Störungen der Proteinbiosynthese

Die Proteinsynthese, durch welche in den Ribosomen Proteine hergestellt werden, stellt einen ganz erheblichen Faktor im Dasein allen Lebens dar. Denn viele Lebensstoffe bestehen aus Proteinen. Aus Proteinen werden z.B. Bausteine des Endoplasmatischen Reticulums, sie dienen zur Energiegewinnung in den Mitochondrien bzw. Chloroplasten oder bilden sich weiter zu Hormen wie Insulin, Verdauungsenzymen wie Trypsin und ähnlich komplizierteren Dingen.

Störungen der Proteinsynthese bedeuten einen erheblichen Fehler in der Zellteilung. Kommen diese im menschlichen Organismus vor, stellt dies natürlich eine Gefahr für das Leben dar. Das Verständnis der Proteinbiosynthese gilt daher einerseits als wichtiges Tor zur Entschlüsselung des Lebens an sich. Doch andererseits öffnet es zugleich den Zugang zu den eher dunklen Seiten des Lebens, den Krankheiten, denn diese haben ihre Ursache häufig in Störungen der Proteinsynthese. Da die Proteinsynthese stets in den Ribosomen abläuft, erklärt dies auch, warum die Ribosomen derart im Mittelpunkt vielfältiger Forschungsanstrengungen stehen.

Aber noch eine dritte Möglichkeit gibt es, die Möglichkeiten von Proteinsynthesestörungenauszunutzen. So kann man, wenn man es versteht diese Störungen auszulösen, auf diese Art auch besonders wirkungsvoll Krankheiten bekämpfen. Denn die meisten Krankheiten werden wohl immer noch von Bakterien, Viren und anderen Kleinstlebewesen verursacht, die sich nur mit Hilfe der Zellteilung fortpflanzen können. Es wurde fleißig geforscht, und letztlich erhielt man wirksame Medikamente: Antibiotika und Cytostatika.

Antibiotika sind biologische Wirkstoffe aus Stoffwechselprodukten von Kleinstlebewesen, die andere Mikroorganismen im Wachstum hemmt oder gar abtötet. Sie verhindern die Proteinsynthese von Bakterien, nicht aber die der Eukaryoten. Antibiotika sind deshalb Arzneimittel gegen bakterielle Infektionen. Einige Antibiotika, wie z.B. Chloramphenicol, blockieren die Bildung der mRNA, andere, wie z.B. Streptocymin, stören die Proteinsynthese am Ribosom. So können sich dann die Bakterien weder weiter vermehren noch wachsen. Solche Stoffe nennt man Bakteriostatika. Stoffe, die Bakterien abtöten, heißen Bakteriocide.

Cytostatika sind chemische Wirkstoffe, die die Entwicklung und Vermehrung schnell wachsender Zellen (wie Tumoren) hemmt und verhindern die Zellteilung von Eukaryoten. Sie wirken ähnlich wie Antibiotika. Einige Cytostatika beeinträchtigen die DNA-Synthese im Zellzyklus, und wieder andere verhindern den Aufbau der Kernspindel.

Allerdings haben die Cytostatika auch einen erheblichen Nachteil: sie wirken sich nicht nur auf die Zellen im Tumorgewebe aus, sondern auch auf die Regeneration sämtlicher anderen Zellen im Organismus, wie z.B. die Blutkörperchenbildung oder die Wundheilung.

Lexikon:

Antibiotikum, das: biologischer Wirkstoff aus Stoffwechselprodukten von Kleinstlebewesen, der andere Mikroorganismen im Wachstum hemmt od. abtötet.

Zytostatikum, das: Substanz, vor allem chem. Natur, die die Entwicklung u. Vermehrung schnell wachsender Zellen hemmt (zur Behandlung von Tumoren).

Proteinbiosynthese, die: Vorgang, bei dem die Reihenfolge der Basen der DNS in eine bestimmte Aminosäuresequenz übersetzt wird u. dadurch ein artspezifisches Protein gebildet wird.

Polypeptid, das: aus verschiedenen Aminosäuren aufgebautes Zwischenprodukt beim Ab- od. Aufbau der Eiweißkörper.

Anticodon: spezifische Abfolge von drei Nukleotiden in der Molekularbiologie

Protein, das: nur aus Aminosäuren aufgebauter einfacher Eiweißkörper.

Ribosom, das: hauptsächlich aus Ribonukleinsäuren u. Protein bestehendes, für den Eiweißaufbau wichtiges, submikroskopisch kleines Körnchen am endoplasmatischen Retikulum.

endoplasmatisches Retikulum: mit Ribosomen besetzte Netzstruktur in einer Zelle.

Eukaryoten, die: zusammenfassende Bez. für alle Organismen, deren Zellen durch einen typischen Zellkern charakterisiert sind

Transkription, die: Überschreibung der genetischen Information von der DNS in die Messenger-RNS.

Translation, die: Übersetzung der in der Messenger-RNS gespeicherten Information in die zu bildenden Proteine.

Buchtext:

Biosynthese der Proteine

Orte der Translation sind die Ribosomen (Abb.). Man beweist dies durch kurzzeitige, z.B. 10 Sekunden dauernde Zufuhr von 14C-markierten Aminosäuren. Die Radioaktivität muss sich dort anhäufen, wo aus markierten Aminosäuren Polypeptide aufgebaut werden. Dies ist an den Ribosomen der Fall. Sie enthalten eine Anzahl von Enzymen, die zur Proteinsynthese erforderlich sind.

Die Aminosäuren werden im Cytoplasma an eine tRNA gebunden. Jeder tRNA-Typ kann nur eine bestimmte Aminosäure binden (mit Hilfe eines spezifischen Enzyms). Die tRNA-Moleküle haben einen ganz bestimmten Bau (Abb.). Ein Teil der Basen ist gepaart, an vier Stellen des Moleküls treten jedoch Schleifen mit ungepaarten Basen auf. An einer Schleife des Moleküls befindet sich ein bestimmtes Basentriplett, das mit einem komplementären Codon der mRNA in Wechselwirkung treten kann. Man nennt dieses Triplett der tRNA daher Anticodon (Abb.). Am 3′-Ende der tRNA, an dem die Aminosäure angeheftet wird, findet sich stets die Basenfolge CCA. Die von tRNA-Molekülen mitgebrachten Aminosäuren werden am Ribosom zum Polypeptid verknüpft (Abb.). Die tRNA-Moleküle sind Dolmetschern vergleichbar, welche die Sprache der DNA bzw. der mRNA (Sequenz von Basen) in die Sprache der Proteine (Sequenz von Aminosäuren) übersetzen.

Schon während der Synthese des Polypeptids (Abb.) beginnt sich dessen Raumstruktur auszubilden; sie ist die Folge von Bindungskräften zwischen den Seitenketten der verknüpften Aminosäuren. Die Raumstruktur wird nach der Ablösung vollendet. (Sie ist also nicht gesondert in der DNA verschlüsselt). Damit liegt ein funktionierendes Protein vor (meist ein Enzym).

Zur Ablesung der mRNA-Tripletts durch tRNA-Moleküle bewegt sich das Ribosom relativ zum mRNA-Strang. Während der Weiterbewegung des ersten Ribosoms hat sich ein zweites Ribosom, dann ein drittes, danach ein viertes usf. an den mRNA-Strang angelagert, so dass schließlich viele Ribosomen hintereinander auf der mRNA liegen und sich an ihr weiterbewegen (Abb.). Sie bauen alle je ein Molekül des gleichen Polypeptids auf. Man bezeichnet die Gesamtheit aller an einem mRNA-Molekül sitzenden Ribosomen als Polysom (Polyribosom, Abb.). Durch die Bildung von Polysomen wird die Information einer mRNA mehrmals genutzt, bevor ihr Abbau durch Ribonukleasen einsetzt. Dieser Abbau erfolgt bei E.coli rasch, bei höreren Organismen bleibt die mRNA in der Regel länger erhalten. In einer Zelle liegen viele Tausende von Ribosomen, so dass sich gleichzeitig eine außerordentlich große Zahl von Polypeptiden (und damit von Proteinmolekülen) bildet, wenn entsprechend viele verschiedene mRNA-Moleküle aus dem Kern austreten.

Zur Synthese eines Polypeptids treten an die mRNA die beiden Untereinheiten eines Ribosoms heran und bauen ein funktionsfähiges Ribosom auf. Die mRNA wandert dann durch das Ribosom hindurch. – Die Reihenfolge der Aminosäuren im Proteinmolekül ist abhängig von der Basenfolge des transkribierten DNA-Abschnitts.

Beim Start der Synthese lagert sich eine mit der Aminosäure Methionin beladene tRNA an das Startcodon der mRNA an, da diese tRNA das passende Anticodon trägt. Auf dem Ribosom befinden sich zwei Bindungsstellen für beladene tRNA-Moleküle, die als P- und A-Bindungsteile bezeichnet werden (Abb.). Die Bindung der Start-Methionin-tRNA erfolgt an der P-Bindungsstelle. An der noch freien A-Bindungsstelle bindet sich dann eine weitere beladene tRNA, nämlich diejenige, deren Anticodon zu dem Codon passt, das in der A-Bindungsstelle liegt (Abb.). Nun erfolgt die Verknüpfung der beiden Aminosäuren; dabei wird die tRNA der P-Bindungsstelle aminosäurefrei und löst sich ab. Die mRNA wird nun um ein Codon verschoben, und die tRNA der A-Bindungsstelle, an der die beiden verknüpften Aminosäuren (das Peptid) gebunden sind, muss daher in die frei gewordene P-Bindungsstelle überwechseln. Die dadurch freigewordene A-Bindungsstelle, in der nun das nächste Codon liegt, bindet eine neue beladene tRNA. Dann kann die nächste Verknüpfung zwischen dem schon vorhandenen Peptid in der P-Bindungsstelle und der Aminosäure in der A-Stelle stattfinden. Der ganze Vorgang läuft weiter, bis ein Stop-Codon erscheint. Dann bricht das Wachstum der Polypeptidkette ab.

Signalsequenz der Proteine. An den zahlreichen Ribosomen einer Zelle werden oft zahlreiche verschiedene Proteien gebildet; darunter sind Membranproteine und Enzyme, die ihre Funktion nur im Mitochondrium oder nur in einem der anderen Zellorganellen ausüben. Wie wird nun sichergestellt, dass jedes Protein an den richtigen Platz in der Zelle gelangt? Für verschiedene Proteine wurde dies geklärt. Die ersten 15 bis 45 Aminosäuren, die bei der Proteinsynthese miteinander verknüpft werden, dienen als Signalsequenz. Wird diese von der Membran eines bestimmten Zellorganells erkannt, lässt sie das Protein eindringen, und die Signalsequenz wird abgespalten. Eine andere Signalsequenz macht das Protein zum Membranprotein. Die Signalsequenz wirkt wie eine Postleitzahl; sie legt fest, an welchen Ort in der Zelle das Protein gehört. Ein Protein mit Signalsequenz wird als Präprotein bezeichnet. Veränderungen an Polypeptidketten von Proteinen nach deren Synthese am Ribosom nennt man Protein-Reifung (Protein-processing).

Bei Proteinen, die ins Endoplasmatische Reticulum (ER) oder dessen Membran gelangen, erfolgt schon während der Synthese die Bindung der Signalsequenz an die ER-Membran. Dadurch lagern sich die Ribosomen an das ER an (rauhes ER). Proteine, die in die Mitochondrien oder Chloroplasten gelangen sollen, entstehen hingegen im Cytoplasma als vollständige Präproteine, und diese werden dann in die Organellen transprotiert, wobei die Signalsequenz abgespalten wird.

Noch komplizierter ist die Proteinreifung bei solchen Proteinen, die aus der Zelle hinaustransportiert werden (z.B. Insulin und andere Hormone, Trypsin und andere Verdauungsenzyme). Sie dürfen in der bildenden Zelle nicht tätig werden, deshalb entsteht das Protein als eine Vorstufe, die Proprotein (z.B. Proinsulin) genannt wird. Dieses Proprotein wird über die Dictyosomen und Golgi-Vesikel durch Exocytose aus der Zelle ausgeschleust. Erst während dieses Vorganges entsteht aus dem Proprotein durch Abspaltung eines Stücks der Polypeptidkette das fertige Protein (z.B. Insulin). In alle Dictyosomen gelangt das Proprotein (z.b. Proinsulin) über Vesikel vom ER her. Die Bildung des Proproteins erfolgt in der geschilderten Weise am ER. Es entsteht also zunächst ein Proprotein mit Signalsequenz, das al Prä-proprotein (z.b. Prä-proinsulin) bezeichnet wird.

Störungen der Proteinbiosynthese durch Antibiotika und Cytostatika

Stoffe, welche die Protein-Synthese in Bakterien verhindern, aber diejenige der Eukaryoten nicht beeinflussen, eignen sich als Arzneimittel gegen bakterielle Infektionen. So blockieren einige Antibiotika (z.B. Chloramphenicol) die Bildung der mRNA, andere stören die Proteinsynthese am Ribosom (z.B. Streptomycin). Die Bakterien können dann weder wachsen noch sich vermehren. Solche Stoffe nennt man Bakteriostatika. Stoffe, die Bakterien abtöten, heißen Bakteriocide.

Andere Stoffe, welche die Zellteilung von Eukaryoten hemmen (Cytostatika), wirken ebenfalls durch Störung der Transkription oder der Translation. Sie werden in der Medizin zur Bekämpfung von Tumoren eingesetzt. Einige Cytostatika beeinträchtigen die DNA-Synthese im Zellzyklus, und wieder andere verhindern den Aufbau der Kernspindel. Allerdings wirken die Cytostatika nicht nur auf die sich teilenden Zellen im Tumorgewebe, sondern hemmen auch die Zellregeneration im Organismus (z.B. zur Blutkörperchenbildung und zur Wundheilung notwendige Zellteilungen).

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