Aphorismus 112: Papierschärfe

November 30, 2013

Es müsste nicht „Die Feder ist mächtiger als das Schwert“, sondern „Das Papier ist schärfer als die Klinge“ heißen.

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GaT06 Tod in sieben Minuten

Oktober 3, 2013

Blut spritzte – Knochen barsten. Ihren toten Schädel zog er an ihren Haaren hoch, sah ihr kurz höhnisch in die Augen und warf ihn sogleich weg – auf den Müll, wohin er gehörte.

„Dort ist er!“ hörte er eine Stimme schreien.

Und er lief – lief, lief, lief – lief in tiefe schwarze Dunkelheit, tiefe weite Ewigkeit. Doch die Umgebung wandelte sich – Schwarzer Nebel ward bald rot durchzogen. Am Rande des Bewusstseins – ein Objekt – eine Gitarre? – ihre Gitarre! – Doch bald nur mehr Feuerholz. Klimper? – Klimper? – Nimmermehr! Lodernd rotes Feuer – wärmend Geist und Körper – verzehrend Zeichen seiner Tat. Sieben Minuten; mehr brauchte es nicht. – Doch da! Renn! -. Flieh! – Zu spät. Denn der Tod macht nicht halt – macht selbst nicht halt vor seinen Helfern. – Doch alle sind seine Helfer! Sieben Minuten; mehr brauchte es für niemanden.


Zitat des Tages

November 8, 2009
„Küsse, Bisse,
Das reimt sich, und wer recht von Herzen  liebt,
Kann schon das eine für  das andre greifen.“

spricht Penthesilea, nachdem sie  erfährt, wie sie im Zorneswahn ihren  geliebten Achill zerfleischte.

Kleist: Penthesilea (1808)

Der Alte und der Vogel

März 10, 2009

Der alte Mann stets einsam war,
doch eines Tages nun, was sieht er da?
Droben auf dem Dache ein kleiner Vogel hockt,
der Mann ihm Futter reicht, bald es auch den Vogel lockt.

Der Mann ihn nun wohl ruhig streicheln wollt,
so denkt er, doch des Vogels Auge rollt
und gar wenig erfreut er zur Seite weicht.
Der Mann, traurig, die Einsamkeit ihm reicht
und erneut er will es wagen, den Versuch,
die Last der Jahre ihm folgt als Fluch.
Doch der Vogel; flink er hüpft von dannen,
bald findet Ruhe, drüben bei den Tannen.

So scheint es ihm, doch des Mannes Gier
zu streicheln das lebende, warme Getier,
treibt ihn an, zu nehmen den Ast.
Hoffend zu fangen den Vogel er ohne Rast
eilt zum Baum, doch es geschieht ein Versehen
und der Mond allein beleuchtet das blutige Geschehen.
Der Vogel, dort liegt er und zittert noch,
der Mann wieder kriecht einsam zurück ins Loch


Nachts

Dezember 10, 2008

Die Axt wog schwer in seiner Hand. Sanft strich er ihr über den Kopf, wie über ein zartes Tier. Schwer lag sie in seinem Schoß; die Axt, sein einziger Freund. Die ewig Kühle, die Massive, die Reale.

All die Hirngespinste, all die Furcht, all die Trauer. Die Einsamkeit, die Zweifel, die Frage nach dem Sinn des Ganzen und nach Aussicht auf Erfolg. Eine Absage nach der anderen, nie ein gutes Wort. Wozu das Ganze eigentlich?

Doch die Axt, sein Freund, könnt all dies beenden. Hart und kalt spürte er ihre Schneide auf seinem Gesicht. Die Schläge prasselten hernieder, das Blut fing an zu spritzen, die Knochen barsten.

Er öffnete die Augen, legte die Axt beiseite und nahm sein Buch wieder auf. Der Zwang weiter zu schreiben herrschte seit Tagen, seit Wochen. Mit jeder verstrichenen Minute wurde es schwerer. Und sein Hirn blieb leer.

Die Hand wanderte erneut zur Axt. Wie ihre Schärfe doch alles würde beenden können. Wie würde sich das wohl anfühlen?

Er wusste nicht wie, doch es geschah etwas. Bevor er sich versah, hatte er wieder Stift und Buch in der Hand. Er las die bereits verfassten, nun wartenden Sätze. Wie würde es weitergehen? Und dann war es da. Die Wörter füllten die Zeilen, die Seiten.

Und alles wurde egal. Was auch immer jetzt geschehen würde, er war glücklich.


Der Ritter und das Monster

Oktober 10, 2008

Der Ritter, der stattliche, der brave, der kühne,
voller Tugend, Mut, Kraft und frei jeder Sühne,
sich stellt dem Monster, das bedroht die Stadt,
draußen am Berge, wo es seine dunkle Höhle hat.

Stundenlang er mit der Bestie kämpft und ringt,
doch letztlich es ihm einfach an die Kehle springt.
Die Kehle zerfetzt, blutend und entsetzt, er fällt
und das Monster über ihm triumphiert und bellt.

Es zerrt an ihm und beißt, trennt ab das Bein,
der Ritter noch lebt, leider, und groß ist seine Pein.
Auch der Arm ist bald ab, der Darm hängt heraus,
der Kopf wird abgebissen, mit dem Ritter war’s aus.

Das Biest verscharrt des Ritters nun nutzlose Beil
und verspeist die Reste des Recken, Teil um Teil:
Arm, Bein, Brust und Innereien, spielend mit der Hand
und fortan bald terrorisierend das ganze Land.


Momente einer Taverne

September 10, 2008

Der große Krieger hatte kurzes braunes Haar, leichten Bartwuchs und einen sonst recht muskulösen Körperbau, welcher sich in einer leicht schmutzigen, schwarzgrauen Mischung aus Plattenpanzer und Kettenrüstung versteckte. Über dem Rücken geschnallt war eine Lederscheide, in der ein Schwert steckte, sicher um einiges länger als Ezanaks Bein. Er saß auf einem Hocker an der Theke und hielt sie scharf im Auge. Schon fast die gesamte Zeit über, seit sie in dieser Taverne namens ‚Zum Macaten‘ waren.

Er hatte seinen Blick auf sie gehaftet, als sie rein kamen und Brinroc lauthals etwas zu trinken verlangte, und sich seitdem kaum etwas anderem gewidmet, höchstens noch manchmal dem Weinbecher in seiner Hand.

Ezanak versuchte ihn zu ignorieren und die anderen beiden schienen eh nur auf ihre Getränke acht zu geben. Und natürlich auf das Essen, von welchem besonders Rodym reichlich geordert hatte. Nun, nach Vollendung des Mahles, widmeten sie sich intensiv einem Misch aus Karten- und Würfelspiel, bei welchem Ezanak nur lustlos zusah und vor sich hin grübelte.

Er warf einen kurzen Seitenblick auf den Raum beobachtenden Krieger und war schon drauf und dran aufzustehen und ihn zu fragen ob er vielleicht ein Problem hätte, da tauchte aus einem Hinterzimmer der Taverne plötzlich eine Frau auf, bei deren Anblick Ezanak fast vergaß weiterzuatmen.

Er sah sie gebannt an, wie sie Richtung Tresen ging, und musterte sie genau. Mittelgroß, mit schulterlangem braunen Haar und einem Gesicht bei dem Ezanak fast zerfloss. Sie trug etwas, das man wohl gleichsam auf einem Ball als auch mitten in einem Schlachtfeld hätte tragen können; er ward sich nicht schlüssig, ob er es Wohlstandskleidung oder eine Lederrüstung nennen sollte, achtete aber dann lieber auf anderes.

Sie ging direkt an dem Krieger vorbei, warf ihm keinen einzigen Blick zu und deutete ihm nur per Wink, ihr zu folgen, was er auch tat.

Dieser Glückspilz, dachte Ezanak neidisch, doch dann trafen sich die Blicke von ihm und dem Krieger und es lief ihm kalt den Rücken runter. Da wusste er, dass dieser Mann wohl nicht der Liebhaber sondern vielmehr der Leibwächter der Schönheit war und ihn wohl als Bedrohung für seiner Herrin Wohlergehen sah. Als sie beide durch die Tür verschwanden, dachte er über dieses Ereignis nach, und es fiel ihm irgendwas Vertrautes an ihr auf, wusste jedoch nicht was.

„Ez, geht’s dir nich‘ gut?“, fragte Rodym fürsorglich als er Ezanaks gläsernen Blick wahrnahm.

Dieser wandte sich ihm, wie aus einem Traum aufwachend, zu.
„Bitte?“

„Hier, nimm ’nen Schluck!“ Rodym schob ihm einen Becher lecischen Weines herüber und Ezanak nahm eine Mundvoll.

„Danke …“

„Also warten wir jetzt bis morgen?“ erkundigte sich auch Brinroc.

„Also erwarten wir den morgigen Tag.“ Ezanak nickte.

„Un‘ dann geht’s weiter?“ wollte Rodym wissen.

„Das wird sich zeigen, ich kann es noch nicht sagen.“

„Dann lasst uns das gute Zeug hier mal vernichten!“ stimmte Brinroc an und hob seinen Krug, denn ein einfacher Becher wäre ihm zu klein gewesen.

„Jap!“ erwiderte Rodym.

Da lief plötzlich über den Tisch eine kleine dunkle und scheinbar suizidale Spinne.

„Verdammtes Ungeziefer!“ mit diesen Worten ließ Brinroc seinen Krug wieder herabsausen und direkt auf das arme Tier, dass Krug und Spinne beide ihr Ende fanden und eine klebrige Symbiose eingingen.

„Haste halt davon!“ kicherte Rodym und Brinroc brüllte lauthals, man solle ihm einen neuen Krug bringen. Oder zumindest so ähnlich drückte er sich aus, nur nicht ganz so höflich und mit mehr Schimpfwörtern sowie einer kurzen Tirade über die Haltbarkeit und Nützlichkeit der Tonkrüge in diesem nicht so wunderschönen Etablissement gespickt.

Dann frönte er wieder einer anderen Leidenschaft von ihm: mit Hilfe des Karten-/Würfelspiels Rodym das nicht vorhande Geld aus der leeren Tasche zu ziehen und ihm stattdessen einen Schuldschein nach dem anderen abzuluchsen.

Die Betten später wären ihm sicher auch nicht recht gewesen, denn in ihren Zimmern erspähte man tatsächlich weiteres solches Ungeziefer, doch konnte er zum Glück eines der Schankmädchen dazu überreden, dass sie ihn bei sich schlafen ließ. So führte Ezanak denn einen Krieg gegen die Insektenplage, während Brinroc einen der etwas anderen Art genoss.

Am nächsten Morgen wachte Ezanak mit den Ergebnissen der verlorenen Schlacht auf, mehrere schlimme Wanzenbisse, Rodym schien dagegen unberührt geblieben zu sein und Brinroc trug größere Bissspuren, wie Ezanak erstaunt wahrnahm.

„Mit einem Rezanni gekämpft?“ erkundigte er sich.

„Nein, mit ‚was wilderem“, antwortete Brinroc mit einem breiten Grinsen.

„Noch gefährlicher?“ Rodym schien tatsächlich darüber nachzusinnen.

Doch Ezanak verdrehte nur die Augen und deutete seinen Kumpanen, ihm zu folgen.

„Lasst uns gehen.“

Und sie machten sich auf den Weg.