Ein Käfer der Marie

April 18, 2014

Ein Käfer der Marie
– auf Reisen ging der nie –
doch wollte er dann seh’n
wohin die andern geh’n.

Er wartete am Haus
bis einer käme raus:
ein Mensch wurde das Ziel
auf dessen Nas‘ er fiel.

Zu ’nem Bushalt es ging
für unser Käferding
den dann der letzte Schritt
’ner dicken Frau zertritt.

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Brautschau

Oktober 20, 2008

zum zehnjährigen Jubiläum mal eine Geschichte von 1998:

Brautschau

Es war einmal ein richtig netter, großer, kräftiger Nashornkäfer. Er liebte es in der sonne spazieren zu krabbeln und jagte furchtbar gern hinter winzigen Insekten her. Eigentlich war er zufrieden mit sich und der Welt. Aber als er älter wurde und ein Käfer nach dem anderen sich eine Braut suchte und mit ihr von dannen ging, wurde er immer stiller. Er dachte nach, warum mochten ihn die süßen Käferdamen nicht? Wenn es so weiterginge würde er bald nur noch ganz allein in diesem Waldstück hausen.
Schließlich war es so weit: er war der letzte ledige Käfer im Unterholz. Da es dabei nicht bleiben sollte, musste er wohl oder übel umherziehen und sich nach einer Braut umsehen.
Die Sonne stand noch tief und die Vöglein zwitscherten fröhlich, als er aufbrach. Elegant wie eine Spinne bahnte er sich seinen Weg durch den Unterholzdschungel.
Als die Sonne in ihrem Zenit stand, machte er unter einer großen Eiche Rast. Er fing sich ein paar kleine Käfer, die unvorsichtig vor ihm herumkrabbelten und verspeiste sie zum Mittag. Während er sich noch sonnte, sah er sie plötzlich: das schönste Nashornkäferweibchen, das je diesen Wald betreten hatte. Das Licht spielte auf ihrem Panzer und es schien dem Nashornkäfer, als würde alles in ihrer Nähe verblassen. Er erhob sich so schnell es ging und wollte zu ihr krabbeln, als sich plötzlich die Welt verdunkelte und das Vogelgezwitscher verstummte. Vor ihm stand der größte Käfer, den er je gesehen hatte – bestimmt so groß wie ein Fliegenpilz – und sah ihn drohend an. Der Nashornkäfer ging erschrocken ein paar Schritte zurück, der große Käfer drehte mühsam seinen schwarzen Körper und stapfte auf die Käferdame zu. Er schnappte sie sich mit seinen Vorderbeinen und trug sie davon. Wir erstarrt stand der Nashornkäfer da und sah ihnen nach. Als sich ein paar Vögel langsam wieder entschlossen zu musizieren, rührte auch er sich wieder. Nach kurzem innerem Streit beschloss er, dem Riesen zu folgen.
Die Sonne war schon längst hinter den Baumwipfeln verschwunden, als er sich einen Schlafplatz suchen musste und sich zur Ruhe bettete.
Sonnenstrahlen weckten ihn und sogleich brach er auf.
Wieder stand die Sonne an ihrem Höhepunkt, wieder machte er Rast und wieder verspeiste er Käfer zum Mittag. Er träume, dachte er, als er sie wieder sah. Diesmal schlich er sich, dicht an den Boden gedrückt, an sie heran. Glücklicherweise war der Riesenkäfer nirgends zu sehn.
„Guten Tag, mein schönes Fräulein“, versuchte er ein Gespräch zu beginnen, „ich habe sie in diesem Wald noch nie gesehen. Ich bin der Nashornkäfer und ihr seid…?“
„Der Wald ist groß und ihr solltet lieber verschwinden, ehe der Riesenkäfer, welcher mich entführt hat, wiederkommt. Ihr könntet wohl leider nicht gegen ihn bestehen“, unterbrach sie ihn.
Plötzlich tauchte die Welt unter dem Nashornkäfer ab, wurde kurz gegen den Himmel eingetauscht und raste dann schnell auf ihn zu. Bevor er ohnmächtig wurde, konnte noch ein schwarzes Beinpaar erkennen.
Dieses Mal weckten ihn große Regentropfen. Taumelnd erhob er sich.
Mit schmerzendem Körper suchte er Unterschlupf. Schließlich fand er eine Höhle im Erdboden. Schnell schlüpfte er hinein, eventuelle Bewohner hin oder her.
Am Ende der Höhle führte ein Gang tiefer in die Erde. Auch am Ende des Ganges war eine Höhle. Während er die Höhle durchquerte, erhob sich hinter ihm etwas Dunkles. Mutig wie er – leider nicht übermäßig – war, drehte er sich um. Mehrere rote Lichtpunkte starrten ihn an.
„Ah! Endlich etwas Essbares!“ rumorte das Dunkle und schoss plötzlich auf ihn zu.

Der Nashornkäfer sprang zurück und suchte nach dem Ausgang. Er krabbelte an der Wand entlang, fand nichts, wurde aber noch immer verfolgt. Langsam stieg Panik in ihm auf und er wurde unvorsichtig. Er stolperte über einen Stein und fiel in ein Loch.
Dies war der erhoffte Ausgang, dachte er, irrte aber. Schnell kletterte er hinaus. Die roten Punkte waren nicht weit hinter ihm.
Endlich fand er den Gang wieder. Auch dort drinnen war es nicht heller als in der Höhle. Dieser Weg führte hinaus.
Wieder einmal erschrak er, als vor ihm der Riesenkäfer stand, und sprang – nun vollkommen in Panik – in ein Gebüsch. Dachte er noch, dass der Käfer der Verfolger aus der Höhle war, war es in Wirklichkeit eine Spinne. Diese raste auf ihrem Weg aus dem Dunkel in den Käfer und sie kämpften bis beide tot umfielen.
Der Nashornkäfer wagte sich wieder hinaus und fand die Käferdame. Sie umarmten sich und machten sich auf den Heimweg.
Wenn sie nicht gestorben sind, haben sie möglicherweise viele Kinder und leben glücklich miteinander.

ENDE


Momente einer Taverne

September 10, 2008

Der große Krieger hatte kurzes braunes Haar, leichten Bartwuchs und einen sonst recht muskulösen Körperbau, welcher sich in einer leicht schmutzigen, schwarzgrauen Mischung aus Plattenpanzer und Kettenrüstung versteckte. Über dem Rücken geschnallt war eine Lederscheide, in der ein Schwert steckte, sicher um einiges länger als Ezanaks Bein. Er saß auf einem Hocker an der Theke und hielt sie scharf im Auge. Schon fast die gesamte Zeit über, seit sie in dieser Taverne namens ‚Zum Macaten‘ waren.

Er hatte seinen Blick auf sie gehaftet, als sie rein kamen und Brinroc lauthals etwas zu trinken verlangte, und sich seitdem kaum etwas anderem gewidmet, höchstens noch manchmal dem Weinbecher in seiner Hand.

Ezanak versuchte ihn zu ignorieren und die anderen beiden schienen eh nur auf ihre Getränke acht zu geben. Und natürlich auf das Essen, von welchem besonders Rodym reichlich geordert hatte. Nun, nach Vollendung des Mahles, widmeten sie sich intensiv einem Misch aus Karten- und Würfelspiel, bei welchem Ezanak nur lustlos zusah und vor sich hin grübelte.

Er warf einen kurzen Seitenblick auf den Raum beobachtenden Krieger und war schon drauf und dran aufzustehen und ihn zu fragen ob er vielleicht ein Problem hätte, da tauchte aus einem Hinterzimmer der Taverne plötzlich eine Frau auf, bei deren Anblick Ezanak fast vergaß weiterzuatmen.

Er sah sie gebannt an, wie sie Richtung Tresen ging, und musterte sie genau. Mittelgroß, mit schulterlangem braunen Haar und einem Gesicht bei dem Ezanak fast zerfloss. Sie trug etwas, das man wohl gleichsam auf einem Ball als auch mitten in einem Schlachtfeld hätte tragen können; er ward sich nicht schlüssig, ob er es Wohlstandskleidung oder eine Lederrüstung nennen sollte, achtete aber dann lieber auf anderes.

Sie ging direkt an dem Krieger vorbei, warf ihm keinen einzigen Blick zu und deutete ihm nur per Wink, ihr zu folgen, was er auch tat.

Dieser Glückspilz, dachte Ezanak neidisch, doch dann trafen sich die Blicke von ihm und dem Krieger und es lief ihm kalt den Rücken runter. Da wusste er, dass dieser Mann wohl nicht der Liebhaber sondern vielmehr der Leibwächter der Schönheit war und ihn wohl als Bedrohung für seiner Herrin Wohlergehen sah. Als sie beide durch die Tür verschwanden, dachte er über dieses Ereignis nach, und es fiel ihm irgendwas Vertrautes an ihr auf, wusste jedoch nicht was.

„Ez, geht’s dir nich‘ gut?“, fragte Rodym fürsorglich als er Ezanaks gläsernen Blick wahrnahm.

Dieser wandte sich ihm, wie aus einem Traum aufwachend, zu.
„Bitte?“

„Hier, nimm ’nen Schluck!“ Rodym schob ihm einen Becher lecischen Weines herüber und Ezanak nahm eine Mundvoll.

„Danke …“

„Also warten wir jetzt bis morgen?“ erkundigte sich auch Brinroc.

„Also erwarten wir den morgigen Tag.“ Ezanak nickte.

„Un‘ dann geht’s weiter?“ wollte Rodym wissen.

„Das wird sich zeigen, ich kann es noch nicht sagen.“

„Dann lasst uns das gute Zeug hier mal vernichten!“ stimmte Brinroc an und hob seinen Krug, denn ein einfacher Becher wäre ihm zu klein gewesen.

„Jap!“ erwiderte Rodym.

Da lief plötzlich über den Tisch eine kleine dunkle und scheinbar suizidale Spinne.

„Verdammtes Ungeziefer!“ mit diesen Worten ließ Brinroc seinen Krug wieder herabsausen und direkt auf das arme Tier, dass Krug und Spinne beide ihr Ende fanden und eine klebrige Symbiose eingingen.

„Haste halt davon!“ kicherte Rodym und Brinroc brüllte lauthals, man solle ihm einen neuen Krug bringen. Oder zumindest so ähnlich drückte er sich aus, nur nicht ganz so höflich und mit mehr Schimpfwörtern sowie einer kurzen Tirade über die Haltbarkeit und Nützlichkeit der Tonkrüge in diesem nicht so wunderschönen Etablissement gespickt.

Dann frönte er wieder einer anderen Leidenschaft von ihm: mit Hilfe des Karten-/Würfelspiels Rodym das nicht vorhande Geld aus der leeren Tasche zu ziehen und ihm stattdessen einen Schuldschein nach dem anderen abzuluchsen.

Die Betten später wären ihm sicher auch nicht recht gewesen, denn in ihren Zimmern erspähte man tatsächlich weiteres solches Ungeziefer, doch konnte er zum Glück eines der Schankmädchen dazu überreden, dass sie ihn bei sich schlafen ließ. So führte Ezanak denn einen Krieg gegen die Insektenplage, während Brinroc einen der etwas anderen Art genoss.

Am nächsten Morgen wachte Ezanak mit den Ergebnissen der verlorenen Schlacht auf, mehrere schlimme Wanzenbisse, Rodym schien dagegen unberührt geblieben zu sein und Brinroc trug größere Bissspuren, wie Ezanak erstaunt wahrnahm.

„Mit einem Rezanni gekämpft?“ erkundigte er sich.

„Nein, mit ‚was wilderem“, antwortete Brinroc mit einem breiten Grinsen.

„Noch gefährlicher?“ Rodym schien tatsächlich darüber nachzusinnen.

Doch Ezanak verdrehte nur die Augen und deutete seinen Kumpanen, ihm zu folgen.

„Lasst uns gehen.“

Und sie machten sich auf den Weg.