„Wozu haben alle sonstigen Kulturerrungenschaften geführt? Die furchtbare Antwort liegt vor unseren Augen: Man ist von keiner Angst erlöst, ein finsterer Alpdruck liegt auf der Welt. Die Vernunft hat bis jetzt kläglich versagt, und gerade das, was alle vermeiden wollen, geschieht in schauerlicher Progression. Gewaltiges an Nützlichem hat sich der Mensch errungen, dafür aber hat er auch den Abgrund der Welt aufgerissen, und wo wird er, wo kann er noch Halt machen? Man hat nach dem letzten Weltkrieg auf die Vernunft gehofft; man hofft jetzt wieder. Aber schon ist man von den Möglichkeiten der Uranspaltung fasziniert und verspricht sich ein Goldenes Zeitalter – beste Gewähr dafür, daß der Greuel der Verwüstung ins Unermessliche wächst. Und wer ist es, der all dies zustandebringt? Es ist der sogenannte harmlose, begabte, erfinderische und vernünftige menschliche Geist, der nur leider seiner ihm anhaftenden Dämonie unbewußt ist. Ja, dieser Geist tut alles, um sein eigenes Gesicht nicht sehen zu müssen, und jeder hilft ihm dabei nach Kräften. Nur ja keine Psychologie, denn diese Ausschweifung könnte zur Selbsterkenntnis führen! Dann schon lieber Kriege, an denen jeweils der andere schuld ist, und keiner sieht, daß alle Welt besessen ist, das zu tun, was man flieht und fürchtet.
Mir scheint – offen gestanden – als ob die vergangenen Zeiten nicht übertrieben, der Geist seine Dämonie nicht abgestreift, und die Menschen vermöge ihrer wissenschaftlichen und technischen Entwicklung sich der Gefahr der Besessenheit in zunehmenden Maße ausgeliefert hätten. Wohl ist der Archetypus des Geistes als böser sowohl wie guter Wirkung fähig charakterisiert, aber es hängt an der freien, d.h. bewußten Entscheidung des Menschen, ob nicht auch das Gute sich noch ins Satanische verkehren soll. […] Kann man nicht endlich begreifen, daß alle äußeren Änderungen und Verbesserungen die innere Natur des Menschen nicht berühren[..]?“
– C. G. Jung: Zur Phänomenologie des Geistes im Märchen (1945 / 1953)