die gelben Augen blitzten jagdlustig. Braune Fellzottel flatterten im Wind und die kurzen Vorder- und kräftigen gewinkelten Hinterbeine brachten die Tiere schnell die Felsen hinab, mehr springend denn laufend. Stummelschwänze, von Fellbüscheln gekrönt, zuckten vor Erregung und immer wieder kläffte oder bellte eines der Tiere. Im Schrecken des Momentes fiel Sedíra nur der Name ein, den ihr Volk den Tieren gab, den Connal hörte sie gar nicht.

Fágueri“, murmelte sie voller Todesangst.

Fágueri oder Faguran, es waren im Rudel jagende Räuber der nördlichen Berge, die sich schnell springend in eben diesen bewegen konnten; selten, doch höchst gefährlich, wenn hungrig. Und nun stürmte ein Rudel dieser Bestien direkt auf sie beide zu. Vor Angst wie gelähmt, wusste Sedíra im ersten Moment nicht, was zu tun sei.

Herrin, flieht!“ rief ihr der Connal zu und zog seine Waffe.

Ich werde sie so lange aufhalten!“

Ohne das Sedíra noch Gelegenheit hatte, etwas zu sagen, wendete der Connal sein Tier und hielt auf die Angreifer zu. Doch sein Tier verweigerte sich ihm, und er musste absteigen. Er warf einen letzten Blick zurück zu Sedíra, die noch immer wie gelähmt stand.

Jetzt flieht!“ rief er, und stellte sich den Bestien.

Ihr Überlebenswille riss Sedíra letztlich in die Wirklichkeit zurück. Sofort zog sie an den Zügeln, um ihr Tier in die Richtung geradeaus gen Pegrott zu lenken. Kurz warf sie einen Blick zurück zu dem Connal, dann trat sie ihrem Tier in die Flanken, woraufhin dieses erbost los lief. Nach der Hälfte des Weges hörte sie hinter sich Gebell und wusste, dass der Connal sie nicht hatte aufhalten können. Sie ließ ihr Tier rennen. Immer näher kamen die Verfolger, doch Pegrott schien nicht nur ferne zu rücken. Was, wenn Raréon überhaupt nicht mehr in der Feste weilte? Was, wenn die Tukonen wieder alles zurück erobert hätten? Würden sie sie auch retten und einlassen? Ansonsten wäre ihre Flucht gescheitert, der Tod des Connals umsonst gewesen. Und den ganzen Weg bis zur Feste Sedíra würde ihr Tier niemals aushalten. Was, wenn Raréon sich noch vor Ort befand, die Tukonen aber ebenso und die Festung belagernd? Dann hätte sie dasselbe Problem. Doch ihr sollte das Glück zu Gute kommen. Machey hatte seine Armee größtenteils abgezogen oder nach Dunnar gehen lassen, Raréon fand Nachschub und konnte so die Feste weiter halten. Doch beseitigte dies nicht ihr unmittelbarstes Problem, nämlich ihre Verfolger. Ihr Tier rannte, so schnell es konnte, die Fágueri taten es ihm gleich. Schließlich wurden die Raubtiere langsamer, doch da hatte Sedíra die Feste schon erreicht. Das Tor zeigte sich gänzlich verschlossen.

Heda!“ rief Sedíra verzweifelt zu den Mauerzinnen empor und hielt Ausschau, „Öffnet das Tor!“

Wer da?“ rief es zurück und ein Wachmann lugte gelangweilt über die Brüstung.

Sedíra! Die Geliebte von Raréon!“ antwortete diese ihm, sich dabei immer wieder panisch nach hinten umsehend, zu den sich immer weiter nähernden Fágueri hin.

Fágueri sind hinter mir! So öffnet doch!“

Wartet kurz“, meinte der Wächter zu ihr.

Er wandte sich um und schickte einen weiteren Wächter los, Raréon zu suchen und herzubringen, auf dass er ihre Geschichte bestätigen oder ablehnen würde.

Es tut mir Leid!“, antwortete der Wachmann Sedíra, „doch ihr könntet ein Spitzel von Tukon sein.“

Sedíra blickte ihn zunächst fassungslos, bald wütend an.

Es ist doch wohl egal, wer ich bin“ schrie sie ihm zu, „denn seht ihr nicht, die Fágueri sind gleich hier! So lasst mich doch bitte ein! Sie werden mich sonst töten!“

Doch der Wächter schüttelte nur den Kopf.

Es tut mir Leid“, meinte er, „doch ich habe meine Befehle, niemand fremdes einzulassen, und die binden mich nun.“

Sedíra verdrehte entnervt, doch angsterfüllt die Augen, ihr Tier unter ihr krächzte ängstlich und bewegte sich unruhig.

Ja erkennt ihr mich denn nicht?“ versuchte sie es ein letztes Mal voller Verzweiflung und Todesangst.

Aber wieder konnte der Mann es nur verneinen.

Es tut mir Leid“, sprach er mit wahnsinnig machender Stumpfheit und Gelassenheit, „doch ich sah euch noch nie zuvor.“

Lasst mich einfach ein“, versuchte es Sedíra anders, „und wenn ich doch nicht die bin, die ich sage zu sein, so tötet mich dann, doch lasst es nicht diese Bestien tun!“

Der Krieger sah sie nachdenklich an, ihr Tier scheute.

Ich würde ja gerne, doch ich kann das Tor gar nicht öffnen“, meinte er schließlich und endlich.

Ja warum denn nicht?“ schrie Sedíra ihm zu.

Doch da war es bereits zu spät, die Fágueri waren endlich viel zu nah an sie herankommen. Sedíras Tier ging mit ihr durch. Sie hatte Mühe, es unter ihre Herrschaft zu bringen. Schließlich gelang es ihr zwar, doch das Tier war nicht mehr zu beruhigen. So brachte sie es stattdessen immerhin dazu, mit ihr in einem weiten Kreis um die Raubtiere zu laufen und wieder zurück zur Festung zu kommen. Dort war schließlich Raréon erschienen und erkannte sie sofort, trotz aller Verdreckung und anderer Tarnung.

Sedíra!“ schrie er, nur halb erfreut über ihr Wiedersehen, hauptsächlich aber aus Angst um ihr Wohlergehen.

Raréon!“ rief sie zurück, als sie wieder zur Feste kam.

Voller Angst um ihr Leben beobachtete Raréon ihre Verfolger.

Öffnet sofort das Tor!“ schrie er den Wachmann neben sich an.

Herr“, antwortete ihm derjenige, welcher mit Sedíra gesprochen hatte, „dann sind wir schutzlos.“

Raréon schien außer sich.

Tut es sofort!“ herrschte er ihn an, der Kämpfer machte sich sofort auf den Weg.

Und ihr“, wandte er sich an die anderen Krieger bei sich auf der Mauer, „nehmt eure Bögen und tötet diese Bestien hinter ihr!“

Und jeder von ihnen schnappte sich einen Bogen und sie töteten alle Fágueri bis auf zwei von ihnen. Und auch Raréon nahm sich einen Bogen und erlegte das vorletzte der Tiere. Sedíra war derweil fast beim Tor, welches nun halb heraufgezogen war, der letzte Fágueri direkt hinter ihr. Zitternd legte Raréon einen weiteren Pfeil an und sandte Stoßgebete zu Tól und Omé, dass er ja nicht verfehlen möge. Und er schoss – und er traf, doch ging sein Pfeil zuerst durch Sedíra, dann durch den Räuber. Sedíras Tier jagte in den Innenhof, wo es bald plötzlich und verwirrt stehen blieb, gab doch niemand ihm mehr Befehle. Sedíra rutschte aus dem Sattel.

Sedíra“, murmelte Raréon, bevor er die Stufen hinab zu ihr rannte.

Sie in seinen Armen bettend kniete er neben ihr nieder. Tränen stiegen ihm in die Augen, als er Sedíras blutende Wunde sah. Sich selbst verfluchend strich er ihr das Haar aus dem Gesicht.

Sedíra, Liebste“, brachte er schluchzend hervor.

Und sie öffnete die Augen, sah ihn an, lächelte ihn an.

Raréon, … endlich… endlich… wie habe ich… dich… vermisst“, versuchte sie zu sagen, doch wurde ihre Stimme schwächer.

Sedíra, es tut mir Leid.“

Wieder lächelte sie, doch verzog sie sofort das Gesicht vor Schmerzen.

Es muss dir… nichts Leid tun“, versuchte sie zu antworten, „war doch… die Zeit mir dir… die Schönste… meines Lebens.“

Doch Raréon war der Verzweiflung nahe.

Sedíra, geh nicht, du bist das Wichtigste in meinem Leben. – Ich liebe dich.“

Wieder lächelte, dann hustete sie.

Ich liebe dich auch“, sprach sie, doch gegen Ende versagte ihr die Stimme.

Weinend presste Raréon sie an sich.

Warum?“ schrie er, nach Süden gewandt, zu Tól und Omé, „Warum habt ihr das zugelassen?“

Und plötzlich vermeinte er ihre Stimmen zu hören.

Es musste sein“, sprachen sie zu ihm.

Doch nein, musste es nicht, so sah es Raréon.

Macht die Kutsche für Sedíra und mich bereit“, rief er den herumstehenden und bedrückt zusehenden Kriegern zu.

Wir fahren heim“, sprach er dagegen an Sedíra gewandt, als müsse er sie beruhigen und aufmuntern und strich ihr sanft über die Stirn.

Alles wird gut.“

Und so begab es sich, dass Raréon mit Sedíras Leichnam und von einer großen Garde begleitet, zurückfuhr nach Rardisonan, der Hauptstadt seines kleinen Reiches, an der Mündung der heutigen Miabanur gelegen, während in Pegrott nur eine kleine Besatzung zurückblieb. Raréon ignorierte sämtliche Gefahren, die mit dieser Fahrt verbunden waren, zog grußlos an der Festung Sedíra, wo Dojolas Igíman wartete, vorbei und sprach auch kein Wort mehr mit einem seiner Begleiter. Er brachte Sedíra direkt und ohne Umschweife in seine Gemächer in Rardisonan und wurde später nie wieder außerhalb dieser erblickt. Viele Geschichten entstanden, doch keine konnte je bestätigt werden. Dass Raréon von Tamirús damals zum Geschenk einen Quell des Lebens erhalten hatte, Geheimnis der langen Herrschaft der Kaiser von Lurruken, damit Sedíra zum Leben erweckte und sie heimlich fortgingen, um woanders für immer zu leben. Dass er selber diesen Quell des Lebens nutzte und noch heute heimlich unter seinen Nachfahren weilt. Dass Tamirús’ Geschenk eine Möglichkeit war, zu Tól und Omé zurückzukehren und er bei ihnen blieb, versteckt. Dass er sich umbrachte und die Leichen Raréons und Sedíras von treuen Dienern und Freunden heimlich beiseite geschafft wurden. Dass er heimlich und verkleidet zurück zu Tól und Omé ging und sich Alaun Isúm nannte. Dass alles zusammen zutreffe oder auch gar nichts. Dies und vieles mehr sollte man sich später erzählen. Doch Lösungen für diese Rätsel würde es erst viel später geben.

XII: Das Geschick von Rardisonan und Tukon

Beteiligte: Dojolas Igíman, Galand, Camón Anaruen, Amant Emaior, Mharef, Mytillin Machey, Garmyn an’Vorra, Varman an’Linroc, ein Ikalt, ein Tellic, ein Lentro, ein Asep, ein Lard, ein Dargan, Statthalter von Pegrott, König von Huálor, ein Bote, Krieger von Chobogi, Krieger des Bundes, Krieger von Varman, Krieger von Garmyn, Diener, Bittsteller, Adlige

Orte: Pegrott, Aurost, Rardisonan, Illort, Linroc

Tatsache ist zumindest, und dies unbestritten, dass das Reich fortan ohne Herrscher dastand. Von dieser Schwäche erfuhr nun auch Machey und rückte bald gegen Pegrott vor. Dem Statthalter der Festung erzählten seine Kundschafter von diesen Umständen und er schrieb Dojolas Igíman um Hilfe und Rat an.

Ihr könnt die Feste nicht weiter halten“, lautete der Anfang der kurzen Antwort, „also zieht euch nach Sacyma zurück, wo wir Machey zusammen aufhalten werden.“

Wobei er in seiner Nachricht von Sacyma sprach und damit den Namen für die Festung Sedíra verwendete, welche die Tukonen dafür benutzten, aus Gründen des Anstandes und der Trauer. Man verließ seinem Ratschlag folgend schnellstens die Festung. Und tatsächlich vermochte Dojolas Igíman es, in einer Schlacht vor Sedíra/Sacyma die Südländer zurückzuschlagen. Später trat in Aurost ein Rat zusammen, bestehend aus den Verbündeten von Rardisonan – Huálor, Emadé, Aurost und Tobjochen. Die vier Vertreter trafen sich im ehemaligen Thronsaal des Turmes.

Es geht das Gerücht um, dass Raréon tot ist“, sprach der König von Huálor und sah die anderen an.

Wir haben keinerlei Beweise“, warf Galand, Statthalter von Aurost und alter Freund Raréons, ein.

Habt ihr ihn in letzter Zeit denn zufällig mal wieder gesehen?“ fragte der König und verzog leicht das Gesicht.

Doch Galand musste den Kopf schütteln.

Raréon hat sich in seine Gemächer zurückgezogen, er lässt niemanden mehr zu sich oder mit sich sprechen“, erklärte er.

Und das nun schon vor vielen Wochen!“ rief Camón Anaruen von Emadé dazwischen und wanderte unruhig in der Halle umher.

Glaubt ihr denn wirklich, dass es ein Mann so lange allein, ohne Nahrung und Wasser, vermag am Leben zu bleiben?“ wandte er ein.

Camón war von seinem Vater Géri an dessen statt nach Aurost entsandt worden, da dieser krank auf dem Totenbett lag.

Raréon traue ich das durchaus zu“, sprach Galand mit fester Stimme.

Camón gab ein leicht sarkastisches Lachen von sich.

Meine Herren!“ ging Dojolas Igíman dazwischen und hob seine Arme.

Tatsache ist, dass dieses Bündnis einen Anführer entbehrt.“

Raréon hat es geschaffen, ohne Raréon wird es untergehen“, sprach da Galand düster und sah zu Boden.

Wollt ihr das wirklich zulassen?“ fragte Igíman die Versammelten, „Ohne Raréon wären wir damals im Chaos versunken und würden uns heute alle gegenseitig bekriegen, wenn nicht sogar ein anderes Reich oder gar wieder Mharef uns verschlungen hätten.“

Aber Raréon ist nicht mehr da, um uns zu beraten“, murmelte der König von Huálor nachdenklich.

Igíman sah ihn an.

Was wären Huálor und Lonir heute, hätten Raréon und das Bündnis ihm nicht geholfen? – Ich sage es euch: Futter für die Banditen Satens oder gar Mharefs Armee“, erklärte er.

Bedrückung machte sich auf dem Gesicht des Königs breit. Igíman sah Camón an.

Und Emadé? Ohne Raréon hätten Mharef und Chobogi es überrannt!“

Camón warf ihm finstere Blicke zu.

Niemals hätte er das tun können!“

Emadé ist schwach, ist es auf sich allein gestellt“, meinte Igíman.

Nun lief Camón rot im Gesicht an.

Emadé hätte Chobogi unterworfen, hätte Raréon es uns nicht untersagt! Aber er hatte ja genug mit den Problemen Tobjochens zu kämpfen!“

Und Dojolas Igíman, Herr von Tobjochen, sah ihn düster an.

Meine Herren! Euer Streit bringt uns nun auch nicht weiter“, warf Galand ein. „Wir wissen nicht, ob Raréon jemals wiederkommen wird. Ich aber bin nicht bereit, seinen Traum so einfach aufzugeben! Lasst uns jemanden wählen, der seinen Platz einnimmt, solange er weg ist!“

Igíman nickte ihm zustimmend zu; Camón blickte düster, der König von Huálor nachdenklich.

So sei es“, sprach letzterer schließlich und Camón schloss sich ihm bald widerwillig ebenso an.

Jeder von ihnen stand nun zur Wahl.

Ich stimme für Dojolas Igíman“, sprach Galand.

Ich schließe mich dem an“, ergänzte der König von Huálor.

Doch Camón sah die beiden wütend an.

Niemals wird Emadé Tobjochen folgen!“ rief er hitzig.

Doch ich nehme die Wahl an“, sprach aber Igíman.

So sei es!“ verkündete Camón mit zitternder Stimme, „dann tritt Emadé hiermit aus dem Bündnis aus!“

Und so kehrte er heim in seine Burg am Gumón. Doch Igíman schüttelte traurig den Kopf.

Und alles bloß wegen einem uralten Zerwürfnis“, bedauerte er.

Galand trat zu ihm und legte ihm mitfühlend eine Hand auf die Schulter.

Vermutlich musste es so sein. Lasst uns hoffen, dass Raréon wiederkehrt und ihn zur Vernunft bringt. So lange seid ihr, Dojolas Igíman, der neue Diener Tóls in diesen Landen!“

Doch Raréon sollte nie zurückkehren. Dojolas Igíman blieb stellvertretender Diener Tóls für den Rest seines Lebens.

Machey, der von der Schwäche seines nördlichen Gegners erfahren hatte, nutzte diese aus, um bis 2042 noch zahlreiche Male das Land anzugreifen. Doch Dojolas Igíman gelang es immer wieder, ihn zurückzuschlagen, nicht zuletzt dank der Hilfe von Galand, welcher nun Verwalter von Rardisonan und Aurost war, vereint als Rardisonán – Rars Nordland. Derweil verweigerte Emadé jegliche Hilfe, wobei Camón aber Feldzüge gegen Chobogi führte, nachdem sein Vater Géri Anaruen letztlich gestorben war.

Zehn Jahre später kamen Dojolas Igíman, Galand und der König von Huálor erneut zusammen.

Zehn Jahre sind nun vergangen, seit Raréon verschwand. Hat ihn seitdem jemals wieder jemand gesehen?“ fragte Igíman in die Runde.

Alle mussten verneinen.

Dann erkläre ich hiermit Raréon als verstorben; erhebt jemand in dieser Runde dagegen Einspruch?“ sprach er und sah sie nacheinander an, doch jeder schüttelte den Kopf.

Ihr seid damit nun sein Nachfolger“, erklärte Galand.

Ich hoffe, euch nicht zu enttäuschen“, entgegnete Igíman mit fester Stimme, doch ernsten Zweifeln in seinem Blick.

Wenige Wochen später gab es Abschiedsfeierlichkeiten in Rardisonan, Raréon zu Ehren. Auch Amant Emaior war geladen und erschien. Sie standen um ein aus gestapeltem Holz bestehenden Ruhebett, wo der Tradition der Juepen entsprechend Raréons Leichnam verbrannt worden wäre, diese Rolle aber nun eine Strohpuppe übernehmen musste. Alle, die sie Raréon gekannt hatten, Dojolas Igíman, Galand, der König von Huálor, Amant Emaior sowie zahlreiche Oberhäupter umgebender Dörfer, Händler, Offiziere und andere; alle standen sie um den Haufen und nahmen nacheinander stumm Abschied, bevor das Feuer entfacht wurde. Doch wurde nicht getrauert, es wurde gefeiert. Die ganze Nacht hindurch und in geringerem Umfange noch weitere vier Tage lang, bevor das Leben in diesen Landen seinen normalen Gang wieder aufnahm.

Zumindest für sechs Jahre lang ging es seinen normalen Gang, doch dann trafen schlechte Nachrichten aus dem Osten in Rardisonan ein, wo Igíman nun seinen Sitz hatte: Amant Emaior war schwer erkrankt. Igíman hatte keine Zeit zur Verfügung ihn selbst zu besuchen, doch entsandte er seine Grüße und Genesungswünsche. Wenige Monde später erreichte Rardisonan die Botschaft, dass Emaior seiner Krankheit erlegen sei. Man bestattete ihn nah seiner Burg, doch aus dem fernen Süden kam von Omé ein letztes Geschenk für den Verstorbenen. Zwei Jahre später erhielt Dojolas Igíman in Rardisonan erneut schlechte Nachrichten, diesmal aus dem nahen Westen. Camón Anaruen hatte die vergangenen Jahre über immer wieder heftig und voller Hass Mharef in Chobogi angegriffen, doch erzielte er kaum Erfolge bei seinen Bemühungen. Stattdessen schlugen Mharefs Armeen Camón letztlich zurück. Im Rausch des Erfolges beschloss Mharef, nun Aurost zurückerobern zu wollen.

Herr, Mharef zieht gen Aurost“, verkündete der Bote Igíman.

Dieser befand sich mit Galand gerade im alten Kartenraum von Rardisonan, wo auch Raréon früher oft gewesen war.

Dann werden wir ihn erwarten und zurückschlagen“, erklärte Galand und sah Igíman fest an.

Ich werde trotzdem mit meinen Einheiten aus Tobjochen und Rardisonan dazustoßen. Es wird Zeit, Mharef endlich zu vernichten“, ergänzte dieser.

Und so ward es dann. Mharef zog gen Aurost, wo Galand ihn bereits erwartete, doch sich schließlich in arger Bedrängnis sah. Von Süden, aus Tobjochen, wie von Norden, aus Rardisonan, fiel man Mharef in den Rücken. Sowohl Mharef, als auch Dojolas Igíman sowie Galand nahmen selber an der Schlacht vor Aurost teil. Endlich trafen Mharef und Igíman aufeinander, an einer sicheren Stelle fern der Kämpfe.

Mharef! Heute sterbt ihr!“ verkündete Igíman und lief mit erhobener Waffe wütend auf Mharef zu.

Doch dieser, selbst in Kampfausrüstung noch übermäßig ausgeschmückt, erwehrte sich seiner.

Sprecht, wer seid ihr? Wen werde ich hier töten?“ fragte Mharef seinen Gegner.

Ihr habt unser Volk lange genug versklavt! Ich bin Dojolas Igíman, Herr von Tobjochen!“ schrie Igíman im Zorn.

Ah, die kleinen Abtrünnigen!“ entgegnete Mharef zwischen den Schlägen.

Igíman brüllte nur wütend etwas und hieb weiter auf Mharef ein. Doch dieser lächelte nur siegessicher.

Ihr werdet für euren Verrat nun sterben“, sprach er.

Und so kamen von allen Seiten aus den Büschen um sie herum Krieger aus Chobogi auf Dojolas Igíman zu. Dieser fluchte ob dieser Hinterhältigkeit und erschlug einen Gegner nach dem anderen, doch letztlich übersah er einen ihrer Schläge.

Ruft die Truppen, wir ziehen uns zurück“, sprach Mharef zu seinen Hauptleuten, als es vorbei war und die Chobogen auf verlorenem Posten standen.

Sie ließen Dojolas Igíman sterbend zurück.

Dort ist er!“ rief einer der Männer Galand zu, welcher nach der Schlacht nach Igíman suchen ließ.

Lebt er?“ fragte Galand aufgeregt, doch wusste er die Antwort bereits.

Der Mann kniete neben Igíman und untersuchte ihn. Schließlich schüttelte er mit einem bedrückten Ausdruck im Gesicht den Kopf.

Eine spätere Versammlung von Galand, dem König von Huálor und den neuen Herren von Tobjochen und Rardisonan wählte letztlich den König von Huálor zum neuen Diener Tóls. Mharef sollte schließlich 2062 eines natürlichen Todes sterben, seinem hohen Alter erlegen. Doch Chobogi blieb noch lange ein Stachel in der Flanke Rardisonáns, bis auch dieses endlich dem aufsteigendem Reich von Rardisonán einverleibt wurde.

Südlich von Tobjochen, in Tukon, regierte zu dieser Zeit immer noch Lort Mytillin Machey, von Illort aus. Soumyl war bereits sieben Jahre zuvor bei einem Ausflug in die Berge umgekommen, doch Varman besuchte Machey oft in seiner Hauptstadt. Nachdem es keine Kriege mehr zu führen gab, wurde die Stimmung im Lande Tukon immer gespaltener.

Wir müssen Machey endlich beseitigen!“ forderte Garmyn lauthals.

Er befand sich in einer kleinen Gruppe von unzufriedenen Adligen und Offizieren. Sie alle saßen um einen Tisch in Garmyns Burg Vorra und besprachen genau dieses Vorhaben. Bei Garmyns Worten ging ein zustimmendes Raunen durch den Saal.

Und wie wollt ihr dies anstellen?“ fragte einer der Adligen, ein Ikalt.

Ihr wollt tatsächlich den Lort töten?“ unterbrach ein Hauptmann, ein Tellic.

Das wird nicht einfach werden“, überlegte ein niederer Adliger, ein Lentro.

Doch Garmyn hob die Arme und brachte sie alsbald zum Schweigen.

Ich werde Machey um eine Anhörung bitten und sie bekommen. Ich werde ihn in ein ruhiges Zimmer locken, wo drei von euch warten werden. Die anderen werden uns Wege eröffnen, die Wache des Palastes auf unsere Seite zu ziehen“, erklärte Garmyn.

Es gab nun noch weitere Einzelheiten zu erörtern, doch geschah das erst später.

Wenn dies nicht blanker Wahnsinn ist, den Lort zu stürzen“, murmelte ein anderer niederer Adliger, ein Asep.

Ich werde euer Lort sein“, warf Garmyn ein, „und wer daran zweifelt, muss weichen!“

Da verstummte der Asep plötzlich.

Doch wird das Volk euch auch folgen?“ fragte ein Lard mit unsicherem Blick.

Das Volk folgt jedem, der es führt, und so werdet auch ihr“, antwortet ihm Garmyn düster.

Und da verstummte auch der Lard.

Und was ist mit den anderen Adligen? Sie werden sich gegen euch erheben!“ ermahnte der siebte in der Runde, ein Dargan.

Deshalb hab ich euch und eure Verbündeten – Kämpfe werden unvermeidlich sein!“ sprach Garmyn und ließ seine Faust auf den Tisch knallen.

Auch der Dargan verstummte da. Nachdem schließlich alle ruhig waren und ihn ansahen, erklärte Garmyn den Rest seines Planes.

In den Frühlingsmonden besuchte Garmyn den Lort Machey in dessen Hauptstadt Illort. Nachdem Sedíra – oder Jamíra – damals verschwunden war, wurde Machey mit den Jahren immer verbitterter und ließ seine Laune an allen, vor allem aber den Adligen und seinem Nachbarreich Tobjochen aus. Dementsprechend missmutig empfing er seinen alten Gegner Garmyn. Varman weilte zu dieser Zeit in seiner Burg Linroc in den Bergen und war fern des Geschehens. Im Palast von Illort sah sich Machey von Feinden umzingelt, doch ahnte nichts.

Garmyn, alter Freund, was wollt ihr?“ begrüßte Machey diesen bissig, in seinem Thronsaal im Palast sitzend.

Garmyn verbeugte sich nur kurz.

Lort – ich muss mit euch sprechen, doch unter zwei Augen.“

Machey sah ihn misstrauisch und zugleich nachdenklich an.

Worum geht es denn?“

Doch Garmyn musste den Kopf schütteln.

Es tut mir Leid, ich muss es euch unter vier Augen sagen“, sprach er und warf vieldeutige Blicke auf die Diener und Bittsteller im Saal.

Nun, das geht jetzt nicht, kommt bitte später wieder“, winkte Machey ab und wandte sich anderen Dingen zu.

Doch Garmyn sah sich durch dieses noch nicht geschlagen. Am selben Tage noch fand Machey aber keine Zeit mehr für ihn, doch Tags darauf befand sich Garmyn wieder bei ihm.

Lort Machey, ich muss euch unter vier Augen sprechen“, fing er wieder an.

Nein, ich habe keine Zeit, doch wie wäre es nächste Woche? Ist das für euch in Ordnung?“ speiste Machey ihn wieder ab.

Und eine Woche darauf stand Garmyn erneut bereit.

Lort Machey, es ist dringend, ich muss euch sprechen“, sprach Garmyn, mittlerweile etwas gereizt von Macheys Spielchen.

Doch dieser lächelte ihn bloß an.

Natürlich, lieber Garmyn. Gehen wir doch in meine Räume!“ sprach Machey, legte Garmyn fröhlich einen Arm auf die Schulter und geleitete ihn.

Während ihres Ganges stiegen Gedanken in Garmyn auf. Hatte Machey von seinem Verrat erfahren? Spielte er nur ein Spiel mit ihm, bereit, ihn in einen Saal voller Wächter zu bringen, wo er verhaftet oder gar getötet werden würde? Warum bloß war Machey solch guter Laune? Doch als sie seine Räume erreichten, waren diese leer. Machey setzte sich in einen ledernen Sessel und sah Garmyn weiter lächelnd an.

Nun denn, werter Garmyn, worum geht es bei eurem Besuch?“

Sein Lächeln verunsicherte Garmyn völlig, doch hielt dieser an seinem Vorhaben fest. Wie verabredet traten nun drei von Garmyns Verbündeten in den Raum, welche ihnen hierher gefolgt waren. Da versagte Macheys Lächeln schließlich doch.

Was soll das werden?“ fragte er nun ernst.

Ihr habt bereits zu lange dieses unseres Land unterdrückt. Nun ist es an uns, unser Recht zurückzufordern“, erklärte ihm Garmyn.

Machey wollte sich erbost aus seinem Sessel erheben, doch die drei Ankömmlinge hielten ihn zurück und drückten ihn nieder.

Garmyn! Dafür werdet ihr bezahlen!“ brachte Machey erbost hervor und versuchte sich seiner zu erwehren, doch vergebens.

Das glaube ich nun aber nicht“, erwiderte Garmyn eisig.

Er baute sich vor Machey auf, einen ernsten Ausdruck im Gesicht, und brachte einen Dolch zum Vorschein. Während Machey sich ein letztes Mal verzweifelt aufbäumte und einer der Verbündeten Garmyns ihm den Mund zuhielt, stach Garmyn ihm den Dolch in das Herz. Machey war fast augenblicklich tot. Garmyn sah seine Verbündeten an.

Nun der nächste Schritt!“

Sie eilten in den Thronsaal, wo Garmyn die Stufen zum Thron erklomm. Seine drei Verbündeten flankierten ihn.

Hört her!“ forderte Garmyn die Handvoll anwesender Adligen und Bittsteller auf, „Machey ist tot und ich übernehme fortan die Regierungsgeschäfte!“

Ein Raunen ging durch die Anwesenden, vereinzelt wurden sogar Waffen gezogen. Doch da betraten die anderen Verbündeten Garmyns den Raum, versperrten die Eingänge und zogen ihre eigenen Waffen.

Was soll das?“ rief da einer der Anwesenden.

Garmyn schenkte ihm nur einen kurzen Blick, bevor er sich an alle wandte.

Macheys Herrschaft ist nun zu Ende und ich bin euer neuer Lort“, verkündete er nur.

Doch dies schaffte er erst dadurch, dass er die Wachen des Lorts und Illorts bald auf seine Seite ziehen konnte. Viele der Adligen des Landes beugten sich Garmyn, sowie dieser seine Streitmacht vorführte, andere wechselten bereits zuvor in sein Lager. Doch gab es natürlich auch Widerstand, vor allem in dem Gebiet um Karra, Linroc, sowie auch im Westen.

Sofort als er von Garmyns Machtergreifung und Verrat erfuhr, sammelte Varman treue Anhänger Macheys sowie Gegner Garmyns um sich in Linroc.

Garmyn ist ein Verräter, ihm gebührt der Tod!“ verkündete einer der Adligen der Runde bei der ersten Versammlung und schlug wütend mit seinen Fäusten auf den Tisch.

Dem stimmen wir wohl alle hier zu, doch wie sollen wir an ihn ran kommen? Die Garde Illorts schützt ihn“, stellte ein anderer ruhig fest.

Nun erhob Varman sich und sprach vor den Versammelten.

Wir werden ihn in Illort angreifen müssen. Wenn wir unsere Kräfte vereinen, können wir es schaffen. Besonders, da einige der Adligen die zu Garmyn übergelaufen sind, dies nur aus Angst taten und uns helfen werden.“

Und sie besprachen noch die ganze Nacht hindurch ihre Pläne und anderes wichtiges. Einige Wochen später dagegen standen sie mit ihren Streitkräften vor den Mauern Illorts. Natürlich hatte Garmyn sie erwartet und natürlich hatte er die Stadt befestigen lassen und seine Truppen darin zusammengezogen. Es kam zur großen Schlacht von Illort, als Garmyn, um die Stadt selber zu schonen, bereits frühzeitig seine Truppen ausrücken ließ. Garmyn selbst beobachtete das Geschehen von den Überresten der Tukonmauer aus. Varman erblickte ihn dort bald, kämpfte sich einen Weg zu ihm herauf und stand seinem Gegner schließlich auf der Mauer gegenüber.

Varman, ihr Verräter! Noch ist Zeit, sich mir anzuschließen!“ begrüßte ihn dieser herablassend.

Doch Varman erhob nur sein Schwert.

Sicherlich nicht. Denn ihr seid der Verräter von uns beiden, und nun werdet ihr hier und heute endlich sterben!“

Auch Garmyn erhob nun sein Schwert.

Wer hier sterben wird, werden wir ja noch sehen. Verrietet ihr doch einst Karra und Enreesa, als ihr Machey hier duldetet!“

Statt zu antworten schlug Varman nach Garmyn, was dieser aber abwehrte. Schlag auf Schlag folgte so und oftmals blieb unter ihnen, am Fuße der Mauer, ein Einzelkampf kurz ruhen, als man aufblickte und ihrem Kampf gebannt folgte. Doch irgendwann war einer der Schläge Garmyns für Varman zu hart. Er wehrte ab, doch stolperte und verlor das Gleichgewicht. Mit rudernden Armen fiel er die Mauer rücklings hinab in die kämpfende Menge, die ihm, erschrocken und sich selbst schützend, Platz machte.

Nein!“ geschrien und lang gezogen, sollte Varmans letztes Wort sein.

Ohne ihren Anführer verließ die anderen schnell der Mut. Die Anhänger Garmyns, die Varman helfen und zu diesem überlaufen wollten, ließen von ihrem Vorhaben ab und viele von Varmans eigenen Verbündeten ergaben sich. Der Rest wurde gnadenlos niedergemacht oder floh in die Berge im Süden.

Nun bin ich euer Herrscher, nun stellt sich mir niemand mehr in den Weg“, stellte Garmyn leise und nachdenklich fest, als er zu Varman hinab sah.

Doch er sollte nicht völlig damit Recht haben, gab es hiernach doch immer wieder Unruhen und Aufstände in den verschiedenen Teilen des Reiches von Tukon. Doch hierzu mag ein andern Mal berichtet werden. Garmyn herrschte noch bis zu seinem natürlichen Tode im Jahre 2076. Einer seiner Nachfolger benannte das Reich schließlich um in Machey, diesem zu Ehren.

XIII: Die Heimkehr

Besetzung: Tól & Omé, Lían, Silön, Alaun Isúm, Theloí Isúm, Thaléon Balouron, Canoud Velieun, Offiziere, ein Diener, ein Bote, Adlige von Silour, Einwohner von Lían, Krieger.

Orte: Burg Raí, Maggin, Lían, Silour, Darôn

Ein Jahr nach den Ereignissen in Tukon beschlossen viel weiter südlich Lían und Alaun Isúm, ein enger Freund von ihr, eine Reise zu machen, um sich von den Staatsgeschäften von Líans Eltern zu erholen. Bald kamen sie dabei zur Burg Raí, die nun seit Jahrzehnten einsam und verlassen da stand.

Hier war ich seit meiner Kindheit nun schon nicht mehr“, murmelte Lían leicht ehrfürchtig beim Anblick des nun alten Gemäuers und erinnerte sich an die letzten Erlebnisse hier mit Amant Emaior und ihrem Bruder Raí.

Alaun warf einen nachdenklichen Blick den Pfad zur Burg hinauf und sah Lían an.

Was meinst du, sollen wir mal nachsehen, wie es dort nach all den Jahren wohl aussieht?“ fragte er abenteuerlustig.

Doch ohne eine Antwort abzuwarten, setzte er sich in Bewegung. Lían warf der Burg einen argwöhnischen Blick zu, bevor sie ihm folgte.

Hier wachten einst die Soldaten von Tól und Omé, eh mein Bruder Raí, nach welchem die Burg benannt ist, sein Leben lassen musste“, erklärte Lían mit einem traurigen Unterton in der Stimme, während sie das Tor zum Innenhof durchschritten.

Alaun warf ihr ein warmes, aufmunterndes Lächeln zu.

Sieh mal, eine versiegelte Tür“, machte er sie auf eine eben solche in einer Mauer aufmerksam.

Es war aber weniger eine Tür, denn mehr ein zugemauerter Durchgang. Lían gesellte sich zu ihm.

Hier ließ sich vor sechsundzwanzig Jahren Gaunus beisetzen, der erste, älteste und treueste Anhänger meiner Eltern. Ich war bei der Trauerfeier leider nicht zugegen“, erläuterte sie ihm, dem um Jahre Jüngeren.

Ehrfürchtig strich Alaun mit einer Hand über die eiserne Platte, die man neben der Gruft befestigt hatte und welche ihnen in Gaunus Muttersprache ebendieses Gesagte zu erklären versuchte. Sie setzten ihren Weg fort und saßen alsbald auf den Zinnen des höchstens Turmes, von wo aus sie das unter ihnen liegende Land bis zum fernen Gantrott bestens überblicken konnten, welcher sich wie ein blaues Band durch die grünen Felder schlängelte. Lían deutete auf einen fernen Punkt am Fluss.

Dort hinten muss irgendwo Maggin liegen“, sprach sie.

Alaun kniff die Augen zusammen, in dem vergeblichen Versuch, etwas erkennen zu wollen.

Wie es wohl meinem Bruder gerade geht? Ich habe ihn seit seiner Beförderung nur noch selten gesehen“, überlegte er laut.

Theloí Isúm war seit kurzer Zeit der neue Befehlshaber der Truppen von Tól Omé.

Lían lachte kurz fröhlich auf und sprach: „Er muss sich vermutlich den ganzen Tag die Belehrungen von Malont Déaron anhören. Er ist zwar nun schon seit Jahren im Ruhestand, doch meint er noch immer, der bessere für diese Aufgabe zu sein.“

Déarons beste Tage sind nun allerdings schon lange vorbei. Ein Wunder, dass er noch weiter unter uns weilt“, entgegnete Alaun stichelnd.

Lían lachte nur wieder.

So schnell wird Malont Déaron niemals aufgeben, glaube mir“, versicherte sie ihm.

Alaun zuckte mit den Schultern und grinste sie an.

Immerhin hat er uns die letzten Jahre oft vor Silön und den Ostländern bewahrt“, gab er zu.

So wie es seitdem nun dein Bruder Thelói tut“, sprach Lían.

Alaun nickte ihr zu, dann sah er nachdenklich gen Ost.

Was gibt es eigentlich Neues von den Ostländern? Irgendwelche Erfolge in letzter Zeit?“ fragte er.

Lían schüttelte mit bedauernder Miene den Kopf.

Seit den ersten Kontakten mit Yalame und den anderen Reichen damals gibt es nur noch Probleme mit ihnen. Jegliche Versuche auf friedlichem Wege mit ihnen zu verhandeln scheitern und noch immer lassen sie es zu, dass Banditen unsere Händler und andere Reisende überfallen. Doch haben wir weder Beweise, noch wollen meine Eltern mit Waffengewalt gegen sie vorgehen. Sie versuchen es lieber weiter mit Angeboten und reiner Vernunft“, erklärte Lían es ihm.

Alaun seufzte tief.

Und so hat Thelói eine weitere Aufgabe zur Verteidigung dieser Länder.“

Ein Vogel kam angeflogen und setzte sich hinter ihnen auf das Dach des Turmes. Das Tier schien sie völlig zu ignorieren und machte es sich bequem. Beide sahen ihm dabei kurz zu.

Das ist ein Vogel aus dem Westen“, erklärte Lían.

Was er hier wohl zu suchen hat?“ fragte sich Alaun laut.

Vielleicht bringt er ja Kunde aus Lurruken“, sprach Lían.

Da erhob sich der Vogel, krächzte einmal kurz, und hob ab, um irgendwo anders hin zufliegen.

Was er wohl hat?“ fragte Alaun.

Wir haben lange keine Kunde mehr aus Lurruken bekommen. Es heißt, Tamirús ist verschwunden, Tamilor verlassen und das Land zerbrochen in kleinere Reiche“, sprach Lían.

Alaun schwieg und blickte dem Vogel hinterher.

Das goldene Zeitalter ist vorbei. Es wird sich zeigen, ob wir etwas dazu beitragen können, die Welt vor einem dunklen zu bewahren“, ergänzte Lían nachdenklich.

Ich schätze, wir werden hart dafür arbeiten müssen“, meinte Alaun.

Das befürchte ich auch. Sieh dir nur den Schiffsverkehr an! Früher gab es Reisen bis weit in den Süden und Westen. Doch heute? Die Schiffe müssen sich nah an die Küsten halten, da sie sonst hoffnungslos verloren gehen würden“, sprach Lían und seufzte tief.

Doch gibt es auch Lichtblicke! Sieh dir nur die Arbeit von Amant Emaior und Raréon an!“ warf da Alaun ein.

Von denen wir ewig nichts mehr gehört haben. – Es heißt, sie seien tot oder von dieser Welt verschwunden“, sprach Lían düster.

Denk lieber an das Gute“, ermahnte Alaun sie.

Lían blickte ihn kurz an, doch nickte dann.

Dies Land zu schützen ist unsere Aufgabe“, sprach Lían und blickte wieder auf die Ebene mit dem blauen Band.

Sie saßen noch eine Weile hoch droben auf dem Turm und verbrachten anschließend die Nacht in der Burg, bevor sie am nächsten Tag weiter reisten. Über Ahém waren sie gekommen, und so ward ihr nächster Halt Maggin.

Alaun! Bruder! – Und werte Lían!“ begrüßte Thelói Isúm sie bei ihrer Ankunft in der Stadt.

Er umarmte Alaun stürmisch, um ihn daraufhin genauer anzusehen. Er sah ernst aus, trotzdem merkte man ihm die Freude an, seinen Bruder wieder zu sehen.

Wir erwarten euch bereits seit Tagen!“

Alaun grinste ihn an.

Was gibt es denn so wichtiges, Bruder?“

Doch Thelói winkte vorerst ab und wandte sich seiner Begleiterin zu.

Ich erkläre es euch später. – Werte Lían!“ sprach er und verbeugte sich vor ihr.

Diese warf ihm ein freundliches Lächeln zu.

Lasst uns durch die Stadt zum Hügel gehen, dann kann ich euch alles erklären. Derweil bringen meine Diener eure Tiere samt Gepäck schon mal zu euren Unterkünften“, sprach er und gab entsprechende Anweisungen.

Und so setzten sie sich in Bewegung durch die Stadt bis zu dem Hügel außerhalb von dieser, wo einst Amant Emaior und Silön gegeneinander gekämpft hatten.

Wie steht es mit unseren Nachbarn?“ wollte Alaun nun auch von seinem Bruder wissen, als sie sich in Bewegung setzten.

Thelóis Blick blieb weiter ernst.

Aus Yalame und den anderen östlichen Reichen hören wir derzeit kaum noch etwas. Es scheint aber, dass Silön sich bereit macht. Entweder, um die Ostreiche oder um uns anzugreifen. Und genau darum wird es vermutlich gehen“, sprach er nachdenklich.

Wird es wo gehen?“ fragte nun auch Lían.

Thelói zögerte kurz, während er sich die Worte zurecht legte.

Vor wenigen Tagen erreichte uns hier ein Bote von Tól und Omé. Sie wollen mich aber auch euch beide sprechen. Ich vermute, dass es dabei um Silön gehen wird.“

Und deshalb hast du uns also erwartet“, erkannte da Alaun.

Ist es denn so dringend? Wir wären doch eh noch zu ihnen gekommen“, ergänzte Lían.

Thelói warf in einer ahnungslosen Geste die Hände gen Himmel.

Es scheint zumindest so, sonst hätte man mir wohl kaum aufgetragen, euch zu benachrichtigen und mit euch zu ihnen zu kommen“, überlegte er.

Dann sollten wir vielleicht lieber sofort noch abreisen“, schlug Lían vor.

Alaun warf ihr einen ebenso entsetzten wie ablehnenden Blick zu.

Ah, bloß nicht! Mir tut immer noch alles weh von der Reise hierher. Können wir nicht wenigstens noch ein oder zwei Tage hier bleiben und uns ausruhen?“ fragte er hoffnungsvoll mit Blick zu seinem Bruder, aber auch Lían.

Doch diese schüttelte den Kopf.

Wenn es dringend ist, müssen wir sofort los“, sprach sie.

Doch Thelói fiel ihr ins Wort.

Ich hatte eh geplant, erst morgen abzureisen. Erholt euch diese Nacht über lieber, morgen reisen wir dann von hier ab. Die paar Stunden können wir uns noch nehmen, da man uns nicht so früh bei deinen Eltern erwartet. Und nun erzählt mir endlich von eurer Reise und euren Erlebnissen“, schlug Thelói vor und wurde mit einem zutiefst dankbaren Blick seines Bruders belohnt.

Alaun begann sofort begeistert ihm von den letzten Wochen zu erzählen, manchmal wohlwollend ergänzt von Lían. Nach ihrer Ankunft auf dem Hügel zeigte Thelói den beiden das steinerne Denkmal, das hier in Angedenken an die damalige Schlacht und zu Ehren des verstorbenen Amant Emaior errichtet worden war. Später gingen sie zurück in die Stadt, zu den alten Kasernen, wo die Anführer der Armee von Tól und Omé nun schon seit Jahren ihren Stützpunkt hatten.

Tags darauf ging es los in Richtung der Stadt Lían. Diese hatte sich seit Raréons Abreise nur noch unwesentlich verändert. Im Gegensatz zu Maggin und dem Hafen Ahém blieb sie weiter unbefestigt und war nur leicht angewachsen. Die Drei wurden von den Anwohnern aber sofort erkannt und begrüßt. Ohne große Umschweife begaben sie sich direkt zur Versammlungshalle, wo ein Diener sie begrüßte.

Herrin Lían, Herren Thelói und Alaun – Tól und Omé sind von eurer Ankunft unterrichtet worden und werden euch hier morgen nach dem Mittag erwarten“, sprach er kurz.

Ich würde aber noch heute gerne zu meinen Eltern“, warf Lían ein.

Der Diener sah sie mehr missbilligend denn bedauernd an.

Sie haben mir aufgetragen, heute noch niemanden vorzulassen. – auch euch nicht!“ antwortete er.

Stattdessen mussten die Drei ausweichen auf ihre Zimmer im Gästehaus neben der Versammlungshalle. Gesandte aus anderen Städten befanden sich ebenfalls hier und warteten auf ihre jeweiligen Ansprachen bei Tól und Omé. Pünktlich zum nächsten Tag fanden sie sich wieder vor der Halle ein. Auch der Diener war wieder vor Ort. Diesmal aber verbeugte er sich vor ihnen.

Tól und Omé erwarten euch bereits.“

An ihrem gewohnten Platz in der Halle stehend, erwarteten Tól und Omé die Drei tatsächlich.

Seid willkommen“, sprach Tól.

Die Gebrüder Isúm verbeugten sich so denn vor ihm.

Verehrter Tól“, sprachen sie wie aus einem Munde.

Alaun und Thelói Isúm, wir haben euch erwartet“, sprach Tól.

Doch Omé löste sich von ihrem Platz und ging auf ihre Tochter zu, sie umarmend.

Es tut gut, dich wiederzusehen“, sprach sie.

Nun kam auch Tól zu ihnen und legte seiner Tochter eine Hand auf die Schulter, während Omé die Umarmung löste.

Ja, das tut es, doch haben wir wichtiges zu besprechen“, sprach er.

Alaun und Thelói derweil hatten sich wieder erhoben.

Herr, weshalb habt ihr uns gerufen?“ fragte Thelói.

Tól wandte sich ihm zu, um ihn mit seinem üblichen ernsten Blick fest anzusehen.

Wie ihr, Thelói, sicher am besten wisst, rührt sich Silön derzeit wieder. Lang genug schon haben wir Silöns Treiben nun zugesehen. Es wird Zeit, Silön endlich zu strafen, diese Bedrohung für unser Volk endlich zu beenden und für endgültigen Frieden in diesen Landen zu sorgen. Darum bereitet ihr, Thelói, den Schlag gegen Silön vor. Sorgt dafür, dass ihr so bald wie möglich losziehen könnt“, sprach Tól.

Thelói blickte nachdenklich, doch wenig überrascht. Er nickte.

Herr, wie ihr wünscht. Wir werden bald bereit sein“, antwortete er.

Tól nickte zufrieden und wandte sich dann an Alaun.

Und ihr, Alaun Isúm, werdet in der Zeit seiner Abwesenheit seine Aufgabe übernehmen, von Maggin aus über das Land wachen und es vor den Ostländern schützen“, sprach Tól.

Und auch Alaun nickte nur.

Herr, wie ihr wünscht“, antwortet er ergeben.

Doch nun trat Lían vor und verschaffte sich Gehör.

Vater, ich werde Thelói begleiten. Ich will helfen, Silön zu vertreiben“, verkündete sie fest, und Alaun warf ihr einen überraschten und zugleich besorgten Blick zu.

Nein Lían, wir werden dich hier in der Stadt brauchen“, sprach da Tól.

Aber Vater…!“ empörte sie sich.

Da rührte sich Omé und legte ihrer Tochter beide Hände auf die Schultern.

Lían, höre auf deinen Vater“, sprach sie sanft.

Und Lían beugte sich ihnen.

Sie besprachen noch eine Weile die Vorgehensweise in den nächsten Monden. Mit Vollmächten ausgerüstet reisten die Gebrüder Isúm bereits am nächsten Tag wieder ab, um in Maggin alles vorzubereiten, während Lían bei ihren Eltern blieb, sich aber sehnend, Alaun und Thelói zu begleiten. Diese brauchten mit ihren Vorbereitungen nicht all zu lange, doch riefen sie alle zusammen, die freiwillig bei dieser gewaltigen Aufgabe teilnehmen wollten. Und es meldeten sich Zahlreiche, die bald alle vor Maggin lagerten. Die bisher größte Armee von Tól und Omé sollte sich versammeln, befehligt von Thelói Isúm. Im Spätsommer des Jahres 2071 zogen sie dann los.

Bereits kurze Zeit nach der Zusammenkunft in der Versammlungshalle in Lían rührten sich in Silour die Boten. Bald darauf betrat Thaléon Balouron das Arbeitszimmer von Silön. Silön durchsuchte gerade die Regale nach einem Buch und ließ sich von Balouron nicht weiter stören.

Was gibt es Neues, Thaléon?“ fragte Silön, ohne sich auch nur einmal zu ihm umgedreht zu haben.

Balouron sprach nun mit Silöns Rücken.

Silön, es trafen Neuigkeiten aus dem Norden ein. Scheinbar rühren sich Tól und Omé.“

Nun, dann sollen sie sich nur rühren, wir werden sie erwarten und gebührend empfangen“, sprach Silön mit fester Stimme.

Aber es scheint, dass sie nun zu einem endgültigen Schlag ausholen wollen“, erwiderte Balouron.

Nun drehte sich Silön endlich um und sah Balouron fest an.

Wir werden sie erwarten und ebenso endgültig zurückschlagen. Lass die Feste sowie Darôn befestigen und zieh alle verfügbaren Truppen in Darôn zusammen. Ich werde dorthin reisen und dir die Befehlsgewalt über die Feste übertragen. Ich werde sie dort in Darôn erwarten. Doch wenn ich die Stadt nicht halten können sollte, ziehe ich mich hierher zurück“, sprach Silön.

Wie ihr befehlt“, antwortete Balouron und verbeugte sich förmlich.

Im Spätsommer des Jahres 2071 schließlich nahm die Armee von Tól und Omé nahezu sofort die freie Stadt Diméo ein; niemand wagte es Widerstand zu leisten. Auf dem folgenden Weg gen Arsen verwickelte Silön sie ständig in kurze, schnelle Scharmützel, doch bremste man ihren Weg damit nur leicht ab. Arsen fiel schnell, da alle Truppen Silöns in Darôn warteten. Bald war es soweit, dass Thelói Isúm mit seiner Armee die Stadt Darôn belagerte. Silön war umzingelt. Thaléon Balouron beschloss, die Feste zu verlassen um den Feinden vor Darôn in den Rücken zu fallen. Silour selbst sollte nun Canoud Velieun übernehmen, ein Helfer und Vertrauter von Balouron und zu dessen Nachfolger bestimmt. Thelói Isúm ließ zahlreiche Botschaften per Pfeil in die Stadt Darôn schießen, dass man sich ergeben solle, doch nie kam eine Antwort.

Sie werden sich niemals ergeben“, stellte einer seiner Hauptleute eines Tages fest.

Sie standen auf einer Anhöhe, von der aus man die Stadt sehen konnte. Thelói seufzte.

Doch müssen sie es. Ich wage nicht, die Stadt geradewegs anzugreifen. Zu viele würden dabei sterben, zu sinnlos wäre dies“, sprach er.

In diesem Moment kam ein Bote hinzu, schwer keuchend und sich eilend.

Herr, eine feindliche Armee rückt von Süden her an“, japste er.

Thelói verzog das Gesicht.

Woher kommen sie, wie viele sind es, wer führt sie?“ fragte er in drängendem Tonfall den armen Boten.

Dieser deutete gen Süden.

Aus Silour dürften sie kommen. – Silöns Berater Balouron scheint sie anzuführen. – Es sind mehrere Hundertschaften.“

Thelói trat wütend gegen einen Busch.

Das fehlt uns alles gerade noch. Lasst mich kurz nachdenken.“

Und dies tat er und ein Plan ward geboren. Nun schneller und ernster sprechend wandte er sich an seinen Hauptmann.

Lasst die Truppen sich fertig machen. Mit zwei Dritteln gehen wir ihnen entgegen. Der Rest hält hier die Belagerung. Und lasst die Katapulte vorbereiten und die Stadt beschießen. Silön darf nicht aus ihr ausfallen, solange wir gegen Balouron kämpfen.“

Der Mann verneigte sich als Zeichen der Zustimmung: „Wie ihr befiehlt.“

Thaléon Balouron war bereits sehr nah, weshalb Thelói Isúm noch am selben Tag ausrückte, ihm entgegen. Gegen Abend trafen sie aufeinander, Balouron stark in der Unterzahl, und so dauerte die Schlacht dann auch nicht lange.

Wer ist das?“ fragte Thelói nach der Schlacht einen seiner Hauptleute, über einer schwarz gewandeten Gestalt stehend, die aus der Menge gefallener Krieger sogleich heraus stach, doch ebenso tot am Boden lag.

Herr? – Das muss ihr Anführer sein, Thaléon Balouron“, antwortete ihm sein Hauptmann.

Thelói hockte sich neben dem Toten nieder und sah ihm in die dunklen, toten und gebrochenen Augen.

Wie warst du wohl im Leben? Sicherlich hätten wir Freunde sein können, gäbe es diese kleinlichen Streitereien nicht, darum, wer nun auch immer Recht hat – und um die Macht“, murmelte er traurig.

Und mit einem ebenso traurigen Blick schloss er Balouron die Augen und legte ihm seine Waffe auf die Brust. Sich wieder erhebend, wandte er sich an seine Hauptleute.

Lasst die Truppen sofort wieder zur Stadt zurückkehren. Die nur leicht Verletzten sollen sich um die schwerer Verletzten kümmern“, ordnete er mit fester Stimme an, doch blickte er bald wieder Balouron an.

Es ward Nacht, bis sie zum Lager vor Darôn zurückkehrten. Alle dort waren in heller Aufregung. Verletzte wurden herum getragen, Kämpfer liefen hin und her, die Katapulte feuerten weiter Steine und Bogenschützen Brandpfeile auf die Stadt ab. Von der Anhöhe aus konnte Thelói die Stadt brennen sehen. Zahlreiche Gebäude standen in Brand. Lücken klafften in der Stadtmauer, von den Katapultgeschossen geschlagen. Zwischen dem Lager und der Stadt gab es zahlreiche Anhäufungen von kleinen Kämpfen.

Was ist geschehen?“ fragte Thelói ungeduldig den Hauptmann, dem er den Befehl über das Lager übertragen hatte.

Kaum wart ihr abgezogen, da wagte Silön einen Ausfall. Unsere Katapulte und Bogenschützen konnten sie größtenteils zurückschlagen, den Rest haben unsere Kämpfer erledigt“, erklärte dieser.

Und warum brennt nun die ganze Stadt? Dort befinden sich auch Unschuldige!“ stellte Thelói mit unterdrückter Wut fest.

Der Hauptmann machte eine abwehrende Handbewegung.

Der Hass der Leute auf Silön ist zu groß, ich konnte sie nicht davon abhalten“, entschuldigte er sich.

Thelói seufzte enttäuscht und ergeben. Er wandte sich an all seine Hauptleute zusammen.

Wir greifen sofort die Stadt an, es muss nun beendet werden!“

Alle grüßten ihn und eilten so denn davon. Thelói sah die Stadt weiterhin brennen, den Himmel und die Nacht rot erleuchtet. Und er ward traurig.

Die ganze Nacht hindurch dauerten die Kämpfe an. Am Ende lebte kaum noch etwas in der Stadt. Die Mauern waren vollständig niedergerissen, die Häuser abgebrannte Ruinen. Lediglich die Kasernen standen noch, und genau dort wurde auch Silön vermutet. Es war still geworden, da Silön sich verschanzte, kaum noch Truppen hatte. Viele waren bereits tot oder geflohen. Auch von Thelóis Leuten waren nur noch wenige wirklich kampfbereit. Er selber saß immer noch oben auf der Anhöhe und starrte wehmütig auf die zerstörte Stadt Darôn an der Nechdra. Da spürte er plötzlich jemanden hinter sich stehen.

Steht auf, Thelói Isúm“, sprach Tól.

Überrascht sprang der Angesprochene auf, um sich ebenso schnell wieder vor Tól und Omé zu verbeugen. Verwundert blickte er sich um.

Herr und Herrin… – warum? – woher? – …“, stammelte er.

Tól und Omé sahen aus wie immer, als würden sie alle gerade in der Versammlungshalle in Lían stehen, welches sie seit über siebzig Jahren nicht mehr verlassen hatten. Jedenfalls soweit es Thelói wusste.

Wir sind hier, um Silön zurück zu bringen. Ihr habt uns gute Dienste geleistet, doch nun lasst eure Leute sich zurückziehen“, sprach Tól.

Aber Silön hat noch Truppen bei sich. – Es ist nicht sicher für euch“, warf Thelói besorgt ein.

Habt keine Angst um uns“, sprach Omé warm und lächelte.

Thelói nickte langsam und ergeben.

Ich werde meinen Leuten sagen, dass sie von der Stadt ablassen sollen“, sprach Thelói.

Er wandte sich ab, einen Boten zu suchen, der seine Befehle verbreiten solle. Als er schließlich wieder zur Anhöhe zurückkehrte, waren Tól und Omé verschwunden. Thelói setzte sich wieder auf einen Stein um zur Stadt zu schauen. Und während über den Ruinen von Darôn langsam die Sonne aufging, schlief er erschöpft ein.

Wir sollten uns ergeben, wir sind verloren!“ kam es in leicht schrillen Tonfall von einem Kämpfer.

Nein, sind wir nicht“, entgegnete Silön verärgert.

Doch sahen die Tatsachen etwas anders aus. Nur noch wenige Dutzend von einst zig Hundertschaften waren verfügbar, um die Mauern der Kaserne gegen die Feinde zu verteidigen. Der gegnerische Befehlshaber hatte die Anlagen bisher vom Katapultfeuer verschont, doch waren bereits viele von Silöns Anhängern geflohen.

Ich habe noch einen letzten Plan. Doch dazu muss ich nun eine Weile allein sein“, sprach Silön und ging ab, um im Inneren der Gebäude zu verschwinden.

Tut wie euch geheißen!“ befahl Silöns verbliebener höchster Hauptmann, als die Krieger nur zweifelnd und ängstlich Silön nach sahen.

Silön kam in eine große, nun dunkle und völlig leere Halle. Doch nicht gänzlich verlassen.

Es ist vorbei“, sprach da Tól.

Silön drehte sich überrascht um und sah Tól verkniffen an.

Es ist lange noch nicht vorbei. Ich kann es noch schaffen!“ antwortete er und wollte weitergehen.

Doch nun kam auch Omé von der anderen Seite und stellte sich Silön in den Weg.

Lass es sein. – Wir müssen endlich heim“, sprach Omé sanft.

Silön setzte einen flehenden Blick auf.

Aber ich bin doch noch nicht fertig!“ heulte sie enttäuscht.

Doch Tól schüttelte langsam den Kopf.

Wir haben getan, was wir tun konnten. Nun wird es Zeit zu gehen“, sprach Tól und stellte sich neben Omé.

Doch gibt es noch soviel zu tun! Ich bin ihm so nah!“ warf er ein, einen bettelnden Blick nun aufsetzend.

Dieser Krieg hat ihn nicht hervorgelockt. Wir müssen gehen und werden weiter auf ihn warten“, sprach Omé und legte Silön sanft eine Hand auf die rechte Schulter.

Wir dürfen nicht gehen! Ich weiß jetzt, was ich zu tun habe. Doch das wird noch lange dauern!“ antwortete sie in flehend drängendem Tonfall.

Wir werden bereits erwartet. Wir werden es später erneut versuchen“, sprach Tól ernst und legte Silön seine Hand auf die linke Schulter.

Lasst mich hier. Ich kann es schaffen. Doch wird es dauern. Lasst mich meine Gedanken erklären!“ drängte er.

Omés warme, mitleidvolle Augen wandten sich Tól zu.

Wir haben noch etwas Zeit. Lassen wir es sich doch kurz erklären“, sprach sie.

Tóls ernste, harte Augen blickten zurück. Doch er nickte und sah Silön an.

Erzähl es uns, doch lass dir nicht allzu viel Zeit“, sprach er.

Und Silön nickte eifrig und lächelte, bevor es seine Geschichte begann.

Herr, wacht auf“, sprach eine Stimme sanft.

Thelói öffnete verwirrt die Augen und blickte in das Gesicht eines seiner Hauptleute.

Was… – Wie spät ist es?“ murmelte er, setzte sich auf und bemerkte die sinkende Sonne am Horizont.

Die Schlacht ist vorbei. Was sollen wir nun tun?“ fragte der Hauptmann, während Thelói aufstand.

Nachdenklich blickte dieser rüber zu den Ruinen.

Gibt es neues von Silön oder Tól und Omé?“ fragte er.

Der Hauptmann runzelte nun seinerseits verwirrt die Stirn.

Herr? Tól und Omé?“

Thelói blickte ihn kurz an, bevor er abwinkte.

Schon gut. – Was gibt es nun von Silön?“

Der Hauptmann schien zu überlegen, ob es Thelói wirklich gut ging.

Sie verschanzen sich immer noch in den Kasernen. Sollen wir nun angreifen?“

Thelói sah kurz zur Stadt und schüttelte den Kopf.

Nein, wir warten erstmal auf Tól und Omé.“

Nun zweifelte der Mann seinem Blick nach wirklich an Thelóis geistiger Gesundheit, doch er nickte langsam und gab Befehle. Und sie warteten den Rest des Tages sowie die ganze Nacht hindurch bis zum nächsten Morgen. Schließlich kam der Hauptmann wieder zu Thelói, der müde weiter wachte.

Herr, sie ergeben sich!“ erklärte er aufgeregt.

Sofort war Thelói wieder hellwach und sprang auf.

Sind Silön und Tól und Omé bei ihnen?“ fragte er drängend.

Düster blickend ob der Verwirrung seines Herrn antwortete der Mann ihm dann doch: „Weder noch. Silöns Leute beklagen sich sogar darüber, dass Silön spurlos verschwunden sei“, antwortete er.

Das kann doch gar nicht sein! – Bringt mich zu den Kasernen!“ verlangte Thelói daraufhin.

Wenig später standen sie dann auch davor. Die restlichen Truppen Silöns waren bereits festgesetzt und abgeführt worden. Die Gebäude standen nun ruhig und leer da, inmitten der halb zerstörten Stadt und den qualmenden Ruinen. Thelói starrte nachdenklich über den Hof.

Ich werde alleine nachsehen gehen“, sprach er schließlich.

Seine Schritte führten ihn bald in eine große, nun dunkle und völlig leere Halle. Erst Mittags sollte er wieder zurückkehren. Seine Schilderungen sollten ihm bei seinen Leuten endgültig den Ruf einbringen, dass diese Schlacht seine geistige Gesundheit geschädigt hätte. Doch dies sollte sich nach weiteren Entdeckungen wieder ändern.

Einen Mond später traf Alaun Isúm wieder in der Stadt Lían ein. Bereits auf dem Marktplatz traf er Tól und Omés Tochter an.

Alaun! Es freut mich, dich zu sehen!“ sprach Lían, lächelte breit und umarmte ihn herzlich.

Er lächelte ebenso warm zurück.

Mich ebenso, doch treiben mich Neuigkeiten her“, antwortete er, als sie sich trennten.

Ich weiß. Doch lass uns dies drinnen in der Halle besprechen“, sprach sie und führte ihn dorthin.

Thelói hat mir erzählt, dass er deine Eltern in Darôn antraf. Doch später verschwanden sie ebenso unerwartet, wie sie gekommen waren. Ebenso auch Silön. Tauchten sie vielleicht hier auf?“ fragte er, als sie in einem Hinterzimmer der Halle saßen.

Lían schüttelte den Kopf, doch lächelte sie.

Meine Eltern haben diese Welt verlassen. Doch keine Angst, sie werden wieder kommen. Nur nicht mehr während unserer Leben“, sprach sie.

Alaun blickte trotzdem etwas entsetzt.

Sie sind weg? Was passiert dann mit diesem Land, mit ihrem Volk?“

Beruhigend lächelnd legte Lían ihm eine Hand auf die seine.

Sie haben mich gut auf diese Aufgabe vorbereitet. Zusammen werden wir beide dieses Land in ihrem Sinne weiterführen.“

Und Alaun durchströmte Zuversicht und auch er lächelte.

Wenige Wochen später traf ein Bote im Palast von Silour ein.

Herr, eine Botschaft von Thelói Isúm aus Maggin“, sprach der Bote und überreichte die von ihm gebrachte Rolle dem neuen Ratgeber Silöns, Canoud Velieun, welcher nun auf einem Stuhl zur Rechten des Thrones saß, auf dem auch Silön zuvor nie gesessen hatte.

Was schreibt er?“ fragte einer der anwesenden Adligen, nach dem Canoud Velieun den Text gelesen hatte.

Velieun gab ihm das Dokument zur Hand und sah die anderen Anwesenden ernst an.

Sie werden unser Land verlassen, doch unsere Handlungen immer im Auge behalten. – und Zahlungen von uns fordern“, erklärte er düster.

Zahlreiche Stimmen machten ihrer Empörung Ausdruck.

Wir haben nicht mehr die Macht, etwas dagegen tun zu können, wir werden es nun erst einmal erdulden müssen“, sprach Velieun mit lauter Stimme, stand auf und machte beruhigende Handbewegungen.

Silön hätte uns geholfen!“ rief da ein Adliger.

Silön hat uns verlassen!“ rief ein anderer zornig dazwischen.

Doch Velieun unterbrach sie in herrschaftlichem Tonfall.

Silön ist fort, doch übertrug mir, euch zu führen. Wir müssen Silöns Wiederkehr vorbereiten, doch dazu gehört jetzt erst mal, sich Lían zu beugen. Wir werden auf Silön warten“, sprach er feierlich.

Und fortan blieb der Herrscher des Landes stets jemand, der den Titel Silöns Ratgeber trug, neben Silöns verlassenem Thron saß und vorgab oder sogar daran glaubte, auf Silöns Rückkehr zu warten und hinzu zuarbeiten.

Ein Jahr später vermählten sich in der Stadt Lían Alaun Isúm und die Tochter Tól und Omés, um ebenso auf deren Rückkehr zu warten und sie vorzubereiten. Erleben sollten sie selber es aber nicht mehr. Doch hatten sie Recht.

Epilog

Mitwirkende: Lían, Mogaun

Ort: Lían

Fast 60 Jahre später stand Lían zusammen mit ihrer Tochter Mogaun vor den Grüften oberhalb der Stadt, in den Bergen.

Hier liegen dein Onkel und dein Vater – Thelói und Alaun“, sprach sie wehmütig.

Ihre Tochter kniete nieder und richtete die Blumen vor dem Grabmal.

Ich vermisse sie“, sprach Lían.

Bald jedoch drehte sie sich um, sah hinab zur Stadt und zum Land und machte eine alles umfassende Geste.

Dies wird dein sein. Kümmere dich gut um sie. Du wurdest immerhin gut darauf vorbereitet“, sprach Lían in leicht belehrendem Tonfall aber lächelte dabei ihre Tochter an.

Diese lächelte zurück, doch blickte sie so denn wieder ernst und ein wenig traurig, als ihr etwas in den Sinn kam.

Was wirst du nun tun?“ fragte sie.

Und Lían verriet es ihr.

Mogaun kehrte alleine aus den Bergen zurück. Sie wurde zur Nachfolgerin ihrer Mutter und führte das Land durch die nächsten Jahre. Die Bezeichnung Tól und Omés Tochter wurde bald zum Herrschertitel. Söhne gab es zunächst nicht, da Raís Verfehlungen immer noch schwer auf dem Volk lasteten. Das Land nannte sich bald Tólome und wartet noch bis heute auf die Rückkehr von Tól und Omé. Vieles sollte noch in der Gegend passieren sowie auch in Rardisonán und Tukon. Doch sind dies andere Geschichten und sollen ein andern Mal erzählt werden. Auch die Historien zu Tólome, Silûne, Machey und Ojútolnán mögen hier eine Quelle sein. Für diese Geschichte zunächst interessieren sie nicht mehr.

Tól und Omé und Silön kamen nach zweitausend Jahren wieder, zur Zeit des letzten und alles verschlingenden Feuers. Und sie fanden, was sie gesucht hatten. Doch dazu ebenso ein andern Mal.

E N D E

Appendices

A. Zeitdaten

1980: Tól & Omé und Silön in Arasanh, Gaunus folgt ihnen.

1982: Tól & Omé und Silön in Taiban. Geburt von Lían.

1983: Tól und Omé an den Fuß der Berge, gründen den Ort Lían (Lain).

1988: Geburt von Raí.

1989: Lían (Lain) offiziell Teil von Lurruken.

1997: Silön verrät Tól und Omé, aufgedeckt durch Amant Emaior.

1998: Amant Emaior belagert Maggin und Silön.

1999: Duell zwischen Amant Emaior und Silön.

2000: Das Feuer am Himmel. Silön flieht nach Südwest.

2002: Raí reißt aus. Geht über Arsullan und Darôn nach Silour zu Silön.

2004: Raí wird Herr von Darôn und Befehlshaber von Silöns Armee.

2010: Tól & Omé errichteten Ahém und bereiten Expedition vor.

2011: Beginn von Amant Emaiors Expedition von Ahém aus per Schiff.

2012: Beginn von Raréons Expedition von Lían aus über Land.

2015: Raréon erreicht die Mündung der Miabanur und gründet Rardisonan.

Silön beginnt, die Länder am Azirun zu erobern.

2017: Amant Emaior erreicht Rardisonan.

2018: Emaior geht nach Osten und gründet Omérian.

Raréon fängt Kontakte zu Huálor an, wird von Mharef von Iotor nach Aurost geladen. Krieg gegen Iotor.

2019: Silön ist mit den Kriegen gegen die Flussländer fertig.

2020: Mytillin Machey erobert für Raréon Aurost.

Raréon fängt Kontakte zu Emadé und Tobjochen an.

Silön befiehlt Raí seine Truppen in Diméo zu sammeln.

2021: Machey verlässt Raréon und geht nach TuKarra.

Schlacht in der Ebene zwischen Panenfiress und Gantrott zwischen Raí und Malont Déaron und Gaunus. Später Kampf Raí gegen Lían.

Raí stirbt und wird in Stadt Lían beigesetzt.

2022: Machey erreicht TuKarra und lernt Enreesa kennen.

2023: Machey und Enreesa heiraten und lassen Pegrott bauen.

2033: TuKarra erobert TuReesten. Als Tukon wieder vereint.

2036: Raréon lernt Sedíra kennen und lieben. Lässt Festung Sedíra bauen.

2037: Enreesa wird ermordet. Machey lässt Illort bauen und nennt sich Lort.

Angriff gegen Raréon.

2038: Raréon will für Sedíra Omjúen erobern und besetzt Pegrott.

Sedíra will heimlich zu ihm, wird von Machey gefangen und sein „Gast“.

Machey verliebt sich in Sedíra.

2039: Sedíra flieht aus Omjúen, stirbt bei Pegrott.

Raréon zieht sich für immer zurück und verschwindet.

Dojolas Igíman wird neuer Diener Tóls und Herr von Rardisonan.

Machey greift immer wieder an.

2041: Die letzten großen Angriffe von Machey.

2069: Intrigen gegen Machey gipfeln auf der Ermordung Macheys durch Garmyn.

2071: Tól & Omé zerstören Darôn. Silön und Tól & Omé treffen sich und verschwinden für immer.

Lían heiratet Alaun Isúm und wird Herrscherin von Lían.

Canoud Velieun wird Herrscher von Silûne.

2130: Lían verschwindet für immer ohne Spur. Mogaun wird neue Herrscherin.

2183: Líans Enkelin Leajánne Níjou führt erneut Krieg gegen Silûne.

2238 – 2301: Miloux Laqualle bekämpft die Ostpiraten

2312: Málaines die Friedliche gründet Rénay

2319 – 2540er: Tólomes Kriege gegen die Torchás, das Bündnis mit Seimáns und die Kriege der Ostländer.

2350 – 2496: Arseau von Silour unabhängig

2539 – 2589: Konflikte zwischen Lían, Arasanh (Parúni) und Silûne. Parúni und Fleundan neue Teile von Tólome.

2593 – 2755: Dunkle Zeiten für Tólome mit brutalen Herrschern.

2755 – 2855: Bürgerkriege in Tólome

2960 – 2997: Niráce Jardgeault macht Maggir zur neuen Hauptstadt von Tólome. Er selber wird wahnsinnig und verschwindet eines Nachts.

3018 – 3035: Masjíque erobert Lobileau

3042 – 3062: Bürgerkrieg in Tólome. Intreunás setzt sich durch. Er reorganisiert das Reich und bringt zahlreiche Reformen.

3069 – 3097: Intreunás baut gute Beziehungen zu Rardisonán auf und erobert die Saír Faloí

3118 – 3220: Der Hundertjährige Krieg Tólome gegen Silûne. Die tólomischen Herrscher setzen immer mehr Leute aus Rardisonán ein.

3183: Aljúmas aus Rardisonán wird erster fremdländischer Herrscher in Tólome

3261 – 3321: Großer Bürgerkrieg in Silûne zwischen den Bergstämmen und den Flussstädten.

3251 – 3281: Die Beziehungen Tólome – Dhranor verschlechtern sich

3281 – 3352: Krieg Tólome gegen Dhranor. Dhranor besetzt Teile von Tólome. Gegen Tribute gibt Dhranor sie schließlich wieder frei.

3393 – 3513: Silûne bekriegt Dhranor

3497: Ausimé Sazar beendet den Bürgerkrieg in Rardisonán, ordnet das Reich neu und nennt es fortan Ojútolnán. Er lässt sich als Gottkaiser anbeten. Tól und Omés Sohn Alagné bricht die Beziehungen zu Ojútolnán ab.

3529: Alagné verbündet sich mit Aleca um den Osten der Welt zu erforschen

3580er – 3598: Tólome und Silûne verbünden sich

3604 – 3649: Krieg zwischen Tólome und Silûne

3610er: Intreunás II von Tólome errichtet dieans ersten Handelskontore auf dem Ostkontinent

3652 – 3665: Aleca stößt auf dem Ostkontinent auf das Reich der Vobloochen. Ihre Kolonien werden attackiert bis auch Ojútolnán auf dem Kontinent eintrifft

3652 – 3720er: Bürgerkriege und Anarchie in Silûne

3670er – 3700: Tremaun II von Tólome gibt seinen Ostkolonien den Namen Curiém. Bald wird Curiém immer öfter von den Vobloochen attackiert

3710er: Argeille von Tólome errichtet Häuser für Bittstellende an Tól und Omé.

3713 – 3723: Argeille bezeichnet Raréon als Verräter und wird dafür von Ojútolnán in Curiém und dem Norden Tólomes attackiert

3723: Tólome wird von Ojútolnán besetzt, Argeille stirbt im Kampf, Tólome wird nun von Ojútolnán kontrolliert.

3720er – 3750er: Immer mehr Unzufriedene aus Tólome wandern nach Curiém ab. Dort verteidigen sie sich gegen die Vobloochen und gründen die Bewegung „Freies Tólome“, welche von Ojútolnán und Tólome verboten wird

3798: Miloux II von Tólome schafft es, die Besatzung seines Landes durch Ojútolnán zu beenden, dank Diplomatie

3808 – 3839: Camenió aus Ojútolnán regiert in Tólome und handelt, wie Ojútolnán es vorgibt. Er greift Aleca, zuvor Bundpartner, und Omérian an

3843 – 3846: Die Küstenländer von Tólome führen einen Bürgerkrieg gegen den Herrscher aus Rardisonán, Arráces

3847 – 3867: Juvrenne von Tólome schafft es, Tólome von Ojútolnán auf friedlichem Wege endgültig zu lösen und schließt sich wieder mit Aleca zusammen

3892 – 3895: Die große Seuche verwüstet die südlichen Länder, auch Tólome.

3910: Der Vobloochensturm beginnt mit dem Überfall auf Acalgiri, die Ostkolonie von Ojútolnán.

3913 – 3927: Der Vobloochensturm verwüstet sämtliche Küstenländer des Ostens. Die Vobloochen erobern Laneun, doch werden schließlich von Tólaume von Tólome zurückgeschlagen.

3930: Tólaume hilft Omérian beim Wiederaufbau

3946 – 3951: Málaines II von Tólome erobert Curiém von den Vobloochen zurück

3959 – 3995: Erneuter Krieg zwischen Tólome und Silûne

3994: Solajo Fardena aus Rardisonán wird Herrscher in Tólome

3996: Beginn des Bürgerkrieges zwischen Ost und West in Tólome.

B. Anmerkungen zur Zeitrechnung

1 Jahr entspricht etwa 0,7 (gerundet) Jahren unserer Zeitrechnung.

Beispiele:

5 Jahre -> 3,8 Jahre

10 Jahre -> 7,6 Jahre

15 Jahre -> 11,5 Jahre

20 Jahre -> 15,3 Jahre

25 Jahre -> 19,2 Jahre

30 Jahre -> 23 Jahre

40 Jahre -> 30,7 Jahre

50 Jahre -> 38,3 Jahre

60 Jahre -> 46 Jahre

80 Jahre -> 61,3 Jahre

100 Jahre -> 76,7 Jahre

Vom Auftauchen von Tól und Omé bei Arasanh bis zum Verschwinden von Lían vergingen 150 Jahre, also 115 Jahre unserer Zeitrechnung.

C. Lebensdaten

Gaunus: *1950, gestorben 2044 im Alter von etwa 94 Jahren (72,1 Jahre).

Amant Emaior: *1955, gestorben 2057 im Alter von etwa 102 Jahren (78,2 Jahre).

Géri Anaruen: *1957, gestorben 2042 im Alter von etwa 85 Jahren (65,1 Jahre).

Thaléon Balouron: *1960, gestorben 2072 im Alter von etwa 112

Varman an’Linroc: *1981, gestorben 2069 im Alter von etwa 88 Jahren (67,5 Jahre).

Lían: *1982, verschwunden 2130 im Alter von etwa 148 Jahren (113,5 Jahre).

Dojolas Igíman: *1985, gestorben 2057 im Alter von etwa 72 Jahren (55,2 Jahre).

Soumyl an’Dunnar: *1986, gestorben 2055 im Alter von ca. 69 Jahren (52,9 Jahre).

Raí: *1988, gestorben 2021 im Alter von etwa 33 Jahren (25,3 Jahre).

Mytillin Machey: *1990, gestorben 2069 im Alter von etwa 79 Jahren (60,5 Jahre).

Raréon: Geburt und Verschwinden unbekannt. Wenn ca. 2040, dann wurde er schätzungsweise 50 bis 60 Jahre alt (38,3 – 46 Jahre).

Enreesa: *1996, gestorben 2037 im Alter von etwa 41 Jahren (31,4 Jahre).

Garmyn an’Vorra: *1999, gestorben 2076 im Alter von etwa 77 Jahren (59 Jahre).

Sedíra: *2001, gestorben 2039 im Alter von etwa 38 Jahren (29,1 Jahre).

Camón Anaruen: *2005, gestorben 2093 im Alter von etwa 88 Jahren (67,5 Jahre).

Canoud Velieun: *2041, gestorben 2107 im Alter von etwa 66 Jahren (50,6 Jahre).

D. Lexikon

Entfernungsmaße:

(nach Vorbild einer ausgestorbenen Tierart)

1 Halbzahn = 1 cm (Hz)

1 Zahn = 2 cm (Z)

1 Feder = 25 cm (Fe)

1 Bogen = 80 cm (Bo)

1 Fuß = 1 m (Fu)

1 Bein = 2 m (Be)

1 Sprung = 5 m (S)

1 Zehnersprung = 50 m (ZS)

1 Feuersprung = 500 m (FS)

1 Flug = 1 km (F)

1 Doppelflug = 2 km (DF)

1 Feuerflug = 10 km (FF)

Fauna:

Colite, die:

/ko-lɑɪt/. (->colitisch).

a) Die C. sind eines der Weltvölker. Wenn sie keine Menschen sind, sind sie zumindest eng mit ihnen verwandt. Dafür sprechen Ähnlichkeit und Vermischbarkeit. Im Allgemeinen nennt man die C. zumindest Menschen. Der Ursprung der C. muss irgendwo im heutigen Pervon liegen. Bereits für 2000vdF sind aber die ersten C. östlich des Echris Sirenn feststellbar. Im Laufe der Völkerwanderungen, die von den Pervonen oder anderen Völkern ausgelöst wurden, drangen sie immer weiter gen Ost vor. Gegen 1000dF gingen sogar viele bis an das östliche Meer und gründeten dort Kleinreiche wie Arasanh und Arsullan oder vermischten sich mit den heimischen Kaltvölkern. Historische und aktuelle C.-Völker sind, von West nach Ost (in Klammern die ausgestorbenen Völker):

Pervonen, Sujeren, (Darite), Tarler, (Harite), Alumen, Panmesen, (Manthen), (Saten), Huluveri sowie die Völker von Arsullan, Arasanh, Silaine, Ketaine usw. Umstritten ist, ob die Imari/Tukonen und die Ruqier auch zu den C. zählen. Daneben gibt es weiterhin Minderheiten und in anderen Völkern aufgegangene Stämme, wie in Tólome und Demirn.

b) Die Sprachen der C. bilden eine Sprachfamilie, daher stammt auch die Annahme, sie zu einem Volk zusammen zu fassen. Die Sprachen sind (in Klammern ausgestorbene):

(Alt- und) Neupervonisch, Daritisch: (Alt), Neu, (Südost), Tarlisch, (Alt-Sujeri), Neu-Sujeri; Haretisch: (Manthisch, Neumanthisch), Huluveri, (Haretisch), Panmesisch. Es ist umstritten, ob Ostcolitisch dazugehört oder selbständig ist: Imarisch, (Tukisch), Neutukisch, Britanisch, Troumisch, Omcisch, Morgoltisch.

Menschen, die:

Eine der vorherrschenden Rassen der Welt. Fast überall verbreitet und als Rasse sehr expandierend und anpassungsfähig. Ihre Population geht in die Millionen, ihre Zahl ist mit natürlichen Mitteln kaum zählbar. Sie sind im Normalfall etwa zwischen 1,40 und 1,90 Füße groß, ihre Hautfarbe reicht von hell bis fast schwarz, auch bei Augen- und Haarfarben besteht ein breites Spektrum.

Sie beherrschen fast alles, haben sich als Rasse aber vor allem auf die Expansion und was dafür notwendig ist spezialisiert. Es existieren viele Unterarten. Die M. sind schon fast von Natur aus zerstritten und in zahlreiche Nationen gespalten.

Thomearez/Tomare:

/θ-mæ-rɛs/ / /to-ma-re/

Tierart. Der Körper ähnelt einem Wolf, die Flügel einem Raben, der Hals ist wie von einer Schlange, der Kopf gehört einem Vogel. Es ist gefiedert, hat meist 4 Beine, zw.1-3m Schulterhöhe, pechschwarz.

Vorkommen: Emaé-Gipfel, Grünspitzen

Unterarten:

Udartomare: ^Tomare+Änderungen: 2-4m, Dornenrücken, 4 Flügel, Keulenschwanz, hellbraun – schwarz, zum Kämpfen eingesetzt, Vor.: Udarberge

Tomisa/Tomiser: ^Tomare+Änd.: 1-1,5m, kurzer Hals, 2 Beine, große Schulterstachel, rotbraun-schwarz, Reittiere, Vor.: Midaulininseln, Azirun, Gelbspitzen

Tommaren: ^Tomare+Änd.: 2m, Dornenrücken, Keulenschwanz, keine Flügel, Vor.: Zardarrin

Panturgon/Veduiguim: ^Tomare+Änd.: 2,5-3,5m, Hörner, Zähne, Stachelschwanz, Dornrücken, Reittier, Hellrot-Dunkelbraun, Vor.: Machey/Rardisonán

Reiche und Provinzen:

Aleca:

/ɑ-le-kɑ/.

A. ist ein Land im Nordosten der Heimländer. Seine Provinzen mit Hauptstädten sowie der Sprachmehrheit sind, von Südwest gen Nordost:

Soluten – Solutetor – solutisch, kalt

Gunun – Joholan – kalt

Tihonmadah – Tuman – tolumisch, juepisch

Peben – Dah Ma’ara – kalt, juepisch, pakamisch

Ayfell – Ayfell – tolumisch

Gadian – Toshyan – tolumisch, juepisch, pakamisch

Raygadun – Raygadun – gemischt.

Marad mit seiner Hauptstadt Daris Marad löste sich vor einigen Jahren von A. Im Westen wird A. vom Goldfluss, im Süden von den Grünspitzen begrenzt, im Norden und Osten vom Meer. Der Soluten durchfließt das Land von Südwest gen Nordost und mündet bei Raygadun.

A. entstand langsam, aus dem Staaten- und Völkergemisch, das sich in diesem fruchtbaren, bergigen Land angesiedelt hatte. Ab 2000vdF gründeten Tolumi Kolonien in dieser Gegend, von denen heute aber keine mehr existiert. Flussaufwärts dagegen lebten einheimische Kaltstämme, mit denen man sich mal verstand, sie andern mal bekämpfte. Die Geschichte von A. ist ein wenig kompliziert und verstrickt aufgrund der vielen Staaten, Einwohner und Völker. Auch Pakama gründete schon vor 0dF hier Außen- und Handelsposten. Die Tolumi und Kalt dominierten jedoch. Ab 200dF eroberte Pakama die Küste. Oft wanderten Kaltvölker nach Süden ab, aufgrund von Überbevölkerung. 800dF zerbrach Pakama und Aleca wurde wieder zum Staatenchaos. Südwestlich von Gadun, flussaufwärts, wurde die Stadt Rajadun gegründet, die die Staaten einte und unter dem Banner von Aleca frei kämpfte. Bis 2000 herrschte die Republik Aleca zwischen den Flüssen über ein Gemisch von Völkern: Tolumi, Kaltvölker, Pakami und im Südwesten auch Colite. Natürlich wechselten diese teils auch ihre Wohnorte. 2000 ging mit dem Feuer ein Großteil von Aleca unter und versank im Meer und im Chaos. Der süden blieb aber bestehen und sorgte bis 2244 wieder für Ordnung. 2984 bis 3244 war Aleca Teil des neuen Ojútolnán, viele Stadtgründungen fanden statt. Auch später gab es noch viele Konflikte zwischen beiden Ländern.

Heutzutage ist A. das wohl technologisch fortschrittlichste Land und gut im Überseerennen dabei. Herrscher der demokratischen Republik ist Ycr Dearu. Die Sprache ist eine Kreolsprache aus den Sprachen seiner Völker und wird Lecin genannt.

DeTukon:

/de-tu-kɔn/

Nachfolgerland von Tukon und ewiger Feind von ETukon. Wurde von Rees unterworfen.

Emadeten, Freies Königreich:

/e-ma-de-tǝn/

Ein Land von Rardisonán an der Laruinto, zwischen den Sümpfen von Belané und den Flüssen Gumond, Gascirn und Monwasser, Hauptstadt Belané, weitere große Städte sind Peridé und Norilé.

Nach dem Jahr 2000 war Emadeten stark genug, sich von Iotor zu lösen und erklärte sich zum Königreich. Später landete Raréon an der östlich gelegenen Banurburta. Unter Gerí Anaruen war Emadeten Verbündeter von Raréon gegen den Rest von Iotor um Aurost. Sein Sohn Camón dagegen hielt nicht zu Rardisonán, da mittlerweile der Herrscher von Tobjochen Tolnán von Rardisonán war und zwischen diesem Land und E. starke Spannungen herrschten.

Nach weiteren 150 Jahren Nachbarschaft bestanden aber zahlreiche entstandene Familienbindungen zwischen beiden Ländern und E. akzeptierte Rardisonáns Schutz vor Piraten der Schwarzsee. Die Verbindungen beider Länder wurden immer stärker und bis 2600 war E. quasi Vasallenstaat von Rardisonán. Es nennt sich aber weiterhin Freies Königreich, gehört aber zum Land Rardisonán und dem Reich von Ojútolnán. Der König wählt den Tolnán mit bzw. stellt sich auch selbst zur Wahl und sendet Stellvertreter für den Hof des Tolnán und dem Fürstenrat aus, hält die allgemeinen Gesetze ein, erlässt auch eigene und sorgt größtenteils selber für die Verwaltung des Landes. Die Landwächter von Rardisonán kontrollieren jedoch trotzdem die Straßen.

E. ist ein Fluss- und Auenland, mit weitläufigen Sümpfen an der Küste, die den Bau größerer Häfen verhindert haben. Im Süden jedoch ist das Land sehr ansprechend.

ETukon:

/e-tu-kɔn/

Nachfolgerland von Tukon und ewiger Feind von DeTukon. Wurde von Karrac unterworfen.

Fasia, Königreich:

/fa-zi-ja/

Land in Rardisonán, Hauptstadt ist Fasia. F. war einst Teil von Omijern. Zahlreiche Adlige zogen hierher auf ihre Landsitze. Rées wurde so geschwächt und Gusta Marénis führte einen Putsch gegen Amís Cállate, den Herrn von Omijern, der in Fasia residierte. Marénis riegelte Rées gegen Fasia ab. So entstand in Fasia eine Exilregierung von Omijern, während Rées die Kontrolle über seine Gebiete verlor. F. musste sich gegen Iotor behaupten. Bérin Cállate, Urgroßenkel von Amís, soll F. an Iotor verraten haben. Man verbannte ihn und nahm den Namen Königreich von Fasia an. König wurde Séjil Déan, Bérins Neffe 2. Grades aus Sadaeavir.

Im Entstehungskrieg von Rardisonán und Machey wollten beide Parteien F., griffen es aber lange nicht an. F. wollte neutral bleiben, König war zu dieser Zeit Chelórim Naquín. Ein kleiner Zwischenfall führte später zum Streit mit Machey. So brauchte F. den Schutz von Rardisonán.

Heutzutage herrscht Fasia über den Fasiawald, die angrenzenden Gebiete und die Städte Fasia, Dibigo (oder Ibigo), Aýran und Sadaeavir. Bei letzterem liegt auch der Pass zum feindlichen Machey und Rees.

Huálor, Königreich:

/wɑ:-loɹ/

H. ist ein kleines Königreich in Rardisonán. Bis 2000dF war die Burg von Lonir (im 1.Jh.vdF noch ein Grenzposten von Saten) ein Posten Iotors ohne große Bedeutung. Das vorrückende Meer zerstörte ein Wenig von der kleinen Siedlung, doch die Burg blieb und sagte sich schnell von Iotor los. Ab 2016 half Raréon beim Wiederaufbau und H. wurde sein Verbündeter. Nach dem Verschwinden Raréons und Tode Dojolas Igímans stellte es den nächsten Nachfolger Raréons. Im Bürgerkrieg des 35.Jh. kämpfte es gegen seinen Nachbarn Saten. Trotzdem blieb es bei der Reform von Ausimé Sazar 3500 weiter dasselbe Königreich.

H. ist klein. Seine Hauptstadt Lonir liegt an der Lohburta und gehört zu den vier größten Häfen von Rardisonán. H.s Grenze besteht zu 60% aus Küste, das Land ist das flache Hinterland. Es ist vor allem für Fische, Schiffe und einige Strände bekannt. Im Süden liegt Saten, im Osten Emadeten.

Lanéun:

/la:-nɔ̃:/

Land, welches fast die ganze Ostküste Tolomes sowie die Midaulininseln beherrscht, Hauptstadt Masin. Lanéun ist besonder bekannt für seine Tomiser, welche (hauptsächlich) auf der Insel Isúm gezüchtet werden.

Lurruken:

/lur-ru-ken/

Lurruken hieß das Reich, welches einst begrenzt wurde von dem Vergessen Gebirge und den Pervonsteinen im Westen, den Hölzernen Bergen und dem Azirun im Süden, dem Cormoda im Norden und dem Geist und dem Ostmeer im Osten.

Seine Anfänge nahm es bereits gegen 159vdF und bestand bis zu dem großen Chaos das auf der Welt herrschte im Jahr 2000dF.

Des Reiches größter Herrscher hieß Tamirús, welcher seine Heimat Tamilor zur Hauptstadt machte. (Heute liegt Tamilor tief in Tamirús Grab, dem gefürchten Moor in das sich nur wagemutige Abenteurer wagen.)

Lurrukens Nachbarländer waren im Jahr 1900 (zum Höhepunkt der Ausdehnung des Reiches): Fernland, Pervor (dem heutigen Pervon), Udar, Haret (dem heutigen Aluma und Panme) sowie Ijen im Westen, Luvaun und Zardarrin im Norden, Osgird (liegt verblüffenderweise heutzutage tausende von Flügen weiter westlich als damals noch) und Louch im Süden. Außerdem lag es mitten im Herzen des Reiches Stirmen, welches Lurruken nicht anzugreifen wagte.

Der größte See Lurrukens war der heutige Minîrnsee, der längste Fluss der Geist, das größte Waldgebiet (nach Stirmen natürlich) der Salzwald.

Die 23 Provinzen Lurrukens zu seiner Blütezeit waren von West nach Ost (mit Hauptstadt): Demīrus (das heutige Demirn, Hauptstadt Rudir, heute Roudir), Esīrem (Schorbrom), Mummulate (Tummuale, heute tief im Tummualesee liegend, zweitgrößte Stadt Līman), Kania (Kanh), Kenrūken (Rūken), Tamilorum (Tamilor, zweitgößte Stadt Sēnea [Seenea]), Pardastirm (Saldān), Salzwald/Sunumcalt, Danemcalt (Pakalt), Pardacalt (Rheiban), Pangeis (Panen, größte Stadt Geistig), Danemstirm (Arasanh), Sunumstirm (Ketaine), Danemloue, Cosasirun (Serra), Pardālon (Arsullan), Ranumtergin (Maggin, das heutige Maggir), Pardageis (Selaine), Ranummond, Dalgeis, Coslame (Yolame, heute Yasleam genannt), Cosforne, Coshein (Tambaheim).

Von dem einstigen Imperium existieren heute nur noch der kleine Stadtstaat Ruken und Demīrus in Form von Demirn, alles andere ist nur noch wenig besiedelt. Aber auch Līman, Seenea, Saldān, Maggir, Roudir, Arsullan und Yasleam sind noch da.

Machey:

/ma-xi:/

Benannt nach Mytillin Machey. Land im Britanlak-Tal zwischen Erzherz und Lusuvameer, Magisil und Goldfluss, zwischen Rardisonán, Aleca und Panme. Königreich, Sitz des Lorts ist Illort. Machey wird von Adligen kontrolliert, die dem Lort Hörigkeit schuldig sind. Der Lort kontrolliert die Armee. Die Sprache von Machey ist das Imaria, die Bevölkerung nennt sich Imari. Seit seiner Gründung ist Machey fast dauernd im Krieg mit Rardisonán. Dieses hat schon fast Tradition. Die Grenzen sind auch stark mit Festungen gesichert.

M. lebt hauptsächlich von der Agrar- und Minenwirtschaft, sowie vom Handel. Dies brachte ihm in Rardisonán den Ruf als rückständig ein. M. ist weitläufig besiedelt, die meisten Städte sind aber höchstens mittelgroß. Das Land ist in 10 Regionen gegliedert, welche sich wiederum in die Lehen der Adligen unterteilen. Der derzeitige Lort ist Martynne Varlent.

Morgolt:

/mɔr-gɔlt/

Name des Reiches von Doliras, welches lange Bestand hatte und sogar Machey Schwierigkeiten bereitete. Heutzutage Region im Südosten von Machey.

Omérian:

/o-me:-ri-an/

Land auf der Halbinsel Tanderomérian, gegründet von Amant Emaior zu Ehren von Omé, getrennt durch den Tanderethen (bzw. Tanderecca) vom Nachbarland Tandereis, zu dem schon seit Jahrhunderten sehr gute Beziehungen bestehen. Die heutige Hauptstadt Halkus bestand schon zu Zeiten Iotors unter dem Namen Halkis. Weitere große Städte sind Touron, Frezinne und Recellia. Zwar ist das Land nicht groß und infolge des Jahres 2000 fielen die einstigen Länder Otoriachs dieser Gegend dem Chaos anheim, doch ist Omérian heute recht stark besiedelt und wichtige Seemacht.

Derzeitige Herrscherin ist Parga Emaior. Für weiterführende Informationen mag das Buch der Länder herangeführt werden. Die Bezeichnung des Herrschertitels ist Milciar.

Omijern:

/o-mi-dʒern/ (Omijerni, Omijernisch)

Einst Name eines gewaltigen Reiches, welches das Gebiet rund um das Erzherz beherrschte, Hauptstadt war Rées (Rees). Nun nur noch Bezeichnung für die Gegend am Umijisil (was aber immerhin ein nicht zu verachtend großer Landstrich ist), größte Stadt ist Omjúen sehr nahe der Tengata/Girgóte. Gesprochen wird teilweise noch ein alter Dialekt des Toljúepa.

Pakama:

/pɑ-kɑ-mɑ/

Die P. sind ein den Menschen eng verwandtes, doch kleineres und zierlicheres Volk vom Ostkontinent. Gegen 220vdF hatten sie dort ein gewaltiges Imperium, das die Heimländer entdeckte und besiedelte. Sie gründeten Kolonien im heutigen Zardarrin und Pakama, verdrängten tolumische Siedler und nahmen schnell Kontakt zu den Kaltvölkern auf. Um 2000vdF gründeten sie Kozeije, das heutige Zardankin. Es dauerte jedoch nicht lange, da eroberten die Vobloochen ihr Imperium auf dem Ostkontinent und die Kolonien waren fortan von ihrer Heimat abgeschnitten. Auf sich allein gestellt spalteten sie sich schnell in zwei Länder: das östliche Pakama um Dumanushun und Istland um Kozeije. Gegen 100vdF eroberte Marad Tumanushun, das heutige Tuman, von Pakama, doch von 200 bis 300 dF besetzte Pakama ganz Aleca und gründete dort zahlreiche Städte. 400 zogen die Fosten wegen Überbevölkerung aus Aleca nach Süden und verwüsteten halb Pakama, bis sie sich an den heutigen Fostilfällen niederließen. 800 eroberte Tulann Orann Istland und Pakama und gründete das Reich von Groß-Zardarkon. Bis 900 kämpfte sich im Norden Aleca von Pakama frei. Ab 1075 verlor Zardarrin wieder die Kontrolle über Pakama, doch erholen sollte sich dieses nie wieder. 2000 wurde es durch die Flut fast völlig zerstört. Dumanushun war untergegangen. Für Jahrhunderte sollte Pakama im Chaos bleiben. Eine lange dunkle Zeit war angebrochen. Nach und nach eroberten die Fürsten sich aber gegenseitig und letztlich setzte sich Mashaba (Mibrad) durch. Diese Stadt liegt an der Pakbucht auf der Halbinsel Ikîma. Zusammen mit der Halbinsel Akôya sind das schon 60% von Pakama. Der Rest sind die pakamischen Inseln im pakamischen Meer. Neben Mashaba ist Kinshado auf Akôya die einzige größere Stadt. Das Volk von Pakama, welches einst die Welt bereiste und Wunder wie die Springquellen baute, ist heutzutage größtenteils ein Volk von Fischern. Aber auch in Kriegen gegen Zardarrin und Aleca musste man sich behaupten. In den letzten Jahren entwickelten sich die Pakami aber auch zu reisenden Händlern.

Rardisonán, Länder von:

/ɹaɹ-di-zo-na:n/

Rardisonán besteht aus 13 Ländern und 3 Stadtstaaten. Diese wurden entweder im Laufe der Zeit von R. erobert oder traten freiwillig bei. Teilweise gab es auch weitere Konflikte innerhalb dieser Länder, was zu weiteren Spaltungen oder Verschmelzungen führte. Die Länder haben alle ihre eigenen Regierungen, Könige oder Fürsten und regeln dies auch selbst, nur wichtige Gesetze sind überregional. Die Fürsten wurden ursprünglich alle vom Tolnán eingesetzt. Teilweise sind diese Titel heute aber vererbbar oder durch Wahlen eingesetzt.

Zu den Regierungsarten der Länder sowie der jeweiligen Hauptstadt siehe die folgende Übersicht von Ost nach West:

  1. Guihúda: Ciprylla. Der Fürst wird durch die Spiele in Ciprylla ermittelt.

  2. Sagaja: Sojibin. Königreich.

  3. Bojomin: Delitres. Der König von Delitres setzt Fürsten in anderen Gegenden ein.

  4. Imon: Calerto. Fürstentum

  5. Tobjúen (Tobjochen): Telígas. Dort werden Wahlen abgehalten, der Rat setzt Fürsten ein.

  6. Iotor: Rardisonan. Fürstenrepublik, vom Volk gewählt.

  7. Emadeten: Belané. Königreich.

  8. Taníqe: Cobogi.

  9. Irjúdonn: Fernol. Fürstentum

  10. Huálor: Lonir. Königreich.

  11. Saten: Iruido. Fürstentum.

  12. Fasia: Fasia. Königreich.

  13. Guidonn: Burg Argans. Fürst und militärischer Führer.

Die 3 Stadtstaaten sind, von Ost nach West:

  1. Charyson: Die Sonnensekte herrscht über die Stadt.

  2. Toljúin: Sitz des Tolnán, selber aber Fürstenrepublik.

  3. Aurost: Fürstentum.

Telígas und Delitres sind Quasi-Stadtstaaten.

Reesten:

/ri:s-tǝn/ (Reestener, Reestenisch)

Name der Region an Reesil und Britanlak, deren ungefähres Kontrollzentrum Rees ist. Sonst gibt es nicht viel darüber zu sagen. Hauptsächlich gut bekannt für Holz und allgemeine Landprodukte (aus Ackerbau und Viehzucht), ein bisschen Zucht verschiedener Reit- und Kriegstiere, Bergbau (hauptsächlich Metalle) und natürlich die Ausbildung von Soldaten in den berühmten Kasernen von Rees.

Salire:

/sɑ-lir/. Früher: /za-lɪ-ʀǝ/

a) Name des untergegangenen Reiches von S. (Saliresches Reich), das ab ca. der Gründung von Taral um 800vdF bis zum Jahre 2000dF existierte, als ein Großteil des Landes versank und die heutige Inselkette der Nordwindinseln (Südfeuer) entstand. Die drei einzigen größeren Städte von S. waren Taral in den Bergen, Lorheim am Fluss Lor sowie Cyll weit im Nordosten. Nur Taral hat die Fluten überstanden. Das Reich S. war ein Zusammenschluss von südlichen Kaltvölkern, die hierher von den vordrängen Hsachradhi und Colite verdrängt worden waren, unter Dominanz der Saliren. Seine Nachfahren hat es in dem Reich von P’Dynn sowie Taral und Torneter.

b) Name der Insel S., größte der Nordwindinseln. Hierauf liegen die Städte und Länder Taral und Torneter, die seit dem Untergang des Reiches von S. verfeindet sind, sowie der Fluss Tisronn an dessen Ufern oft gekämpft wird. Die Südküste der Insel nutzen die Nirzen als Anlegestelle.

Tobjúen, Fürstentum:

/tɔb-xu:-en/

T. ist ein Fürstentum im Herzen von Rardisonán. Im Norden begrenzt es der Dunlon, im Süden das Erzherz, im Westen die Miabanur, im Osten das Tal von Telígas. Telígas ist quasi frei, gleichzeitig aber auch Hauptstadt des Fürstentums, Zínan ist zweite Hauptstadt. T. ist eins der vier größten Länder von Rardisonán. Im Süden wird viel Bergbau betrieben, im Osten Handel, auf dem Land vor allem viel Agrarwirtschaft. Außerdem liegt einer der beiden Pässe nach Machey hier.

Historisch gesehen gehörte das Land einst zu vielen Nationen, vor allem aber zu Omijern. Doch im 10.Jh. war es Teil von Iotor und wurde das erste Mal geteilt. Das Gebiet des heutigen T. nannte man Chemuchen. 2000 nutzte man die Gunst der Stunde um sich vom angeschlagenen Iotor loszukämpfen. Der neue Name war Tobjochen. Raréon ließ hier die Feste Sedíra als Schutz gegen Machey bauen. In den 2780ern war Tobjochen Hochburg der Bauernaufstände. 3387 verlor es seinen König, sein Königtum und seine Hauptstadt, als es nach einer Revolte des Königs zum Fürstentum degradiert, Telígas unterstellt und in Tojúen umbenannt wurde. Nach dem Bürgerkrieg des 35.Jh. wurde es von Sazar aber erneut verändert und nun Tobjúen genannt.

Tólome, Länder von:

/to:-lo:m/

Tólome besteht derzeit aus 10 Mitgliedsländern. Man unterteilt hierbei gerne zwischen 3 Arten, von West nach Ost:

Die Herzländer sind die Westlichsten. Sie sind das Gebiet, das bereits zu Zeiten von Tól und Omé von diesen erschlossen wurde. In einzelne Länder wurden sie erst später unterteilt, aus Verwaltungsgründen. Im Gegensatz zu den anderen Ländern findet man zwischen den Herzländern kaum Zwistigkeiten. Mit Hauptstädten sind die Herzländer die Folgenden: Parúni (Lían), Aloya (Maggir), Fleundan (Ahém).

Östlich der Herzländer schließen sich die 4 Grenzländer an, Gegenden, die nach dem Niedergang von Lurruken zunächst selbständig wurden, als kleine Feudalreiche oder als einzelne Gemeinden. Sie wurden nach und nach in Tólome eingegliedert. Durch Eroberung, friedliche Vereinigung oder anders. Mit Hauptstädten sind die Grenzländer die Folgenden: Seimáns (Lanc), Torchás (Tobámon), Rhóndeis (Cároun), Ajeaun (Renáy).

Letztlich fehlen noch die 3 Küstenländer. Diese liegen alle im Osten, in der Gegend der Midaulin-Isonnis. Nach dem Niedergang von Lurruken wurden auch sie in Einzelstädten selbständig, viele davon entwickelten sich jedoch zu Piratenstädten und terrorisierten die Länder am Geistmeer. Tólome ging früh gegen diese Städte vor, führte einen Krieg nach dem anderen gegen sie und besetzte sie schließlich. Heutzutage gehören die Länder zu Tólome, es gibt jedoch immer noch einige Piraten und so manche Zwistigkeiten. Die Küstenländer sind mit Hauptstädten die Folgenden: Lobileau (Begót), Lanéun (Masin), Saír Faloí (Sadun).

Troumland:

/tru:m-land/ (Troumländer, Troumisch)

Beim Zerfall von Tukon machte sich der östlichste Teil, angeführt von der Stadt Shorum selbständig unter dem Namen Troumland, welches zwischen ETukon und Fadda lag, jedoch unterging als die ehemals solutische Stadt Doliras zusammen mit dem troumischen Sylak (heute Cynlak) das Reich von Morgolt gründete. Nur Karrac entgang, indem es sich ETukon als Verbündeten holte und daraufhin assimilierte. Die Gegend um die Ruinen von Shorum sind in Machey immer noch als Shroum bekannt, wo ein Dialekt des Imarischen gesprochen wird.

TuKarra:

/tu-ka-ra/

Während des Niederganges von Troumland verbündete sich Karrac mit ETukon um Morgolt zu entgehen. Schließlich kam in Karrac ein Mann mit der Idee an die Macht, man müsse das alte Tukon wieder auferstehen lassen. ETukon unterwarf sich freiwillig, als Karrac dessen Hauptstadt zerstörte. So entstand TuKarra, das Land, welches Machey später als erstes betrat und so das Herz seines zukünftigen Landes wurde.

Tukon:

/tu-kɔn/ (Tuki, Tukisch)

T. war eines der ältesten Länder, von denen man heute noch weiß. Tukon erstreckte sich den Britanlak entlang etwa vom Magisil bis zum heutigen Cynlak. Mehrere Kriege mit Omijern und Manthen erschütterten das Land und auch innerpolitische Schwierigkeiten waren Gang und Gäbe, so zerfiel es aufgrund interner Zwistigkeiten. Um die Städte LoRogo und Gorroc herum blieben die Länder DeTukon und ETukon zurück. Die während der Bürgerkriege erbaute Tukonmauer diente als Grenze zwischen den verfeindeten Staaten. Nach dem Zerfall von Omijern eroberte Rees DeTukon. ETukon fiel schon vorher Karrac zum Opfer. Als Machey in TuKarra die Macht ergriff, eroberte er TuReesten und nannte sein neues Reich erneut Tukon. Heutzutage ist der Name Tukon übrig geblieben als Bezeichnung der Gegend um Illort .

TuReesten:

/tu-ri:s-tǝn/

Die vorerst letzte Möglichkeit, die sich Rees zum Aufblühen bot. Als Iotor gnadenlos in den Norden von Omijern einfiel und ihn zerstörte, blieb Rees alleine übrig. Irgendwie jedoch schafften es die Regenten der Stadt jedoch das Gebiet von Reesten auf DeTukon und ein paar ehemals manthische Gegenden auszubreiten, wie Nyrron und Caertal (heute Catalgi genannt). Von Mytillin Machey erobert, wurde es als Reesten Teil von Tukon und später Machey.

Städte:

Ahém:

/a-he:m/

Stadt in Fleundan im Reich Tólome. Der Hafen liegt am Golf von Lanc, unweit von Lían. Nach dem Jahr 2000 war A. der erste Hafen, der wieder an einer Küste gegründet wurde sowie die einzige (abgesehen von Lían) von Tól und Omé gegründete Stadt. Der Hafen war der Grundstein zu Tólomes Seemacht, befuhr es doch dadurch als eines der ersten Länder wieder die Meere. Als im Laufe der Zeit von Tólome bessere Häfen erschlossen wurden, verlor Ahém langsam seine Bedeutung. Heute ist die Stadt vor allem nach Lían ein Wallfahrtsort für Anhänger von Tól und Omé.

Amîen:

/a-mi:-ɔ̃:/, kalt: /a-mi-ǝn/.

Stadt am Amîenmoor. Wurde am Rande des Moores gegründet, in welchem man viel Torf abbaute und in der Umgebung viel Jagdbeute fand. Später verlief hier eine wichtige Handelsroute. Die Gründung erfolgte ungefähr 1500vdF. Schnell wurde A. Hauptstadt eines gleichnamigen Reiches. Aus diesem ging 150vdF das Reich von Luvaun hervor. Nach dessen Untergang gegen 2650dF blieb A. bestehen, zunächst in anderen Reichen, später wieder unabhängig. Als in den vergangenen Jahren die Gegenden von Luvaun immer mehr verödeten und die Städte mehr nach Schutz verlangten, schloss sich A. mit Teûnfurt und Fisan zum Teûnbund zusammen, einem Handels- und Schutzbund.

Arasanh:

/ɑ-ʀɑ-sɔ̃:/, früher: /ɛ-ɹɛ-sɛn/

Stadt zwischen den Quellbäumen und Stirmen, gelegen in Parúni im Reich Tólome. Westlichste Stadt des Reiches. Die Stadt, in der einst Tól und Omé sich das erste Mal zeigten und Anhänger fanden. A. wurde vor über 3000 Jahren von colitischen Siedlern gegründet, war danach selbständiges Reich, bis es etwa 1700 unter den Einfluss von Lurruken geriet und wechselte ab 2000 zu Tól und Omé. Die Stadt erlebte in ihrer Geschichte noch viele Kriege hiernach, seit 3000 ist es aber ruhiger geworden. Heutzutage ist sie vor allem Handelsstadt, das ‚Tor zum Westen‘. Da die Wege im ehemaligen Lurruken aber gefährlich sind, ist sie auch eine Stadt der Abenteurer.

Arsullan:

/a-su-lɔ̃: /, früher: /ɑɹ-sɑ-lǝn/

A. ist eine Stadt in Saír Faloí im Reich Tólome, gelegen am Haun liun Siloen. Gegründetwurde sie im Zuge der Colite-Wanderungen gen Südost und bildete dort ein Kleinreich, bis gegen 1700 Lurruken sie eroberte. Einst lag A. an einem Nebenfluss des Panenfiress, der austrocknete, als 2000 seine Quelle durch das vorrückende Meer von A. abgeschnitten wurde. Das Meer stoppte nicht weit vor A., weshalb man die Stadt später um einen Seehafen erweiterte.

Aurost, Turm von:

/ɛʊ-ɹɔst/

Der Turm von Aurost wurde von Iotor im Gebiet des eroberten Ojonis an der Mündung des heute Dunlon genannten Flusses in die Miabanur erbaut. Der Turm sollte der neue Sitz des Herrschers von Iotor werden, wurde aber nicht rechtzeitig vor dem Jahre 2000 fertig gestellt. Nach dem Untergang des Hauptteiles von Iotor schwang sich der Verwalter von Aurost zum Herrscher über das neue Iotor auf. Später wurde es von Rardisonán zusammen mit Emadeten erobert und war danach Kernland des entstehenden Rardisonáns. Aurost war schon öfter Sitz des Tolnán und hat dank dieser Umstände eine Sonderrolle als Stadtstaat (und Fürstentum).

Der Turm wurde nie fertig gestellt, man baut immer noch daran. Mittlerweile ist er mehrere Stockwerke hoch und man baut den Großteil des Jahres an ihm. Er beherbergt Hunderte von Bewohnern.

Cóbogi:

/ko:-bo-gi/

C. wurde unter dem Namen Cobogá (/ko-bo-ga:/) ungefähr im 15.Jh.vdF gegründet, als Stämme aus Flejenda, das von Manthen erobert worden war, gen Ost wanderten und sich zwischen Gumón (Gumond) und Gíanisin niederließen. Dort wurde C. ihre Hauptstadt. Im 9.Jh.vdF erobert es seinen Nachbarn Nugisure. Im neuen Großreich erhoben sich im 6.Jh.vdF die Ojonen und machten es zu Ojonis. C. war nicht mehr Hauptstadt, doch Ojonis gedieh. So blieb es, bis in den 540ern Iotor es eroberte. C. wurde Hauptstadt der Provinz Mhadaltan und Chobogi genannt. Nach 2000 blieb C. einziges Überbleibsel von Iotor. Doch die kläglichen Reste tolumischer Siedler im Land wurden bald von den Einheimischen assimiliert und C. wurde zu Cobógi. 2418 bis 2461 führte Rardisonán Krieg gegen C. und Eruedos, eroberte sie beide und fasste sie zum Fürstentum Taniqé zusammen. Im Bürgerkrieg Ende des 35.Jh. griff Cóbogi Rardisonan an. Nachdem Ausimé Sazar gewonnen hatte, änderte er das Gebiet von Taniqé. C. ist seitdem seine Haupstadt.

C. liegt zwischen Gumón und Gíanisin, doch mittig in Rardisonán und da sich hier sehr viele Straßen kreuzen, ist sie vor allem wichtige Handelsstadt.

Fasia, Stadt:

/fa-si-ja/

Stadt, die von manthischen Aussiedlern am heute gleichnamigen Wald erbaut wurde. Hauptstadt des gleichnamigen Königreichs in Rardisonán. Erholungszentrum des Reiches mit zahlreichen Landsitzen und etwa 8.000 Einwohnern. Die Stadtmauern der Stadt werden seit tausenden von Jahren nicht mehr benötigt und werden zwar instandgehalten, jedoch nur noch als Teil der Parkanlagen.

Gadun:

/gɑ-du:n/

G. War eine tolumische Stadt am Soluten, unweit nördlich des heutigen Raygadun. Gegründet wurde sie um 2000vdF von den Tolumi. Danach war die Stadt als Kleinreich selbständig. Ab ca. 1000vdF nannte man sie Ech-Gadun, das Land Ganun. Gegen 250dF wurde sie von den Pakami erobert. Diese errichtetenden Hafen Shayadan, das heutige Raygadun, flussaufwärts. Gegen 850dF schloss sich G. Aleca an und wurde nie wieder selbständig. 2000 ging die Stadt unter.

Geistig:

/gaɪs-tik/

Einst große Stadt in Lurruken, günstig gelegen am Pass der Rukischen Berge, dort, wo der Geist von Geistebene hinunter nach Stirmen fließt. War eine große Handelsstadt und Verbindung des Verkehrs von Westlurruken in den Ostteil und dementsprechend wichtig. Auch lag es direkt an der Grenze zu Stirmen.

Illort:

/il-lort/ [imar.] Stadt des Lorts.

Größte Stadt von Machey und Sitz des Lorts, besonders bekannt für die Tukonmauer, welche hier immer noch intakt quer durch Illort verläuft und so die Hauptviertel trennt.

Jasleam:

ɛ-lãm/ Alter lurrukischer Name: Yalame /jɛ-læɪm/. Auch bekannt als Yasleam [jɛ-lãm].

J. war einstmals Grenzstadt von Lurruken, weit außerhalb in einem Hügelgebiet gelegen. Seit dem Jahr 2000 lag J. nah am Meer, errichtete dort einen Hafen und wurde eine Zeitlang wichtige Hafenstadt. Die Herren der Stadt vergrößerten ihr Gebiet und J. wurde Hauptstadt eines kleinen Landes. Im Laufe der Jahre jedoch fing das Land rund um die Stadt an, immer stärker zu versumpfen. Gleichzeitig siedelten sich zwielichtige Gestalten an und die Absichten der Herren der Stadt wurden schlechter. J. verkam immer mehr zum Piratenkaff und wurde lange Jahre von Tólome bekriegt.

Heutzutage sind die J.-Sümpfe die größten von Tólome und J. selber gilt als Heimat vielen lichtscheuen Gesindels. J. liegt in Laneun, einem Land von Tólome. Für weitere Informationen siehe die Länderbeschreibung von Tólome.

Karrac:

/ka-rak/

Nach Illort größte Stadt von Machey und auch eine der ältesten, gelegen am Zusammenfluss von Azallak und Britanlak. Einst war K. (damals noch: Karra) Hauptstadt der verschiedensten Reiche, so z.B. dem alten sowie neuen Tukon, ETukon und TuKarra. Diesen Status verlor die Stadt endgültig, als Mytillin Machey als erster Lort des neuen Tukons (das später Machey genannt wurde) seine neue Hauptstadt Illort errichtete. Doch da K. an der Kreuzung mehrerer wichtiger Handelsstraßen, hier vor allem der Los Tensarru und dem Britanlak, lag, wurde es stattdessen schnell wichtiges Handelszentrum. Noch heute haben Lorts oft einen zweiten Wohnsitz in K. Auch ist sie wieder Hauptstadt von Tukon, diesmal der Provinz, nachdem Illort zum selbständigen Stadtstaat unter alleiniger Herrschaft des Lorts steht.

Ketaine:

/ke-tæɪn/

Über die Stadt ist wenig bekannt. Sie wurde vermutlich von colitischen Siedlern gegründet. Ihr kleines Reich wurde wie viele andere colitischen und Kaltreiche ab 1700 von Lurruken unter Tamirús erobert. Die am Fluss Geist, unweit des heutigen Ru Bonaroux, gelegene Stadt ging 2000 unter.

Lían:

/li:-ɔ̃:/

Zweitgrößte Stadt von Tólome im Lande Parúni. War einst Hauptstadt des tólomischen Reiches bis zu einem tragischen Zwischenfall. Trotz allem ist Lían aber immer noch eine ansehnliche und schöne Stadt an den Westhängen des Amantkammes. Noch Heute ist sie spirituelles Zentrum der Anhänger von Tól und Omé. Seitdem Lían nicht mehr Hauptstadt von ganz Tólome ist, ist sie es zumindest noch von Parúni. Der alte Palast der Stadt wurde von Lían selber errichtet.

Lonir:

/lo-nir/ [tolji.] Tiefhügel.

Hafenstadt in West-Rardisonán an der Laruento und gleichzeitig nordwestlichste Stadt des Landes. Benannt nach dem kleinen Hügel an der Mündung der Monwasser, auf welchem die Schutzburg der Stadt steht.

Maggir:

/ma-ʒir/ Alter lurrukischer Name: Maggin /ma-gɪn/. Name, den die ursprünglichen tarlischen Sieder der Stadt gaben: Magire /mɛ-gaɪǝr/

Gegründet von tarlischen Siedlern, wurde die Stadt mit der Expansion von Lurruken diesem integriert, neu strukturiert, vergrößert und zum Stützpunkt einer lurrukischen Legion deklariert. Nach dem Untergang von Lurruken und der Vertreibung aus Lían, floh Silön nach Maggin und hielt sich dort versteckt. Später eroberte Amant Emaior die Stadt für Tól und Omé im Jahr 2000. Maggin war seitdem lange Zeit Grenzstadt für Tólome.

Nach der Flucht von Tól und Omés Sohn Niráce Jardgeault aus Lían wurde Maggin zur neuen Hauptstadt von Tólome und gleichzeitig umbenannt in M. Der neue Palast wurde auf dem Hügel errichtet, auf dem einst Amant Emaior und Silön gegeneinander kämpften. Auf dem Gelände des Palastes stehen auch die Häuser einiger der wichtigsten Adelsfamilien von Aloya und Tólome. M. ist auch Hauptstadt von Aloya. M. liegt am Guntrot, welcher einst Gantrott hieß. In der Mündung vom Bauron in den Guntrot liegt eine der wichtigsten Flusswerften von Tólome. Ebenso befindet sich auch die größte öffentliche Schule von Tólome in der Stadt.

Mytillin:

/mi-ti-lɪn/

Gleichsam Vorname des Eroberers Machey und Name der zweitältesten Festung an der Grenze zu Rardisonán, eigentlich ständig Schauplatz zahlreicher Schlachten und einer der Stützpfeiler des Landes.

Omjúen:

/ɔm-xu-en/, im Imaria: Omcen /ɔm-kɛn/

O. Ist eine Stadt im östlichen Erzherz, unfern der Girgóte (/Luibon/Tengata). Gleichzeitig ist sie die Hauptstadt von Omijern (Omicen), einem Teil von Machey (Macee). Nach dem Untergang des historischen Omijerns war die Region um die Stadt der einzige Teil südlich des Erzherzes, der nicht imarisch wurde. Eine Weile lang hielt sich hier noch der Name Omijern für ein Kleinreich. Erst später wurde es von Morgolt erobert. Sedíra stammte aus O. Noch heute ist es der einzige Teil südlich des Erzherzes, der noch juepisch ist. Die Bevölkerung stellt damit eine Minderheit dar, die sich danach sehnt unabhängig zu sein oder wenigstens zu ihren Verwandten in Rardisonán zu gehören, doch Machey denkt nicht daran, auf O. und seine Minen zu verzichten, weshalb es hier öfter Aufstände niederschlagen muss. Und Ojútolnán interessiert sich nicht dafür ein so schlecht verteidigbares Stück Land zu erobern.

Raí, Burg:

/ʀa-i:/

Name der Burg Raí. 1997 von Amant Emaior zu Ehren von Raí erbaut, war sie einige Jahre lang sein Stützpunkt und der der Verteidiger von Tól und Omé. Nach der Abreise von Emaior übernahm diese Aufgabe sowie die Burg Malont Déaron. Seit dem Tod von Raí steht sie aber verlassen.

Rardisonan:

/ɹaɹ-di-so-nan/ (tolji.: Rar’s Hauptstadt).

Hauptstadt von Iotor, einem Fürstentum von Rardisonán, gelegen auf einem Dutzend Inseln in der Banurburta, der Mündung der Miabanur in die Laruinto. Ein Viertel der Stadt, die sogenannte Verbrannte Stadt (zurückzuführen auf einen einstigen Brand und die seitdem dort sichtbaren Spuren) liegt auf dem Festland, an der Miabanur-Mündung, der Rest auf den Inseln. Der bewohnte Hauptteil der Stadt liegt auf der großen Hauptinsel und den 3 weiteren größten Inseln. Südlich des Hauptteiles liegt ein großes Inselgefängnis, das größte Gefängnis von ganz Rardisonán, abgesehen von dem bei Magin. Südöstlich liegt der Marinehafen der Stadt, der größte und wichtigste von Rardisonán. Weiterhin liegt im Süden ein Landeplatz für Veduigirm.

Die Burg der Stadt liegt auf der Hauptinsel. Sie geht auf das Lager zurück, welches Raréon an dieser Stelle nach seiner Ankunft an der Laruinto errichtete. So war die Stadt auch lange Jahre Hauptstadt von ganz Rardisonán, bis zu den Bürgerkriegen und der Gründung von Toljúin.

Raygadun:

/rɑɪ-ga-du:n/ ‚Neu-Gadun‘.

Gegründet wurde die Stadt gegen 300dF von den Pakami im heutigen Aleca, flussaufwärts vom damaligen Gadun. Heute liegt sie direkt am lecischen Meer und der Bucht von Gadun. Der Gründungsname war Shayadan. Die einheimische Bevölkerung nannte es später Rajadan. Als 800dF Pakama zerbrach, bildete sich in Rajadan Widerstand. Andere Städte verbündeten sich mit ihr und gründeten die Republik Aleca. Bald wurde beschlossen, dass Aleca durch einen Rat zu beherrschen sei, gebildet durch Repräsentanten der Mitgliedsstädte. Der Rat befand sich im nordöstlichen Stadtteil.

2000dF drang das Meer bis hierhin vor und zerstörte den Rat, nicht jedoch die restliche Stadt. Aleca zerbrach jedoch, an den Küsten herrschten Gewalt und Kleinreiche. Bis 2244 hatten Soluten und Halana Aleca wiedererobert, einen neuen Rat eingesetzt und die Stadt in R. umbenannt.

R. ist die Hauptstadt von Aleca und zweitgrößte Stadt des Kontinentes. Sie beherbergt unter anderem die größte Bibliothek der Welt.

Rees:

/ri:s/ Auf Toljipajin: Rées /ɹe:s/. Im Tarlischen: Rheese /ɹi:s/.

Die älteste existierende Stadt Macheys liegt an dem kleinen Fluss Reesil, einem Nebenfluss des Britanlak, welcher im Erzherz entspringt. Rees war einst die mächtige Hauptstadt von Omijern und das wichtigste Handelszentrum in weitem Umkreis. Nach dem Putsch von Gusta Marénis gegen Amís Cállate, welcher daraufhin seine Exilregierung von Omijern in Fasia etablieren musste, ging es mit R. abwärts. Andere Teile von Ex-Omijern errangen ihre Unabhängigkeit oder wurden erobert. R. eroberte im Laufe der Zeit selber andere Gebiete und herrschte schließlich über das Land TuReesten, die kläglichen Überreste von Omijern und DeTukon.

Mytilliny Machey übernahm schließlich das Nachbarland TuKarra und eroberte TuReesten. Dies besiegelte das Ende der Handelsstadt Rees, da die lukrativen Handelsrouten nach Norden, nach Fasia, gesperrt wurden, da M. Machey schließlich im Krieg mit Raréon lag. R. degenerierte immer weiter.

Bald errichtete das Land Machey die Los Tensarru, die wichtigste Handelsstraße des Landes, und leitete sie über die neue Hauptstadt von Machey: Illort. R. war somit von dieser Route auch abgeschnitten. Übrig blieb nur der Handel auf dem Fluss. Der Reesil ist jedoch nur schwer beschiffbar.

Heute dient R. vor allem als Garnison und Fast-Grenzposten, auch gibt es im nahen Erzherz Goldvorkommen, die in Reesten gefördert werden, dessen Hauptstadt R. ja immerhin ist.

Silaine:

/si-læɪn/

Siehe Ketaine. Sie lag am Fluss Gantrott (Guntrot) unweit des heutigen Lanc. Bei Ebbe kann man manchmal noch ihre Ruinen im Meer sehen.

Taiban:

/tæɪ-bɛn/

T. war einst eine Stadt am östlichen Ende der Quellbäume, vermutlich gegründet von colitischen Siedlern. Über die weitere Geschichte von T. ist kaum etwas bekannt. Genau wie die anderen colitischen Kleinreiche geriet es bald unter die Kontrolle von Lurruken. T. ist bekannt als die Stadt, die 1982 Tól und Omé abwies, wenige Jahre später aber während Lurrukens Niedergang zu ihnen wechselte. In Taiban (/te:-bɔ̃/) wurde 2542 Tól und Omés Sohn Sináque ermordet und daraufhin von General Mérchanis besetzt. 2546-47 wurde T. von Arasanh und Silûne belagert und schließlich völlig zerstört.

Tambaheim:

/tɛm-bɑ-hæɪm/

T.s Gründungszeit ist unbekannt, doch wurde die Stadt wie so viele in der Gegend gegründet, als colitische Siedler gen Südosten drängten. T. war vermutlich aber bereits zuvor Sitz eines Kaltreiches gewesen. Aber erst mit lurrukischen Berichten ab ca. 1300 lässt sich T. als Hauptstadt von Tambien erfassen. Wenige Jahre später wurde Tambien von Lurruken erobert. Im Jahre 2000 ging T. wie andere Küstenstädte unter. Um T. ranken sich noch heute viele Legenden, so z.B. von versunkenen Schätzen.

Tamilor:

/ta-mi-lor/

Einstige Hauptstadt von Lurruken für fast 1000 Jahre. Der Sage nach im 12. Jh. gegründet von dem von den Göttern gesandten Amulos, Anführer des Stammes der Ruqier, an dem Fluss, den man heute Iol nennt, westlich der Geistberge. So wie sich Lurruken rapide vergrößerte, tat es auch T.. Im Laufe der Jahrhunderte baute man nördlicher der Stadt einen Kanal zum Fluss Cormoda, über welchen nun auch etwas mehr Flusshandel möglich wurde. Die Stadt soll später nahezu übergequollen sein vor Wundern und prächtigen Bauten. Der Kaiser Lurrukens erhielt bald seine eigene Stadt in der Stadt. Als letzter herrschte hier Tamirús, mit dem sowohl Stadt als auch Lurruken nach dem Jahr 2000 langsam endgültig zerbrachen, als die Völker des Reiches auch ihre Unabhängigkeit forderten. T. wurde verlassen, als das Land langsam zu versumpfen begann und man kein Mittel mehr dagegen wusste. Heutzutage wagen es nur noch Abenteurer die Stadt zu suchen, denn kaum jemand findet lebend aus dem Moor zurück und niemand kam um von T. zu berichten.

Sprachliches:

Asep, der:

/a-zǝp/

Titel eines niederen Adligen in Machey, welcher unter dem Lentro und allen anderen steht.

Ilent, der:

/ɪ-lǝnt/ [imar.] Hochstehender Bürger.

So dürfen nur wenige bezeichnet werden.

Iloc, der:

/ɪ-lok/ [imar.] Mittelständischer Bürger.

Bezeichnung, mit der niedrig Gestellte Höherrangige gern unterwürfig ansprechen.

Iltar, der:

/ɪl-tar/ [imar.] Niedrigstehender Bürger.

Bezeichnung der Höherstehenden für die ärmere Bevölkerungsschicht.

Imaria, das:

/ɪ-ma-rɪ-ja] (Imarisch)

Abgekürzt: imar. Offizielle Amtssprache in Machey, wird sonst auch in den imarischsprechenden Gegenden Alecas verstanden. Es ist nicht ganz sicher, ob es eine reine Weiterentwicklung der Sprachen am Britanlak ist oder sich auch stärker mit den Nachbarsprachen vermischt hat. Präpositionen u.ä. werden grundsätzlich vor das dazugehörige Objekt gestellt (Bsp.: an’Karrac – aus Karrac – oder es’Hvlangar – von Hvlangar). Aussprachehilfen (viel Unterschied zum Deutschen gibt es eigentlich nicht): V wird zwischen Konsonanten wie U ausgesprochen, sonst wie W, Q immer wie K, EE wie langes I, OU wie langes U, C immer wie K und SH wie SCH.

ee, das: (In Imaria) gesprochen wie langes I.

Laut, welcher ursprünglich wohl aus Reesten stammte und dort noch am meisten verwendet wird, mittlerweile jedoch auch in anderen Regionen von Machey zu finden ist.

ey, das: (In Imaria) gesprochen wie langes I.

Laut, welcher von Mytillin Machey mitgeschleppt wurde und in Machey nur in diesem Wort selber existiert.

ou, das: (In Imaria) gesprochen wie langes U.

Laut, welcher ursprünglich wohl aus Troumland stammte und dort noch am meisten verwendet wird, mittlerweile jedoch auch in anderen Regionen von Machey zu finden ist.

sh, das: (In Imaria) gesprochen wie SCH.

Laut, welcher ursprünglich wohl aus Troumland stammte und dort noch am meisten verwendet wird, mittlerweile jedoch auch in anderen Regionen von Machey zu finden is.

Lard, der:

/lart/

Titel eines mittleren Adligen in Machey, welcher über dem Ronner steht.

Lentro, der:

/lǝn-tro/

Titel eines niederen Adligen in Machey, welcher unter dem Lard aber über dem Asep steht.

Namen, Imarische:

Die Namensgebung sieht im Imarischen normalerweise vor, dass jemand einen Vornamen hat und dann als Nachnamen seinen Heimatort nennt, doch Bürger von Städten haben teilweise auch richtige Nachnamen. Namen, die auf einen Vokal enden sind meist (aber nicht immer) weiblich, sonst männlich; Namen, die mit einem Vokal anfangen sind eher selten; das K ist ein nur selten und wenn dann am Anfang benutzter Buchstabe, männliche Namen enden oft auf -ic oder -VOKALm.

Form der Namen: VName aus Dorf bzw. VName NName (aus Stadt)

Bsp: Hvlangar Luqur an’Rees

Rodym an’Karrac

Ronner, der:

/rɔn-nǝr]

Titel eines mittleren Adligen in Machey, welcher noch über dem Lentro aber unter dem Lard steht.

Toljipajin, das:

/tɔl-dʒɪ-pa-dʒɪn] [tolji.] Sprache des Tóls (bzw. Königliche Sprache). (Toljipisch/Tolji) Abgekürzt: tolji.

Offizielle Amtsprache im ganzen gewaltigen Imperium von Ojútolnán und sicherlich eine der meistgesprochenen Sprachen der bekannten Welt (neben Lecin, den Luvaunsprachen und Pervonisch). Vorläufer war Toljuepa bzw. Juepisch, welches heutzutage aber kaum noch verstanden wird. Entstanden ist es aus den Sprachen, welche ursprünglich in der Gegend des Guilardeltas gesprochen wurden, Legenden zufolge damit also der direkte Nachfahr der Sprache von Char y Son, sowie mit einem Hauch Luvaun vermischt und, je nach Region, manchmal auch mit Tolumi, Imaria oder örtlich vorkommenden anderen Sprachen.

Topographisches:

Amantkamm, der:

/a-mõ/

Einzige erwähnenswerte Bergkette in Tólome abgesehen von der Birg. Bergkamm im Herzen von Tólome, benannt nach Amant Emaior nach dessem Exodus im Angedenken an ihn und auch an Omé. Der A. ist weder hoch noch breit, aber halbwegs lang. Die Flüsse Doul und Sopin entspringen hier und er ist die natürliche Grenze zwischen Aloya und Fleundan. Am Westende liegt die Stadt Lían, am Ostende, nah der Quelle des Sopin, die Burg Raí, beide benannt nach den Kindern von Tól und Omé. Der ehemalige Palast von Tól und Omés Sohn bzw. Tochter liegt auf Terrassen in Lían.

Azirun, das:

/ɑ-zi-ʀʊn/

Das A. ist ein keilförmiges Gebirge, das Silûne und Dhranor voneinander trennt. Die Breite Seite des Keils liegt hierbei am Meer. Das A. ist eines der größeren Gebirge des Kontinentes. Der steile, kaum passierbare Kamm des A. liegt im Westen. Dhranor kann deshalb im Azirun nur etwas Bergbau betreiben, es entspringen auf dieser Seite kaum Flüsse dem A.. Im Osten dagegen fällt das A. sanfter ab und zahlreiche Flüsse entspringen dem Gebirge, allesamt Quellflüsse der Nechdra.

Britanlak, der:

/brɪ-tan-lak/ [imar.] Fluss der roten Insel.

Einer der größten Flüsse des Kontinents, wird gespeist vom Haregez aus den Haretländern und entsteht selbst aus zwei kleinen Flüssen irgendwo im Randetal. Unter den Freunden Ojútolnáns ist der Fluss eher bekannt als Guilar, der Blutfluss, dessen gewaltiges Delta in Rardisonán in den Toresgald mündet. Am Britanlak/Guilar liegen etliche große Städte, die bekanntesten dürften Catalgi auf der Britani, Pyredar, Karrac und Charyson (Karison) sein. Den Hauptteil seines Weges über fließt er durch Machey und prägt dessen Landschaft, größte Nebenflüsse: Haregez, Magisil, Azallak und Toljúlon.

Fasiawald, der:

/fa-zi-ja/

Größeres Waldgebiet am westlichen Erzherz in Rardisonán, zweitgrößtes Waldgebiet im Norden nach dem Guihúd. Benannt nach dem Lande Fasia in West-Rardisonán. Der F. wurde schon von Sedíra (Secyma) für seine Schönheit bewundert und begehrt. Er ist durchzogen von Lichtungen und schönen Auen, Bächen und Flüssen.

Am Nordrand des Waldes liegt Fasia, die Hauptstadt des gleichnamigen Landes.

Die friedliche Schönheit des Landes ist ein starker Gegensatz zum nördlich gelegenen Saten. Die Flüsse Tozzen sowie die Monwasser entspringen im Erzherz und durchfließen den F..

Ibigo, eine weitere Stadt, liegt an den Monwassern am Ostrand des Waldes.

Am Südende aber liegt die Festung Goldberg (Sadaeavir), die den Pass über das Erzherz nach Machey hinein verteidigt.

Haregez, der:

/ha-re-ges/

Name des Flusses, welcher in den Rimmzacken bei Tarle entspringt, den Hyrnsee bildet und dann A’Luma und Panme durchfließt um bei Pyredar in den Britanlak/Guilar zu münden. Zumindest der untere Teil ist stark beschifft, Kanäle führen, in A’Luma beginnend, sogar in die Luvaunsteppe zur Cormoda und zum Telénesee. Oft auch als weiterer Name für den Britanlak genutzt.

Lusuvameer:

/lu-zu-vɑ/. Ältere Namen: Lusvameer, Lavameer, Luvaunmeer.

Der Legende nach war das L. einst eine gewaltige Senke. Viele Feuerberge sprenkelten dessen Grund, ihre Lava gab der Landschaft ihr Aussehen. Im Laufe der Jahrhunderte füllten die Flüsse Lusva, der Daloun und andere kleine Flüsse die Senke, bis das L. entstand. Es füllte sich so stark, bis es überlief. An seinen niedrigen Seiten bahnten sich die Fluten ihren Weg durch die Berge und ergossen sich in drei großen Fällen in die Flüsse Azallak, Goldfluss und Soleurn. An einer weiteren Stelle entstand der Fost. Ob diese Legende nun wahr ist oder nicht, seit gut 6000 Jahren hat das L. die selbe Form, doch unterschiedliche Namen. Der Name Lavameer könnte sich von den Feuerbergen in den umgebenden Bergen herleiten. Interessanterweise gab es nie einen Hafen an diesem riesigen Binnenmeer. Im Süden begrenzt es das Amîenmoor, im Norden und Osten die Berge, im Westen das Hochland – allesamt sehr unwohnliche Gebiete.

Pentas:

/pɛn-tɑs/.

Ein P. war in Tukon die Bezeichnung für einen Grenzturm, seltener auch für eine kleine Grenzburg.

Schmelzöfen, die:

Größtes Gebirge der östlichen Heimländer. Die S. reichen von den Grauspitzen im Nordosten, einem Ausläufer der S., bis nach Süden an den Wald von Stirmen. Einst war es eine gewaltige Barriere zwischen dem Hochland von Westlurruken und dem Tiefland von Ostlurruken. 2000 überflutete das Meer das Tiefland und hielt erst an den S. Die große Schmelzbucht hat ihren Namen von den S. Ihren eigenen Namen haben sie von den zahllosen Feuerbergen, einige davon sind noch aktiv. Nebenflüsse der Cormoda kommen aus den S. Im Norden soll angeblich die Hochfestung Werzan liegen. Die S. sind völlig von Wald umgeben, auch ihre niederen Hänge hinauf. Im Westen der Salzwald, im Süden Stirmen, im Norden der Fisanwald, im Nordosten der Geronanwald. Akalt ist das einzige Land, das Ansprüche auf einen Teil der S. erhebt. Die S. sind aber ein beliebtes Jagdgebiet, selbst Macaten findet man hier – und auch nirgends sonst. Zu Zeiten Lurrukens wurde auch etwas Bergbau betrieben, doch scheinen die S. kaum etwas wertvolles zu bergen.

Tukonmauer, die:

/tu-kɔn/

Das Land Tukon ging zugrunde aufgrund von inneren Schwierigkeiten. Nachfolger waren hauptsächlich die Länder TuReesten und TuKarra, welche jedoch stark zerstritten waren und eine Mauer zwischen ihren Gründen errichteten, die Tukonmauer. Heutzutage ist sie größtenteils stark verfallen und mit Erde bedeckt, weshalb sie stellenweise auch Tukonhügel genannt wird. Nur das Stück, welches direkt durch Illort geht und dort als Trennung der Hauptviertel dient, ist noch in bester Ordnung.

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