Der unerwartete Fund

Dezember 8, 2008

Tambaheim war einst eine Stadt Lurrukens. Fern an dessen östlichen Ende am Meer gelegen galt sie als die südlichste und eigenartigste ihrer Städte, der Natur und ihrem Glauben noch sehr nah. Als Grenzstadt fern des Herzens des Reiches war sie ein ruhiger Ort, von dem man außer seltsamen Naturgeschichten nur wenig hörte. Doch dann kam das Jahr 2000. Überall strömte das Meer ins Landesinnere; zahlreiche Landstriche und Orte verschwanden in den Fluten. So auch Tambaheim und mit der Stadt all seine Bewohner.
Über tausend Jahre später segelte ein Handelsschiff genau an der Stelle vorbei, wo sich Tambaheim nun tief unter den Fluten befand. Das Schiff kam aus Silour in Silûne und wollte heim nach Piran in Dhranor. Als es Abend wurde, bekamen viele der Seemänner frei aufgrund des guten Wetters und weil man gute Geschäfte gemacht hatte. Letzteres beschloss man ebenso zu feiern und verteilte reichlich Wein und Schnaps. Der Jüngste an diesem beteiligte, ein Schiffsjunge, ertrug leider nur zu wenig davon und eilte bald zur Reling, seinen Mageninhalt entleerend. Sobald er fertig war, hörte er etwas.
Er blickte in die See herab doch sah dort nichts. Es hörte sich an wie lebendige Rufe.
Er blickte sich auf Deck um, doch sah er wieder nichts. Es klang wie verzweifeltes Rufen.
Er blickte an der Bordwand entlang, da sah er es: ein Seemuff hatte sich in den lose herabhängenden Tauen verfangen und quiekte nun herzerweichend um Hilfe.
Der Junge zögerte nicht lange, eilte in die Kombüse, ein Messer zu holen und schließlich wieder zurück an die Reling. Vorsichtig zerschnitt er die Taue und holte das arme Tier an Bord. In dem Moment riss das letzte Tau, welches nun als einziges das Beiboot gehalten hatte, welches polternd ins Wasser krachte.
„Wirf mich auch hinein!“ glaubte der Junge zu hören.
Verwundert blickte er den Seemuff an, der merklich mit der Luft rang. Der Junge besann sich, dass dieses Tier Wasser bräuchte und warf es schnell doch gleichsam so vorsichtig es ging zurück in die Fluten. Dort tauchte es noch einmal kurz auf und sah ihn an.
„Du hast mich gerettet, dafür wirst du belohnt!“ sprach der Seemuff zu dem Jungen und verwandelte sich in einen Menschen.
„Was hast du getan!“ riss ihn die Stimme des Maats aus seinen Gedanken. „Lasst das andere Boot herab!“ befahl er und wandte sich drohend an den Jungen, „dich betrafe ich später!“
Die Männer die noch nüchtern genug waren versuchten das herabgestürzte Boot zu retten und bemerkten dabei erst den menschlichen Körper.  Sie versuchten ihn aus dem Wasser zu holen und sahen, dass sie viele Jahre zu spät kamen. Die Leiche war mit einem Tau an etwas unter Wasser befestigt, weshalb sie nicht davon getrieben wurde. Als man diesem nachging, fand man eine Kiste auf einer der Häuserruinen Tambaheims und darinnen viel Gold. Der Junge wurde nicht bestraft sondern für sein Missgeschick belohnt. Doch alle wunderten sich, warum die Ruinen viel zu nahe an der Wasseroberfläche lagen. Dies wurde noch zu vielen Erzählungen in Piran.

ENDE

Kommentar

Diese Geschichte ist nicht ganz so alt, doch alt genug, dass sich ihr Ursprung verloren hat. In Dhranor und Silûne erzählt man sie sich aber gerne in den Hafentavernen und eine zeitlang gab es fieberhafte Versuche, die Ruinen Tambaheims zu finden, doch niemanden sollte dies noch einmal gelingen.

Solero y Cyprilla, Toljidarin
Karison, Ojútolnán, 03.09.3994

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Der geheimnisvolle Dieb

November 29, 2008

Einst  begab es sich, dass in den Salzlanden noch viele Menschen lebten. Die grünen Hügel und flussdurchzogenen Auen waren sogar eine der wichtigsten Ländereien des Reiches von Lurruken. An dem Fluss, welchen man Joral oder Cormoda nennt, lebte nah eines kleinen Dorfes ein älteres Ehepaar. Die Ernten waren dieses Jahr schlecht und sie mussten versuchen sich durch Jagd und Fischfang zu ernähren.
„Verdammt! Es beißt einfach nichts an!“ sagte der Mann bei seiner Heimkehr.
„Gräme dich nicht. Wir haben doch noch Vorräte“, beruhigte ihn seine Frau.
„Aber die gehen auch schon zur Neige!“ meinte er und setzte sich in seinen Stuhl, die Schultern hängen lassend.
Und tatsächlich – am nächsten Morgen fehlte etwas.
„Wo sind unsere Sachen hin?“ fragte er seine Frau.
„Ich weiß es nicht – gestern war doch noch mehr da! Joralratten vielleicht?“ vermutete sie entsetzt.
„Ich werde hier lieber Fallen aufstellen“, grummelte er und machte sich an die Arbeit.
Der Rest des Tages verlief für ihn ohne Glück. Abends kehrte er mit leeren Händen heim.
„Wieder nichts?“ fragte seine Frau traurig.
„Wieder nichts. Ich hoffe, die Fallen erfüllen ihren Zweck, sonst haben wir bald gar nichts mehr“, stellte er fest.
Er schaute nochmal nach den Fallen, bevor sie schlafen gingen. Tags darauf waren sie unberührt – doch es fehlte wieder etwas.
„Das ist schrecklich!“ stellte seine Frau fest.
„Heute Nacht werde ich selber Wache halten!“ beschloss er.
Der Tag wurde für ihn kaum besser als die vergangenen.
„Ich werde hier ausharren bis ich den Dieb erwische!“ sprach er des Abends und setzte sich vor die Vorratskammer.
In der Nacht wachte er von einem Geräusch auf. Etwas huschte vor ihm weg. Doch er griff rechtzeitig danach und zerrte es hoch. Es war ein kleines Männchen!
„Wer bist du und warum stiehlst du unsere Vorräte? Wir werden wegen dir noch verhungern!“
„Tu mir nichts!“ quiekte das Männchen in seinem kleinen Anzug und wedelte mit den kleinen Händchen, „ich verspreche dir, das Gestohlene zu ersetzen und tausendfach für Vergeltung zu sorgen, wenn du mir nur nichts tust!“
Trotz seines Grolls willigte der Mann ein, nicht zuletzt dank Zureden seiner Frau, die durch den Krach ebenso erwacht war. Der Mann ließ das Männchen laufen, doch wachte die Nacht über weiter, auf dass er nicht betrogen würde. Am folgenden Morgen wachte er erneut aus seinem Schlummer auf und da lag tatsächlich Ersatz für das Verschwundene vor der Haustür.
Das Männchen hielt auch im folgenden noch Wort und das Ehepaar musste nie wieder arbeiten noch Hunger leiden.

ENDE

Kommentar

Eine klassische Mär aus Lurruken, lange erzählt im Volk und hielt sich dort in dieser oder anderen Formen bis heute noch in Städten wie Ruken und Saldan. Eine wahre Begebenheit sollte nicht angenommen werden.

Solero y Cyprilla, Toljidarin
Karison, Ojútolnán, 28.08.3994


Das Geheimnis der Wälder

November 20, 2008

I

Einst, als die Länder noch voller Bäume waren und die Menschen junge Eindringlinge in diese Reiche der Ruhe, da lebten in diesen Wäldern noch andere Geschöpfe, verborgen vor den Augen der Menschen.

Hast du das gehört?“ fragte Mannich seinen Begleiter.

Sansinn blickte sich verwirrt um.

Nein. Was meinst du?“

Da hinten ist etwas!“

Und in dem Moment sahen sie es beide. Ein schwacher Lichtschein leuchtete durch die Bäume.

Mannich, was ist das?“ flüsterte Sansinn ängstlich.

Ich weiß es doch auch nicht! Lass uns nachsehen!“

Vorsichtig ging Mannich voran, während Sansinn ihm langsam folgte. Sie gaben sich alle Mühe ruhig zu sein und gelangten bald an den Rand einer Lichtung. Dort sahen sie Wundersames: Wesen, die an Menschen erinnerten, doch nicht so aussahen. Fröhlich und kindlich leicht tanzten gut zwei Dutzend von ihnen unbekleidet um ein Feuer. Geschlechtliche Formen hatten sie nicht. Ein unwirkliches grünes Licht ging von einem jeden von ihnen aus, das sogar den grellen Feuerschein überdeckte. Der Anblick ließ eine einlullende Schwere auf die beiden Männer sinken. Ebenso steckte die Fröhlichkeit der Wesen an und ließ alle Bedenken und Vorsicht vergessen.

Mannich, nein!“ sprach Sansinn leise doch drängend, aber schon war es zu spät.

Mannich trat auf die Gestalten zu. Diese unterbrachen ihr geschäftiges Tun und sahen ihn an.

Kommt zu uns“, raunten sie wie aus einem einzigen unweltlichen Munde und hoben die Arme, die Neuankömmlinge zu empfangen.

II

Wir müssen Mannich und Sansinn finden“, sprach der Anführer der Gruppe.

Ich werde sie büßen lassen für das, was sie meiner Frau angetan haben!“ entfuhr es einem seiner Männer.

Beherrsch dich! Nicht nur dir raubten sie etwas!“

Herr! Seht dort!“ rief der vorausgeeilte Späher.

Der Trupp näherte sich einer Lichtung. Auf ihr fanden sie nur noch Glut und Überreste. Als sie sahen, was von Mannich und Sansinn übrig geblieben war, mussten sich drei der Männer übergeben.

Das müssen die Waldbewohner gewesen sein!“ sprach einer.

Dann danken wir ihnen, dass sie uns unsere Aufgabe abgenommen haben“, erwiderte ihr Anführer grimmig.

III

Dieser und viele ähnliche Vorfälle führten einst dazu, dass die Wälder lange als Böse gemieden und später gerodet und abgeholzt wurden.

ENDE

Kommentar

Dieses Märchen erzählt man sich heutzutage vor allem in Akalt, es stammt jedoch aus der Umgebung der Schmelzöfen. Es ist nicht mehr wirklich feststellbar, wieviel Wahrheit darinnen steckt. Die Erzählung erinnert aber an Gerüchte über Stirmen, die hiermit vielleicht verbunden sind.

Solero y Cyprilla, Toljidarin

Karison, Ojútolnán, 19.08.3994