Blau blüht des Frühlings Wuchs
Blau, blau, blau
Geld blüht des Sommers Glanz
Gelb, gelb, gelb
Rot geht des Herbstens Zeit
Braun, braun, braun
Grau kommt des Winters Tod
Grau, grau, grau
Zyklus 2
August 28, 2013Ich bin
Dezember 21, 2011Ich bin der,
den niemand will
der von Menschen soviel versteht
wie andere von Tieren
der Tiere besser verstehtIch bin der,
den niemand will
der von Menschen soviel versteht
wie andere von Tieren
der Tiere besser versteht
als Menschen
der nicht versteht, wie man Menschen
antworten soll
der die meisten Menschen
meidet,
flieht,
verabscheut
der nicht lügen,
heucheln,
sich verstellen,
eine Maske aufsetzen
kann
der die gesellschaftlichen Geflogenheiten
nicht beherrscht
der stets im Hintergrund bleibt,
beim Fluchtweg,
wo die Massen nicht drängen
dem Geld, Macht, Ansehen, Aussehen
egal sind
der überflüssig auf diesem Planeten
in dieser Gesellschaft,
um deren Zukunft er doch weiß
der lieben will und lieben kann
selten je zurück geliebt
und kaum gewollt wird
der aber ohne diesen einen Menschen
niemals leben kann,
leben will
der niemals alleine sein will
der immer die Einsamkeit sucht
der allein im Wald mit seiner
Liebe leben würd
der alle Menschen hassen und verachten mag
doch für den einen sein Leben aufgibt
der nie zufrieden ist
außer in Begleitung der Einen
der am Fluss sich direkt
ans Wasser setzt,
doch nicht hineinfallen will
dem es im Sommer zu warm,
im Winter zu kalt
der dieses Leben nicht möchte,
doch nicht fliehen kann
der die anderen vermisst,
aber nicht bei ihnen sein mag
der im einen Moment
aufgedreht durch die Gegend läuft;
im nächsten weinend im Bette liegt
der sich nach Freiheit sehnt,
wenn er eingesperrt ist
und nach dem Käfig
wenn er frei ist
der, hat er einen Ort erreicht,
sich schon nach dem nächsten sehnt
der sich in der Ferne nach dem Hause sehnt
und Zuhause nach der Ferne
der immer etwas neues machen muss
der von seinen Gefühlen beherrscht
diese kaum zu beherrschen weiß
der die mag, die ebenso abwegig sind wie er
auch wenn dies bedeutet,
dass man sich anzieht & wieder abstößt
der Dummheiten erzählt,
die er nicht sagen sollte oder wollte
der selten spricht,
doch das Wichtige sagen kann
der abweisend erscheint,
wenn er nur unsicher ist
der jemanden braucht,
sein Leben auszufüllen.
als Menschen
der nicht versteht, wie man Menschen
antworten soll
der die meisten Menschen
meidet,
flieht,
verabscheut
der nicht lügen,
heucheln,
sich verstellen,
eine Maske aufsetzen
kann
der die gesellschaftlichen Geflogenheiten
nicht beherrscht
der stets im Hintergrund bleibt,
beim Fluchtweg,
wo die Massen nicht drängen
dem Geld, Macht, Ansehen, Aussehen
egal sind
der überflüssig auf diesem Planeten
in dieser Gesellschaft,
um deren Zukunft er doch weiß
der lieben will und lieben kann
selten je zurück geliebt
und kaum gewollt wird
der aber ohne diesen einen Menschen
niemals leben kann,
leben will
der niemals alleine sein will
der immer die Einsamkeit sucht
der allein im Wald mit seiner
Liebe leben würd
der alle Menschen hassen und verachten mag
doch für den einen sein Leben aufgibt
der nie zufrieden ist
außer in Begleitung der Einen
der am Fluss sich direkt
ans Wasser setzt,
doch nicht hineinfallen will
dem es im Sommer zu warm,
im Winter zu kalt
der dieses Leben nicht möchte,
doch nicht fliehen kann
der die anderen vermisst,
aber nicht bei ihnen sein mag
der im einen Moment
aufgedreht durch die Gegend läuft;
im nächsten weinend im Bette liegt
der sich nach Freiheit sehnt,
wenn er eingesperrt ist
und nach dem Käfig
wenn er frei ist
der, hat er einen Ort erreicht,
sich schon nach dem nächsten sehnt
der sich in der Ferne nach dem Hause sehnt
und Zuhause nach der Ferne
der immer etwas neues machen muss
der von seinen Gefühlen beherrscht
diese kaum zu beherrschen weiß
der die mag, die ebenso abwegig sind wie er
auch wenn dies bedeutet,
dass man sich anzieht & wieder abstößt
der Dummheiten erzählt,
die er nicht sagen sollte oder wollte
der selten spricht,
doch das Wichtige sagen kann
der abweisend erscheint,
wenn er nur unsicher ist
der jemanden braucht,
sein Leben auszufüllen.
Der Preis der Freiheit
Februar 9, 2009Anmerkungen zur Aussprache:
Mandraz – Man-dras
Majezir – Ma-ʒä-sir
Deljezir – Del-ʒä-sir
Delnadraz – Del-na-dras
Delenti – De-len-ti
Caduim – Ka-dwiim
I
Blutrot versank die Sonne hinter den fernen Bergen. Rot vom Blut der Erschlagenen färbte sich die Küste des schäumenden Meeres. Mandraz beobachtete das Schauspiel aus der Ferne. Mit seinen engsten Vertrauen stand er auf einer Anhöhe in sicherer Entfernung. Niemand von ihnen wagte ein Wort zu sagen. Sie alle wussten, was auf dem Spiel stand. Nicht nur ihr eigenes Leben, auch das ihrer Angehörigen könnte von dieser Schlacht abhängen. Dort unten kämpfte jedoch keiner ihrer Leute. Doch würde dieser Stamm von der Küste nicht den Sieg davon tragen, so würden auch sie niemals frei sein. Hier in Delent kämpfte jeder gegen jeden und vor allem jeder gegen den verhassten Adel. Niemand wusste, was nach dem Sieg kommen würde, doch sie alle wollten die Freiheit. Freiheit und Macht. Seit vielen Jahren tobte der Krieg nun schon in Delent. Mandraz und seine Vertrauten träumten schon ebenso lange davon, ihren Kindern eine freie Welt zu zeigen.
Mandraz blickte zurück in Richtung der untergehenden Sonne. Sein Dorf lag dort im Schatten der schroffen Berge und wartete auf ihn. Er würde alles tun, um die Seinen zu beschützen. Als seine Begleiter unruhig wurden, sah er wieder zum Kampf. Dieser hatte sich nun entschieden; Tote lagen an der Küste, wie gefallenes Heu nach der Ernte. Sieger durchschritten ihre Reihen wie Raben auf der Suche nach Beute. Flüchtlinge wurden gejagt und niedergemacht, überlebende Verletzte wurden ertränkt. Und dann sah Mandraz, wer da gesiegt hatte. Und sie alle zusammen verfielen in einen Freudentaumel.
II
Endlich waren sie in den Schutz des Tales gelangt. Als ihr Gastgeber hieß es sie mit offenen Armen willkommen. Eines nach dem Anderen wurden die Wagengespanne von den Ochsen vorwärts gezogen in die wartende Sicherheit. Hier würde man sie nicht mehr so leicht entdecken können. Caduim blieb zurück und wartete, bis der letzte Wagen außer Sicht von Delenti war, bevor er einen abschließenden Blick zurück warf. In der weiten Ferne war Delenti nur noch an der schwarzen Rauchsäule zu erkennen, die von den lodernden Ruinen aufstieg. Es war früher Morgen eines schönen Frühjahrstages und das Jahr war 650.
Ein Krieger erschien am Eingang des Tales, sah Caduim, hielt auf ihn zu und begrüßte ihn.
„Halte dich nicht damit auf! Sprich, was gibt es zu berichten?“ fragte dieser ihn.
Der Krieger sah ihn düster an. Sein Wams war zerschlissen, seine Rüstung starrend vor Dreck und Blut, er selber nicht minder besudelt.
„Nichts Gutes, so fürchte ich“, hob er an, „zumindest nicht von dort hinten. Wir haben sie aufgehalten. Aber außer mir scheint es kaum jemand geschafft zu haben. Wenn noch jemand lebt und uns treu ist, wird er uns in Deljezir erwarten.“
Cadium blickte ihn traurig an. Seine Heimat war zerstört, die meisten seiner Leute und Freunde nun tot und der Rest auf der Flucht.
„Und du bist sicher, dass niemand unsere Flucht bemerkt hat?“
„Sehr sicher. Wir haben ihnen eine schöne Jagd mit abschließender Schlacht geboten.“
„Dann komm. Lass uns zu den Wagen aufschließen. Es ist eine weite Reise bis Deljezir und wir dürfen nicht trödeln.“
Es war noch nicht lange Frühjahr geworden. Die Lehmwege waren feucht und die Erde hatte sich in Schlamm verwandelt, der habgierig nach den Rädern ihrer Wagen griff. Immer wieder mussten sie Halt machen, immer wieder einen der fünf Dutzend Karren aus dem Dreck ziehen. Alle packten dabei an – die Krieger, die Adligen, die Handwerker, die Frauen, selbst die Kinder. Trotzdem kamen sie nur schleichend voran. Caduim und die Anderen berittenen Krieger erkundeten die Gegend vor, neben und hinter der Kolonne. Dies verhinderte aber nicht, dass sie am dritten Tage ihrer Reise angegriffen wurden. Es war Nacht. Kinder und Frauen schliefen auf den Wagen, die Männer unter ihnen. Zwei Wagen gingen in dem wilden Angriff verloren, doch konnten Caduim und die Anderen Schlimmeres verhindern. Im Dämmerlicht des jungen kühlen Frühjahrsmorgens erkannte man, dass die Angreifer nur Räuber gewesen waren. Die Kolonne musste sich eilen, sollte sie nichts Ärgerem begegnen. Manchmal ritt Caduim an den Reihen der Flüchtlingen vorbei. Dann sah er erschöpfte, leidende und doch hoffende Gesichter. Sie alle vertrauten auf den König und seine Männer. Und diese Hoffnung sollte nicht unvergolten bleiben.
Am nächsten Tag kreuzten sie einen Fluss, den die Schneeschmelze des Frühjahrs in einen reißenden kleinen Strom verwandelt hatte. Dies stellte sie vor ein schwerwiegendes Problem. Caduim wusste, was dieser Fluss verhieß: Das rettende Land des Königs an seinem anderen Ufer. Doch konnten die Wagen seine nun rauschenden Wogen nicht gefahrlos durchqueren. Caduim gab Befehl, Holz des umgebenden düsteren Waldes für Flöße zu fällen, da griff man sie erneut an. Aus dem Schutz der alten Bäume kamen sie brüllend wie die Fluten eines Bergstromes über sie her. Kinder schrien auf und wurden von ihren Müttern unter die Wagen gezerrt, wo sie sich in den Schlamm kauerten. Die Männer griffen nach allem, was man als Waffe nutzen konnte. Diese Angreifer aber waren keine Räuber und Caduims Männer wären ihnen unterlegen gewesen. Doch wie durch ein Wunder trafen zu dieser Zeit am anderen Ufer die Krieger des Königs ein. Pfeile stürzten wie Ungeziefer über die Feinde, die nun eiligst die Flucht ergriffen, ihr Leben zu retten. Jetzt war eine Überquerung des Flusses kein Problem mehr, denn die Männer hatten Flöße bereit. Auf wackligem, glitschigen Untergrund schafften es alle Wagen unbeschadet ans andere Ufer.
„Ihr habt uns gerettet!“ sprach Caduim froh zum Anführer der Krieger und als er diesen an seinem großen schwarzen Bart erkannte, umarmte er glücklich seinen Bruder.
Am Abend erreichten sie Deljezir. Die Stadt war die letzte Verbliebene, die dem König noch die Treue hielt, nun, da Delenti zerstört war. Ganz Deljezir brummte und pochte als ein Lebewesen, überquellend mit Flüchtlingen aus allen Himmelsrichtungen. Für die einfachen Menschen war hier das Ziel ihrer Reise. Caduim, seine Männer und die Adligen jedoch hatten noch eine Tagesreise vor sich.
„Seit einem Jahr erst ist die Burg Majezir vollendet“, wurde Caduim Abends in einer Schenke Deljezirs von seinem Bruder aufgeklärt, „draußen im Moor. Jede Armee aus dem Norden, die nach Deljezir will, müsste an ihr vorbei. Dort sind der König und die verbliebenen Adligen und Krieger. Sie erwarten euch bereits.“
Und so kamen sie am nächsten Tag zur Burg Majezir, der letzten Verteidigerin des Königreiches, Herrin ihrer aller Freiheit und Leben. Trutzig erbaut inmitten des bedrohlichen Moores war sie auf allen Seiten von Seen umgeben. Nur über knarrende Zugbrücken konnte man sie erreichen. Die einzige sichere Furt durch den Fluß lag in Sichtweite von Majezir. Wer immer nach Deljezir gelangen wollte, musste an der Burg vorbei. Wer immer an den König gelangen wollte, musste in die Burg hinein. Beides versuchten Frühjahr und Sommer hindurch immer wieder feindliche Armeen. Eine nach der Anderen verzweifelte an der unerreichbaren Burg. Niemandem gelang es, zu Deljezir oder dem König vorzudringen. Derweil eilten sich dessen Boten, die Hoffnung des Reiches, nach Verbündeten zu suchen, die Aufständischen des Nordens zu besiegen.
„Herr“, wurde Caduim eines Morgens von einem kleinen Knaben angesprochen, „was ist Frieden?“
„Wieso stellst du diese seltsame Frage?“ entgegnete Caduim verwundert.
„Meine Eltern sprechen immer davon, dass sie sich Frieden wünschen“, sprach der Knabe in kindlicher Scheuheit und Caduim beugte sich zu ihm herunter.
„Weißt du, sobald wir gesiegt haben oder die Aufständischen ihren Fehler bemerken, ab da wird es Frieden für uns geben und niemand muss mehr kämpfen.“
„Keine Kämpfe?“ sprach da der Knabe ungläubig.
Der Junge glaubte ihm nicht, lachte kurz sein kindliches Lachen und verschwand dann im Burghof, wo er mit anderen Kindern spielte. Caduim sah ihnen eine Weile traurig zu.
III
Sie hielten sich im Dickicht unweit des Flusses versteckt. Gefrorene Blätter krachten unter ihren Füßen. Ihr Atem kam in Rauchwolken. Mandraz stapfte durch den Schnee zurück zu den anderen Stammesführern. Sie alle waren hier gleich, trotzend jeglicher früherher Meinungsverschiedenheiten, und zitterten in der Kälte. Selbst die vielen Schichten Kleidung, Rüstung und Felle auf ihnen konnte die unnatürliche Strenge des Windes nicht beschwichtigen. Endlich hatte man sich geeint, endlich zog man zusammen gegen den Feind. Mandraz dachte daran, wie seine Familie Daheim in ihrer zugigen Hütte hausen musste, die schon etliche Male in diesen Kriegen zerstört worden war. Nun sollte sich dies ändern, bald könnte man sich Steinhäuser leisten wie der König. Das ganze Jahr über war man vergeblich immer und immer wieder gegen Majezir angebrandet, doch nie kam man auch nur über die Seen. Alle, die andere Wegen zu gehen versuchten, fanden ihr Schicksal auf dem Grund des Moores. Jetzt aber war dieses Schicksal auf ihrer Seite. Was zuvor noch ein unüberwindbares matschiges Hindernis gewesen war, bot sich nun als glitschig vereistes Feld an.
Es wurde Mitternacht und der weiße Mond beschien die weite weiße Winterlandschaft. Mandraz und die anderen gaben Zeichen und die Meute machte sich auf den Weg. Sie stürmten die Seen, umzingelten die Burg. Haken unter den Schuhen gaben ihnen Halt, andere rutschten einfach vorwärts. Etliche fielen im Pfeilhagel, doch konnte man ihre vordringenden Leitern nicht aufhalten. Wie Raubtiere erklommen sie mit ihnen die Mauern und strömten in die Burg hinein. Ein Krieger mit großem schwarzen Bart wollte Mandraz aufhalten, doch dieser hielt sich kaum auf, ihm die Kehle aufzuschlitzen. Vor niemandem machten die Angreifer Halt. Krieger, Diener, Adlige, Männer, Frauen und Kinder – sie machten keinen Unterschied, alle waren sie Teil des verhassten Königreiches, alle dienten sie dem König. Alle mussten sie sterben, sollte es jemals enden. Der König selber wurde von Mandraz gestellt, wie er gerade fliehen wollte. Und als kein Feind mehr in den Mauern von Majezir lebte, stimmten die Angreifer ihr Siegesgeheul an. Endlich hatten sie ihre Freiheit errungen, endlich hatten auch ihre Kinder eine Zukunft.
Doch dies war noch nicht das Ende der Geschichte. Nicht alle Adligen waren in Majezir gewesen. Einige hatten sich schon früher verkrochen, andere waren zufällig zur Zeit der Schlacht außer Haus. Wenige Jahre lang sollte man sie noch in ganz Delent wie Vogelfreien jagen und niedermachen. Einer der Überlebenden der Nacht des Überfalles war ein Mann namens Caduim. Ihm war es zu verdanken, dass letztlich Frieden herrschen sollte, die Adligen neben dem freien Volk leben durften. Doch bis dahin war viel zu tun.
Auf den kältesten Winter in der Erinnerung der Leute dieser Gegend folgte das mildeste Frühjahr. Die Burg Majezir wurde von der Natur erobert und für immer von ihr einbehalten. Das Frühjahr sah alles neu im Lande Delent.
ENDE
——–
Kommentar
Delent war einst eines der großen alten Juepenreiche. Mächtig war es und die Legenden erzählten von Wundern. Doch der Aufstieg Iotors im Norden traf es hart. Fast der gesamte Norden wurde erobert. Während es dem Osten gelang, sich bald wieder von Iotor freizukämpfen und als das Reich Sagaja noch für Jahrtausende bestand, verfiel der Süden immer mehr. Es gab einen Aufstand nach dem Anderen, das Land wurde zum düsteren Schreckensreich. Gut 50 Jahre sollten die Kriege in Delent gedauert haben und am Ende stand das Königshaus vor dem Nichts. Die Flucht zur Burg Majezir verlängerte ihr Leben nur um ein Jahr. Nie wieder sollte Delent mächtig werden. Der Preis der Freiheit war für das Volk von Delent ihr Niedergang.
Die Geschichte selber stammt aus der Feder eines unbekannten Schriftstellers und gibt die tatsächlichen Geschehnisse wieder, natürlich um einiges ausgeschmückt.
Tonn Onasi, Jagâharis von Raygadun
Raygadun, Aleca, 22.01.3995
Die beiden Schwestern
Januar 22, 2009Anmerkungen zur Aussprache:
Ælsaine: Äl-zäin
Einsæla: Äin-sä-la
Tarle: Tar-lä
Galryrm: Gäl-rirm
Kaltric: Käl-trwik
Einst gab es in Tarle zwei Schwestern, die hießen Ælsaine und Einsæla. Letztere hatte bereits vor vielen Jahren das Haus der Eltern verlassen, lange vor dem Tod des Vaters. Niemand kümmerte sich um ihr Verbleiben, niemand hörte je etwas von ihrem Schicksal. Als dann jedoch der Vater letztlich verstarb, konnte die Mutter sich und Ælsaine nicht mehr ernähren. Da ihr diese stets ein Dorn im Auge gewesen war, setzte sie Ælsaine ohne ein weiteres Wort vor die Tür, mitten im Winter.
Ælsaine wusste nicht, was sie nun mit ihrem Leben anstellen könne. Sie wollte sich schon voll Verzweiflung den nächsten Abhang herabstürzen, da fiel ihr ihre Schwester ein. Doch wo könnte sie diese finden? Niemand hatte je wieder etwas von ihr gehört. Aber Ælsaine wusste, dass ihre Schwester immer im Nachbardorf Freunde gehabt hatte. Dort würde sie es zunächst versuchen. Gegen Nachmittag kam sie dort an. Am Dorfrand begegnete ihr ein Bauernjunge.
„Heda, Junge!“ rief sie ihm zu, und als dieser auch hielt: „Ich suche meine Schwester Einsæla, kennst du sie?“
Doch selbst nach einer genauen Beschreibung vermochte der Knabe ihr nicht weiterzuhelfen. Verzweifelt suchte sie das ganze Dorf ab und traf auf dem Dorfplatz einen alten Mann.
„Heda, alter Mann! Ich suche meine Schwester Einsæla, kennt ihr sie?“
Aber alle Versuche, diesen alten Mann zu befragen, sollten fruchtlos bleiben, denn scheinbar war er völlig taub.
Verzweifelt machte Ælsaine sich auf in das örtliche Gasthaus. Weinend brach sie dort an einem Tisch zusammen. Die Wirtin eilte sogleich zu ihr und Ælsaine klagte ihr ihr Leid.
„Ich kenne da einen Mann, der könnte dir weiterhelfen“, sprach die freundliche Wirtin ihr zu, „gehe am besten sofort zu ihr. Danach komme wieder. Du kannst heut Nacht gerne hier bleiben.“
Und Ælsaine tat, wie ihr geheißen. Der besagte Mann war Sohn des örtlichen Müllers und damit sein Lehrling.
„Heda, Müller! Ich suche meine Schwester Einsæla, kennst du sie?“
Natürlich kannte er sie, waren sie doch seit Jugendtagen Freunde gewesen. Freudig begrüßte er ihre Schwester, hörte von dieser deren Leid und erklärte ihr so denn, dass er lange nichts von Einsæla gehört hätte.
„Jedoch sprach sie stets davon, einst nach Kaltric gehen zu wollen. Sucht dort am besten nach ihr.“
Überschwänglich bedankte Ælsaine sich bei ihm. Sie unterhielten sich noch eine Weile über ihre gemeinsame Bekannte, dann kehrte Ælsaine zurück in das Gasthaus.
Früh am nächsten Morgen besorgte die Wirtin ihr einen Platz auf dem Wagen eines Händlers, der hier ebenso genächtigt hatte. Sonst hätte Ælsaine auch wesentlich länger für den Weg gen Kaltric durch den Schnee gebraucht, doch so kam sie bereits am Nachmittag dort an. Sie dankte ihrem Fahrer und machte sich sofort auf die Suche. Ebenso oft jedoch blieb sie stehen, um die ihr fremde und beeindruckende Festung. Sie wusste nicht recht, wo sie da anfangen solle zu suchen. Doch in dem Moment kreuzte ein Hund ihren Weg, so dass sie über das arme Tier stolperte und hinfiel.
„Oh! Habt ihr euch etwas getan?“ fragte ein Mann, der ihr sofort zu Hilfe eilte.
Ælsaine verneinte. Doch der Mann bemerkte sofort, wie schlecht es ihr ging und lud sie zum Essen ein. Dort erzählte sie ihm ihre Geschichte und klagte ihm ihr Leid, doch er kannte keine Einsæla. Allerdings hatte er eine andere Idee. Zusammen suchten sie nach dem Essen einen Freund des Mannes auf. Dieser war Stadtschreier, kannte viele Leute und könnte ihr sicherlich sagen, ob ihre Schwester hier in Kaltric wohne. Aber auch er wusste darauf keine Antwort. Nun waren sie jedoch schon zu Dritt und der Stadtschreier wusste jemand anderen, der ihnen helfen könnte. Die kleine Gruppe machte sich auf zu einem Küchendiener der Burg, einem Freund des Stadtschreiers, der gerade auf dem Markt seine täglichen Einkäufe machte. Dieser war berüchtigt für seine regen Besuche der Taverne und behauptete, jede Frau der Festung zu kennen. Doch auch er konnte Ælsaine nicht helfen.
Mittlerweile war es später Nachmittag geworden und Ælsaine klagte über ihren Hunger. Seit dem Mittag hatte sie nichts mehr zu sich genommen. Zudem fragte sie sich, wo sie hier wohl die Nacht verbringen könne. Sofort bot der Mann vom Mittag an, ihr Unterkunft zu gewähren, doch der Küchendiener hatte eine bessere Idee: In der Burg würde man noch eine Magd gebrauchen können.
Und so wurde Ælsaine noch an diesem Tag dem Kammerherrn vorstellig, bekam eine Anstellung als Magd und einen Schlafplatz im Gesindehaus.
Am nächsten Morgen schon beschloss man, dass Ælsaine Aufgaben der Gattin des Galryrm, des Festungsherrn, zu erledigen hätte. Zunächst sollte sie ihr das Frühstück auf ihr Zimmer bringen. Oben klopfte Ælsaine höflich an, wurde hereingebeten und suchte die Herrin. Doch diese war gerade zum Baden entschwunden und Ælsaine stellte ihr das Mahl auf den Tisch.
Mittags sollte Ælsaine ihr das Kleid für den Abend bringen, welches noch in der Waschküche gehangen hatte. Auch diesmal jedoch war die Herrin gerade nicht abkömmlich und Ælsaine legte ihr das Kleid über einen Stuhl.
Am späten Nachmittag schließlich sollte Ælsaine ihr beim Ankleiden behilflich sein. Diesmal war die Herrin auch anwesend. Geduckten Blickes begab sich Ælsaine in ihr Gemach. Die Herrin sprach sie sogleich an.
„Dich kenne ich doch! – Oh, Ælsaine!“
So hatte sich die Gattin des Galryrm zu Kaltric als Ælsaines verlorene Schwester Einsæla herausgestellt. Ælsaine klagte ihrer Schwester all ihr Leid und bekam jede Menge Zuspruch. Am Abend stellte Einsæla sie der Burggemeinschaft vor und verkündete, sie hier aufnehmen zu wollen. Ihr Gatte war damit äußerst einverstanden. So wurde Ælsaine zur zweiten Herrin von Kaltric und wieder glücklich, doch die Mutter hingegen verstarb schon im nächsten Jahr.
ENDE
Kommentar
Dieses Märchen ist eines von vielen, die man sich in Tarle erzählt. Tatsächlich gab es auch einmal eine Ælsaine in der Geschichte von Kaltric, doch ist von einer Schwester Einsæla nichts bekannt. Man vermag also nicht zu sagen, wieviel Wahrheit hier zu finden ist, und wieviel davon das Volk von Tarle selbst erfunden hat.
Tonn Onasi, Jagâharis von Raygadun
Raygadun, Aleca, 22.01.3995