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1. Einleitung
René Descartes (1596 – 1650) war Mathematiker und einer der wohl bekanntesten Philosophen, vor allem kennt man sein ‚cogito ergo sum‘. Auch bekannt ist seine materialistische Ansicht vom Menschen als Maschine, die allerdings dualistisch ist: Seele und Körper. Er war also sehr materialistisch wie z.B. sein Zeitgenosse Hobbes, brach jedoch mit dem klassischen Bild, das Platon und Aristoteles lieferten, um eigene Wege zu gehen; realistischere und kritischere Wege. In seinem letzten Werk „Die Leidenschaften der Seele“ von 1649 zeigte er genau das auf, was der Titel versprach. Eine dieser Leidenschaften nun ist die Liebe. Descartes sagt nicht wirklich viel zur Liebe, doch will ich dies hier sammeln. Damit der Leser aber überhaupt versteht, was für Descartes eine Leidenschaft ist und wie sie im Körper entsteht, stelle ich dem eine kurze Einleitung voran, die erklärt, wie die Seele wirkt. Wen das nicht interessiert, der mag es überspringen.
2. Körper und Seele. 1
Zunächst einmal unterscheidet Descartes zwischen Tun, das von einem agens ausgeht, und Leiden, das dem patiens zukommt (Leiden von ‚erleiden‘). Beim Menschen ist der Körper derjenige, der tut, und die Seele das, was leidet. Um unterscheiden zu können, was zu unserem Körper gehört und was zur Seele, führt er an, dass das, was auch in der Natur vorkommt, unser Körper ist, dagegen das, was nicht in anderen Körpern vorkommt, unsere Seele. Die Trennung also zwischen physischer Natur und ‚etwas anderem‘. Die Seele sorgt für die Gedanken, der Körper bringt Bewegung und ‚Wärme‘.2 Laut Descartes nahmen viele den Irrtum an, dass ohne die Seele der Körper seine Bewegung und Wärme verliert, doch richtig sei vielmehr das Umgekehrte: Die Seele verschwindet, sobald der Körper ‚kaputt‘ ist. Erst das bringt den Tod, nicht das Fehlen der Seele.
Wie gesagt war Descartes‘ Ansicht sehr materialistisch. Im Gegensatz zu seinen scholastischen Vorgängern nahm er seine Ansichten aber nicht bloß aus Überlegungen, sondern vor allem aus medizinischen Erkenntnissen. Sehr explizit erklärt er den Körper und seine Funktionen. Dass die Nahrung durch Magen, Gedärme, Leber ins Blut übergeht. Wie das Herz das Blut durch Venen und Arterien über die Lungen durch den Körper pumpt und vieles mehr über den Blutkreislauf. Dass die Muskeln durch Verkürzung und Dehnung die Glieder bewegen. Und dass das Gehirn über Nerven Kontakt zu den Sinnen hat und die Muskeln steuert. Hier sagt er aber auch, dass es ‚Lebensgeister‘ seien, ein ’subtiler Wind‘, der durch die Nerven weht und für das Gehirn agiert. Wie genau sie arbeiten, sei dagegen noch unbekannt. Weiterhin aber sei die ‚Wärme‘ im Blut der Antrieb des Körpers (also seine Energie). Detailliert beschreibt er, wie das Herz pumpt und das Blut bewegt und über dieses die ‚Wärme‘ als Nahrung im ganzen Körper verteilt. Ein besonders stark verdünntes Blut komme hierbei in das Gehirn, was er ebenfalls ‚Lebensgeister‘ nennt. Die Lebensgeister sind also nicht immateriell sondern kleine Körper.
Die Leidenschaften nun sind Wahrnehmungen (bzw. eher evidente Erkenntnisse, da man sie nicht wirklich ‚kennt‘ wenn sie einem passieren) oder Empfindungen (weil man sie wie durch die Sinne erkennt) oder Emotionen der Seele (weil sie diese erregen), nur dieser zugehörig (da nicht von Außen kommend, höchstens durch Außen ausgelöst) und werden veranlasst durch Bewegungen der Lebensgeister (weil sie sich immerhin auf Äußeres beziehen).
Die Seele ist mit dem ganzen Körper verbunden, weil dieser unteilbar sei, doch bleibt stets in diesem, auch wenn ein Teil fehlt. Hier stellt Descartes die interessante Theorie auf, dass die Seele in einer kleinen Drüse in der Hirnmitte sitzt; genau die Stelle, wo die Lebensgeister durch müssen. Seine Begründung, warum es diese Drüse ist lautet: Weil alle anderen Organe doppelt vorkommen. Die Drüse aber ist einzigartig3 und vereint die doppelten Eindrücke. Das Herz sei es nicht, weil die Leidenschaften nur darauf wirken, allerdings vom Hirn aus, wie dieses auch auf z.B. die Füße wirkt.
3. Von Liebe und Hass.
Liebe ist, wenn man ein Objekt für gut befindet, Hass dagegen, wenn man es für schlecht befindet. Liebe sind Emotionen der Seele, die durch die Lebensgeister hervorgerufen werden, welche die Seele dazu anregen, sich mit dem Objekt zu beschäftigen. Hass ist auch eine Emotion der Seele, doch regen die Lebensgeister hier die Seele dazu an, vom Objekt weg zu wollen. Da die Lebensgeister es hervorrufen, ist der ganze Prozess nicht willentlich. Bei der Liebe fühlt man sich mit dem Geliebten als Ganzes, bei Hass dagegen sieht man sich selber bereits als Ganzes.
‚Andere‘, wie Descartes sagt, unterscheiden zwischen wohlwollender Liebe, bei dem man dem Objekt Gutes tun will, und begehrender Liebe. Doch für Descartes scheint beides dasselbe zu sein, denn diese Beschreibungen sind nur Auswirkungen der Liebe, derweil ihr grundlegendes Wesen dasselbe ist: man will mit dem Objekt zusammen sein. Begehren ist die Liebe auf den Besitz des Objektes und ‚richtige‘ Liebe ist, dass man mit dem Objekt zusammen sein und nur Gutes für es will.
Descartes unterscheidet verschiedene Arten von Liebe. Bei der Zuneigung ist das Objekt weniger wert als man selber. Bei der Ergebenheit ist es mehr wert. Bei einer Freundschaft dagegen ist es gleichwertig.4 Hass dagegen kennt nur eine Art.
Liebe und Hass entstehen aber beide aus Erkenntnis, aus Wissen über das Objekt. Liebe aber ist stets besser als Hass, denn sie bringt Freude und kann nie zu groß werden. Sie vervollkommnet uns, sie verbindet uns mit etwas Gutem und macht uns so zu etwas Höherem.
4. Literatur
* Descartes, René: Die Leidenschaften der Seele. Hamburg: Meiner 1984
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Fußnoten:
1Vgl. Descartes, René: Die Leidenschaften der Seele. Hamburg: Meiner 1984, S. 3ff.
2Das, was Descartes Wärme nennt, könnte man wohl gut als Energie bezeichnen. Vgl. hierzu seine folgenden Ausführungen.
3An der Stelle vergisst er aber noch die Leber und andere einzelne Drüsen. Aber gut, die sitzen nicht ‚mittig‘.
4Also sieht er ähnlich wie Montaigne vor ihm nur die Freundschaft als wahre Definition von Liebe?
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[…] Liebe als Leidenschaft bei Descartes René Descartes (1596 – 1650) war Mathematiker und einer der wohl bekanntesten Philosophen, vor allem kennt man sein ‘cogito ergo sum’. Auch bekannt ist seine materialistische Ansicht vom Menschen als Maschine, die allerdings dualistisch ist: Seele und Körper. Er war also sehr materialistisch wie z.B. sein Zeitgenosse Hobbes, brach jedoch mit dem klassischen Bild, das Platon und Aristoteles lieferten, um eigene Wege zu gehen; realistischere und kritischere Wege. In seinem letzten Werk „Die Leidenschaften der Seele” von 1649 zeigte er genau das auf, was der Titel versprach. Eine dieser Leidenschaften nun ist die Liebe. Descartes sagt nicht wirklich viel zur Liebe, doch will ich dies hier sammeln. […]