Der A’Lhumakrieg – III: Gefahr macht das Leben erst süß

Mai 3, 2016

Maereth hatte nicht vor, die kriegerischen Pläne seines Vaters fortzuführen. Jedenfalls gab es keine Hinweise, dass er dies gewollt hätte. Anderes beschäftigte ihn mehr, so die Gerüchte, die ob der zwei so schnell hintereinander erfolgten Tode entstanden. Einige raunten von einer Krankheit, welche die Familie angesteckt hätte, andere gar von einem Fluch der Lasterhaften; wenige wagten zu behaupten, dass zumindest Shaen ermordet worden wäre. Maereth selbst schien dies gar nicht zu bemerken; keine seiner Handlungen beantwortete irgendeines der Gerüchte.

„Nun – Neffe – wie gefällt es dir, zweitwichtigster Mann zu sein?“

Es war bemerkenswert, wie ich manchmal Dinge mitbekam, die ich teils gar nicht hören wollte. Aber diesmal war ich zuständig für die Aufsicht im Thronsaal, derweil gerade außer mir noch Maereth, Crear und ein putzender Diener anwesend waren.

„Nun, es könnte besser sein – ich könnte wichtigster Mann sein.“

Crear sprach ohne leichtzunehmenden Unterton, doch Maereth lachte nichtsdestotrotz. „Ich möchte nachher mit dir den Ostturm besteigen.“

Damit war das Gespräch für diesen Tag beendet.

 

Zwei Tage später war Aufregung ausgebrochen am Haupttor. Als ich nachsehen wollte, was da geschah, erblickte ich das Tor weit offen, was aber am Tage auch nicht verwunderlich war. Maereth stand dort mit zwei Hauptleuten und vier weiteren Wächtern. Er hatte das Gewand des Tereanv angelegt und stand erwartungsvoll da. Ich war gerade am Brunnen Wasser holen gewesen und verharrte nun beim Tor überrascht, als eine zu Fuß gehende Gesandtschaft kam. Ein Mann – der Kleidung nach offensichtlich ein Adliger – mit seinem Gefolge – einigen Kriegern – trat ehrwürdig unter das Tor.

„Ich grüße euch, Maereth Shaen Elorm, Tereanv von Lurut. Ich bin Louvis, Gesandter des Jaster Junoh Sacaeran, König von Lurut.“

Es war merkwürdig, dass der Gesandte weder seinen vollen Namen noch seine Besuchsgründe verriet, doch Maereth ging nur auf letzteres ein. „Seid gegrüßt Louvis. – Was führt euch zu mir?“

„Den König erreichte die Nachricht, dass Gurass, der frühere Tereanv verstorben sei. Hiermit übersendet Jaster Junoh seine Beileidsbekundigungen. Natürlich waren sie an Shaen Gurass gerichtet, doch hörten wir auf dem Weg hierher auch von seinem Ableben. Der König lässt sein Beileid sicherlich auf diesen Fall auch erweitern. Vermutlich hat euch euer Vater noch eingewiesen, doch soll ich prüfen, ob der neue Tereanv von Lurut – der nun hoffentlich für absehbare Zeit ihr bleiben werdet – dem König ein treuer Diener sein wird.“

Man spürte förmlich die Wut, welche Maereth ob dieser Bevormundung beschlich, doch war er schlau genug sie nicht zu zeigen. „Dann heiße ich euch willkommen in meiner Stadt und Burg, so lange ihr es wünscht.“

Ohne eine Verbeugung zu leisten begann Louvis den Aufstieg in die Burg hinein, an Maereth vorbei, ohne diesen noch weiter Ehre zu zeugen; als Gleicher.

Caeryss bediente an diesem Abend, als im Großen Saal dem Gast zu Ehren ein Essen abgehalten wurde, mit sämtlichen anwesenden Höflingen sowie den Begleitern des Neuankömmlings, derweil ich es nur bereiten durfte. Doch durch Caeryss‘ Erzählungen bin ich in der Lage zu berichten, was sie dort – im Groben – besprachen. Das wichtigste hatte Louvis tatsächlich bereits bei seiner Ankunft erzählt: Der König wollte erfahren, wie der neue Tereanv war – auch wenn er Shaen selbst gekannt hatte, galt dies für Maereth nun umso mehr – und so wichtiges wie Steuern und Abgaben besprechen. Louvis plante bis zum nächsten Königstreffen in Barga bei Maereth in Lurut zu verbleiben; also bis zum nächsten Frühjahr. Caeryss erzählte, wie wenig froh über diese Umstände Maereth war und wie deutlich er dieses auch noch zeigte.

Es schien kein guter Start für die neuen Beziehungen zwischen Lurut und Barga, dass man sich gleich am ersten Abend stritt. Maereth wollte weder bemuttert werden noch zuviel zahlen müssen und auch wenn Louvis ihn sofort beschwichtigte schienen die Gemüter der beiden nicht recht zusammenpassen zu wollen. Natürlich gab Maereth ihnen die Zimmer im Nordflügel, die erstens schlecht gewärmt werden und zweitens unter einigen der größten Aborte lagen. Louvis zeigte sich in den folgenden Tagen und Wochen davon aber kaum getroffen.

Am ersten Festmahlsabend nun lernte der Gesandte auch unseren jungen Crear kennen. Caeryss berichtete, wie herablassend Louvis ihn behandelte, als sei er selbst Herr dieser Burg. Crear aber besaß immerhin mehr Verstand als Maereth und entgegnete dessen Spitzfindigkeiten mit passenden Antworten, die, um sie als beleidigend zu empfinden, man erst einmal verstehen musste. Mehr als einmal konnte Caeryss sich ein Lachen nur knapp verkneifen, doch leider ging es anderen Anwesenden da anders; sie verstanden den Unterton seiner Antworten einfach nicht. So zum Beispiel der alte Faulass, der bereits so lang ich in der Burg gewesen ein treuer Diener des Gurass war. Faulass neigte schon immer dazu jede Äußerung für bare Münze zu nehmen und schien sich daher sehr über den jungen Crear zu wundern. Und Gasmys, der Bruder des Maereth, den man im Allgemeinen für dumm hielt, konnte ihn nur ständig staunend ansehen.

Den Großteil seiner Zeit am Tisch nutzte Crear jedoch um mit der ebenso jungen Begleiterin des Louvis, einer Dame namens Euliste, zu plauschen. Crear gab sich ihr gegenüber höflich und nicht ein bisschen unanständig, wie Caeryss mir zu betonen nicht müde wurde, doch erntete er trotzdem misstrauische Blicke von Louvis, während dieser mit Maereth sprach; über Dinge, die Caeryss leider nicht interessierten, weshalb sie bald nicht mehr am Tische zuhörte.

Wie ich aber noch von anderen hörte, wollte Louvis hier in Lurut nicht bloß die Interessen des Königs bewahren, sondern noch einiges mehr. Ursprünglich war Louvis bereits nach dem Tod des Gurass entsandt worden; der Tod des Shaen ereignete sich erst kurz vor seiner Ankunft. Im Folgenden zeigte er aber verdächtig viel Interesse an den Umständen der beiden Unglücksfälle; mehr, als ihm gewöhnlicherweise zustehen würde. Natürlich war es auch für den König wichtig zu erfahren, sollte etwas nicht den natürlichen Läufen entsprechend geschehen sein, doch hatte Louvis etwas an sich, das den Verdacht nahe legte, er handele vor allem für sich selbst.

„Louvis ist ein Aastier, das nur darauf wartet, dass wir einen Fehler machen!“ Crear mochte Louvis wohl noch am wenigsten, auch wenn er dies ihm selbst nur versteckt zeigte.

„Dann erlaube dir lieber keinen Fehler.“ Langsam war es zur Gewohnheit geworden, dass Crear in meine Kammer kam, um zu zetern.

Bei meinen Worten blieb er stehen und sah mich überrascht an. „Ja. – Ja, du hast Recht. – Ich werde keinen Fehler machen! – Danke!“ Jetzt war es an mir verwundert zu blicken, da sprach er bereits weiter. „Aber jetzt muss ich fort – ich möchte noch jemanden treffen.“

Wer dieser jemand war, erfuhr ich später von der alten Gouma, die strickend am Fenster zum Garten gesessen hatte, als Crear sich dort mit dem Fräulein Euliste traf. – Na gut, ich muss ehrlich sein; auch ich befand mich zu besagtem Augenblicke dort; wollte eigentlich nur mit der guten Gouma über alte Tage sprechen.

„Ach, dein Vater war ein wunderbarer Mann – zu schade, dass du deine Eltern nicht mehr kennenlernen konntest.“

Ich saß bei ihr und blickte nachdenklich auf den Garten hinaus. „Ja, das hätte ich nur zu gerne – aber du warst ein guter Ersatz… – warte, seh‘ ich doch jemanden.“

Und tatsächlich hatte ich da gerade unter uns Crear und Euliste sich auf eine Bank setzen gesehen – doch sie schienen uns wiederum nicht zu bemerken. Auch Gouma sah sie nun.

„Es ist schön bei euch – ich hatte es ganz vergessen.“ Nachdenklich strich Euliste über die Blumen in ihrer Nähe.

„Ach – du warst schon einmal hier? Wann? Ich erinnere mich nicht, dich schon einmal gesehen zu haben – und doch war ich schon immer hier.“ Crear schien ernsthaft interessiert an ihr zu sein.

„Das ist schon lange her – ich lebte mit meiner Familie in der Stadt, doch wir mussten gehen…“

„Das tut mir leid – vielleicht hätten wir uns dann schon früher treffen können…“

Plötzlich beugte sich Gouma zu mir herüber um flüstern zu können. „Wir sollten die beiden nicht so belauschen.“

Ich antwortete nicht.

Unten sprach gerade wieder Crear. „Ich fühle mich dir so seltsam verbunden…“ Er versuchte sich aber nicht ihr zu nähern.

„Wir müssen aufpassen, dass Louvis nichts hiervon erfährt.“ Euliste schien wie Crear zu fühlen.

Seine Antwort verstand ich nicht, da Gouma wieder flüsterte. „Also ich werde gehen – wir sehen uns dann nachher.“ Meine Hand kurz drückend erhob sie sich und verschwand in den Gängen.

Ich wusste, ich sollte es nicht tun, doch blieb ich, um den beiden drunten weiter zuzuhören – aber sie waren verschwunden. Ob es wegen uns gewesen war? Bei unseren üblichen Treffen in den nächsten Wochen erwähnte es Crear aber mit keinem Wort.

 

Etwa eine Woche später war ich gerade auf meinem Weg in die Vorratslager, die zu überprüfen auch meine Aufgabe war, da kreuzte Caeryss meinen Weg; scheinbar mehr absichtlich denn zufällig.

„Kammerherr Doubal! – Eilzen – wohin des Weges?“ Nachdem ich sie sowohl darüber als auch über meine Absichten dort aufgeklärt hatte, bestand sie darauf mitzukommen. „Vielleicht kann ich dir helfen?“

Das war nicht Caeryss wie ich sie kannte, also ließ ich sie gewähren, hauptsächlich um meine eigene Neugier zu befriedigen.

Kaum waren wir also im Mehllager angelangt, da fragte ich sie. „Was willst du wirklich? – Gibt es neuen Klatsch den du jemandem erzählen musst?“

Sie streckte mir die Zunge raus, also schien ich Recht zu haben. „Du wirst nie erraten, was eben geschehen ist!“

„Nun?“

„Eigentlich wollte ich wirklich etwas Mehl von hier holen, doch der Gesandte – Louvis – kam zur Küche. Du musst wissen, er kam schon mehrmals, um sich etwas zu Essen zu holen – und immer hat er dabei mit mir geredet – mir gesagt wie schön doch mein Haar sei und wie gut das Essen schmeckt – naja, eben fragte er, ob ich nicht mitkommen möchte nach Barga.“

Ich hielt mit dem Zählen der Mehlsäcke sofort inne und blickte sie ernst an.

„Ich hoffe du bist vernünftig genug, nicht darauf hineinzufallen – außerdem scheint ihm das Fräulein Euliste versprochen.“

„Ach, du bist so ein Griesgram, lass mir doch auch mal meinen Spaß – außerdem; auch die Frau Teule scheint sich sehr gut mit ihm zu verstehen. Ich habe sie jetzt schon mehrmals Abends miteinander reden hören.“

„Teule stellt sich mit jedem gut, der ihr einen Vorteil bringen könnte. Sie wollte sogar mich schon einmal auf ihre Seite ziehen, doch ich hoffe, wir konnten uns auf einen Waffenstillstand einigen.“

„Vielleicht werden Teule und Louvis ja das neue Traumpaar der Burg, nachdem Crear kaum auf sie zu hören scheint und sie Maereth nun nicht mehr alleine treffen kann.“

Bei dem Gedanken schauderte es mir. „In dem Fall sollten wir aber sehen, dass wir eine andere Burg für uns finden.“

Caeryss lachte bloß. „Aber nun muss ich los – ich soll dem Fräulein Euliste helfen sich nachher heimlich mit Crear zu treffen.“ Sie lächelte erneut ob meines verwirrten Ausdrucks, blinzelte mir zu und verschwand wieder. Ich blieb allein mit Mehl, Käse, eingelagertem Obst und geräuchertem Fleisch zurück.

 

Bereits zwei Wochen später war das große Unglück geschehen. Ich kam gerade aus den Gemächern unserer Besucher, die sich über fehlendes Wasser beschwert hatten, da eilte Baggris, der oberste Knecht des Maereth, auf mich zu.

„Herr! – Herr Doubal! – kommt schnell zu meinem Herrn – es ist schrecklich!“ Angst, Aufregung und Atemlosigkeit zeichneten den Mann, dass ich Schlimmes befürchtete.

„Was ist geschehen?“

Doch er antwortete nicht. „Kommt schnell! – man braucht euch!“

Und ich ließ mich von ihm zu den Gemächern des Tereanv führen, wobei er mehr lief als auf mich wartete. Dort angelangt sah ich bereits die Versammlung, die mehr als tausend Worte sprach.

Ausgerechnet Teule sah mich als Erste. „Kammerherr – da seit ihr ja endlich – ich glaube ihr kennt eure Aufgaben – bereitet die entsprechenden Abläufe vor.“

Während ich mich noch fragte wie es diese Frau schaffte dem Tod ihres Sohnes so gleichgültig und kalt gegenüber zu stehen, erreichte auch Louvis den Ort.

„Ich habe es gehört – ist er wirklich tot?“ Crear und Faulass nickten ihm zu; ersterer seltsam unberührt guckend, zweiterer mit traurigem Blick. „Dann übermittelt der König hiermit erneut Beileid und seine Grüße dem neuen Tereanv.“ Er nickte Crear zu. „Doch bevor ihr ihn verbrennt, lasst mich bitte Körper und Gemächer prüfen.“

„Wozu? – Ihr kennt die Totenruhe.“

Crear schien dies nicht zu gefallen – da mischte sich Teule ein. „Er hat Recht – lass ihn gewähren, Enkel – Tereanv.“

Und auch der alte Faulass erhob zitternd seine Stimme. „Glaubt ihr etwa – oh…“

Da sah ich mich gezwungen zu unterbrechen – die Gewöhnung hatte mich wieder im Griff. „Ich werde die Festlichkeiten vorbereiten – sagt mir bitte, wann ihr mit ihm fertig seid.“

Crear war nun der neue Tereanv.

Seine ersten Anweisungen ließen nicht lange auf sich warten. „Jetzt geht – ihr alle – trauert. Wir sehen uns heute Abend. – Louvis, ich werde euch helfen.“

Ich wartete nicht lange um von diesem Ort fortzukommen. Gedankenverloren strollte ich in die Küche, um Caeryss und den anderen Anweisungen zu geben.

Erstere hielt die Verhältnisse in der Burg treffend fest. „Diese Familie stirbt schneller als die Fliegen.“

Ich konnte nur hoffen, dass es mit Crear nicht auch so geschah. Doch sollte sich alles ändern, auch Crear.

 

 


 

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Der A’Lhumakrieg – II: Ungewöhnliche Absichten erfordern ungewöhnliche Mittel

April 18, 2016

II: Ungewöhnliche Absichten erfordern ungewöhnliche Mittel.

„Und ich sage dir – er hat ihn damals umgebracht!“

Crear Ataurass Elorm war wütend – so wütend, wie ich ihn seit Jahren nicht gesehen hatte. Immer wieder ging er von einem Ende des Raumes zum anderen, sein Gewand dabei ehrfurchtgebietend hinter sich herziehend.

„Das sind harte Worte – was macht dich da so sicher?“

Ich saß an meinem Tisch, vor mir mein Humpen, daneben seiner. Eigentlich hatten wir uns nur unterhalten wollen – nun das.

„Du weißt es doch selber! – du warst doch dabei!“ Er hielt an und sah mich eindrücklich an. „Zunächst einmal – du weißt, wie sie immer stritten. Du weißt, dass sie sich am liebsten die Kehlen aufgeschnitten hätten!“

„Das ist aber doch kein Beweis…“

„Nein, natürlich nicht – aber an diesem Tag – damals vor so vielen Jahren – als Shaen meinen Vater überzeugte, auf das Meer hinauszufahren – obwohl er wusste, dass ein Sturm kommen würde – das ist bis heute seine Entschuldigung – zu behaupten, das Wetter wäre es gewesen – Schicksal – Eingriff der Götter -“

„Ja! – Ja! – Ich verstehe ja, was du meinst; du meinst also, er hätte sich selbst in Lebensgefahr gebracht, um seinen eigenen Sohn zu töten? – Welchen Sinn soll das denn bitte machen?“ Und zu mir selber sagte ich: So verrückt kann selbst diese Familie nicht sein.

Nun kannte ich Crear bereits seit Jahren, doch verstand ihn trotzdem noch nicht. Meist führte ich es auf die anstrengenden Jahre der Mannwerdung sowie seinen Zorn auf Shaen und den ewig quälenden Verlust des Vaters zurück, doch manchmal schien dies nicht zu reichen. Es machte mir schon allein Sorgen, dass oftmals sein ganzes Leben, Streben und Handeln nur von Hass getrieben schien. Und dann, an anderen Tagen, seinem Großvater gegenüber, verhielt er sich plötzlich wieder gewöhnlich, wie der kleine Enkel von einst.

„Ich weiß – für dich und Asmyllis mag es keinen Sinn ergeben – doch ich weiß, es war so.“

„Und du weißt, dass bloße Anschuldigungen dir nicht viel bringen? Selbst mit Beweisen wäre es schwer – inmerhin ist er der Sohn des Gurass – der nächste Tereanv. Und was bist du? Du kommst nirgends in der Nachfolgereihe dran – also – beruhig‘ dich. Du kannst nichts tun.“

Meine Worte schienen ihn zum Überkochen zu bringen. Mit einem kräftigen Schlag seiner Faust traf er den Schild, welchen ich an die Wand gehängt hatte – und verbeulte ihn.

„Ah – was machst du da? Bringt dir das Befriedigung?“

Mit einem seltsamen Feuer in den Augen sah er mich an. „Ja – das tut es.“ Sodenn setzte er sich wieder mir gegenüber und sah mich auf einmal gelassen an. „Du wolltest mir von Asmyllis erzählen – wann kommt sie wieder?“

„Ah, Crear, wohin gehst du?“

Der Angesprochene blickte Shaen erschrocken an.

„Äh – Großvater – ich… – ich bin gerade auf dem Weg zu Großvater Gurass…“ Crear war es sichtlich unangenehm, seinem Verwandten hier in den Gängen der Burg zu begegnen.

„Ach ja, Vater – schon so alt und trotzdem versucht er noch das Geschick der Familie zu lenken. – Sag, was gefällt dir so bei ihm?“

Crear sah kurz düster zu Boden, dann hinüber zu mir, der ich selber unangenehm überrascht auf dem Balkon des Ganges saß, unfreiwilliger Zeuge dieser Begegnung werdend.

„Nun – er ist ehrlich.“ Sein Blick wurde durchdringend, als er Shaen in die Augen sah. „Er hat nie jemanden ermordet, der mir wichtig war.“

Shaen schien den vorhandenen Seitenhieb nicht zu bemerken; blieb erstaunlich ruhig – wirkte gar nachdenklich.

„Weißt du, als ich in deinem Alter war, hatte ich auch noch einen Großvater, der damals Tereanv war: Noroash. Hat dir dein Großvater je erzählt, wie er meinen Großvater die große Treppe des Eingangssaales hat hinab stolpern lassen? – Natürlich war es für alle bloß ein Unfall…“

Er verfiel in Schweigen, doch Crears Lippen zitterten. Ich kannte diese Art – und plötzlich war Crear verschwunden, seinen eigenen Weg verfolgend.

Nachdem Shaen kurz regungslos verharrt war, wurde er meiner gewahr. „Ah, Kammerherr – wie geht es euch?“ Humpelnd – wie er seit dem Unglück damals immer war – kam er zu mir.

„Herr – danke – gut.“

Und zu allem Überfluss setzte er sich dann auch noch neben mich.

„Ich habe ein paar Dinge mit euch zu bereden. – Mein Vater ist alt und wird nicht mehr lange leben – das wisst ihr. Es wäre klug, bereits für die Zeit danach zu sorgen, wenn ich der neue Tereanv bin. – Was meint ihr?“

Ich fühlte mich unter seinem ruhigen, doch herrischen Blick klein und machtlos. Hatte ich eine andere Wahl als ihm zu gehorchen?

Vielleicht ein Jahr später gab es ein folgenschweres Treffen. All die Zeit über war Crear bemüht gewesen, seinem Großvater aus dem Weg zu gehen. Wann immer er ihm begegnete, versuchte er sich zu beherrschen. Meist hatte er zuviel Angst um aufzubegehren, doch manchmal schimmerte sein Hass in seinen Reden oder Augen hindurch. Auch Shaen konnte das unmöglich entgangen sein. Dieser war stark damit beschäftigt, seine Macht auszubauen. Als ältester Sohn des Gurass stand ihm sowieso der Titel des Tereanv zu, sollte dieser sterben, doch hätte ihn noch der Ehrgeiz seines Bruders Chauss oder eines dessen Söhne in den Weg kommen können. Als die Familie Chauss jedoch von einem Ausflug in den Osten nicht wieder zurückkam, da Banditen sie überfallen hatten, war dieses Problem gelöst. Nun – ich will damit ganz sicher nicht behaupten, dass Shaen dafür verantwortlich war – ganz gewiss nicht, immerhin gab es keine Beweise in der Richtung – doch kam ihm dies gut gelegen. Was ich damals aber immer noch nicht verstand war, wie ihm der Tod des Ataurass hätte helfen können.

Zunächst aber zu besagtem Treffen: Sobald sie von dem Unglück Chauss betreffend erfahren hatte, verfiel die ganze Familie Elorm für eine Woche in Trauer. Bereits nach drei Tagen aber sollte es sich ereignen, dass Shaen seinen Sohn Maereth sowie seinen Enkel Crear einlud, mit ihm am Feuer des kleinen Ostsaales zu trinken und beisammen zu sein. Ich war natürlich nicht eingeladen, sollte aber als Crears Mundschenk werken – und ehrlich gesagt lauschte ich sooft es ging, was dort besprochen wurde. Nachdem sie bereits für eine Stunde über Belanglosigkeiten – Wetter, andere Adlige, Klatsch, Gerüchte, das Verhalten von Shaens Frau, Stadtgeschehen, das Geschehen am Hofe in Barga und so weiter – gesprochen hatten, wagte Maereth endlich die wichtige Frage.

„Jetzt sag schon, Vater – warum wolltest du dich wirklich mit uns treffen?“

Ich sah die Beteiligten zwar nicht, doch hörte ich Shaen seinen Becher abstellen – immer noch klang seine Stimme klar, derweil Maereth etwas lallte. „Ich will mit euch die Dinge besprechen, die da kommen, wenn ich Tereanv bin – Gurass liegt im Sterben. – Jetzt guck nicht so Crear, du weißt das doch ebenso gut wie ich. – Die Kräuterfrauen und Heilmänner sagen, dass sie nichts mehr tun können. Der natürliche Lauf der Welt geht seinen Weg und nimmt ihn mit sich.“

Maereth schien besorgt – aber nicht um Gurass. „Was – hast du dann vor mit uns zu tun?“

Shaens Stimme schwang um in Zorn. „Dummkopf! Ich werde dir schon nichts antun – sonst hätte ich das längst getan! – Nein, du törichter Junge! – Ich brauche euch. Ihr seid die Fähigsten aus der Familie, wenn auch nicht die Schlauesten. – Nein, sagt nichts, hört einfach zu! – Lange genug hat diese Familie, die Familie Elorm, am Rande des Reiches vor sich hingedümpelt. Es ist Zeit, uns endlich zu vergrößern; und zu nehmen, was uns gehören sollte.“

Maereth schien überrascht – wir anderen wussten schon lange um Shaens Ehrgeiz. „Was hast du vor?“

„Uns Land erkämpfen, das andere Familien uns wegschnappten – was sonst?“

Endlich mischte auch Crear sich ein. „Und wir sollen für dich dabei was sein? Feldherren oder Statthalter?“

„Ich werde euch für beides brauchen, meine Kleinen.“

Plötzlich musste ich erschrocken von meinem Horchposten auffahren.

„Was tust du? Lauscht du etwa?“

Lange hatte ich mich nicht mehr so ertappt und peinlich berührt gefühlt.

„Du weißt doch – das tut man nicht.“ Mit einem seltsam belustigt belehrenden Blick sah Caeryss mich an, während sie gleichzeitig einen halben Laib Brot aus dem Brotkorb nahm.

„Essen stehlen gehört sich aber ebensowenig – hab ich zumindest gehört. Und warum sollte eine Köchin das tun?“

Nun grinste sie. „Ich habe nichts gesehen – oder du etwa?“

Was blieb mir anderes übrig als den Kopf zu schütteln?

„Na also – aber sag mal, was gibt es denn so tolles zu belauschen?“ Neugierig schob sie eine Strähne braunen Haares beiseite und machte Anstalten ebenso zu lauschen.

„Das geht dich eigentlich nichts an. – Shaen betrinkt sich mit Maereth und Crear.“

Diese Neuigkeit schien sie zu enttäuschen. „Ah? – naja – sicher interessant – für dich. Nun – weißt du schon, dass Gurass es nicht mehr lange machen wird? – Und auch, dass behauptet wird, unsere Frau Asmyllis sei nach Tarle gegangen, weil sie meint, ihren Bruder dort zu finden? – Hm – nagut, ich seh‘ schon, mit dir macht das heute keinen Spaß – vielleicht geh ich lieber mal zur alten Gouma.“

Sobald sie endlich fort war, konnte ich mich wieder der Aufgabe des Lauschens widmen. Doch kaum wie ich mitbekommen hatte, dass sie sich bereits wieder über anderes unterhielten, da öffnete sich plötzlich die Tür zum Saal und Shaen kam zu mir in die Kammer. Ich konnte mich gerade noch rechtzeitig aufrichten.

„Heda – Kämmerer – wie war der Name? – Ach ja: Doubal. Also – Doubal. Ich werde jetzt in meine Gemächer gehen – sorge doch bitte dafür, dass da drinnen aufgeräumt wird, wenn die beiden fertig sind – und lass mir morgen zeitig genug mein Frühstück bringen, ich werde ausreiten wollen.“

„Ähm – natürlich, Herr.“

Ich hatte kaum Zeit mich zu verbeugen, da war er auch bereits ins Treppenhaus entschwunden. Nun letztlich doch zurück an meinem Horchposten, glaubte ich meinen Ohren nicht mehr trauen zu können.

„Du willst ihn umbringen? – Wieso?“ Crear klang ebenso ungläubig wie ich geklungen hätte.

„Wie er selber sagte, wird er bald Tereanv sein – würde er sein, wenn er weiter lebt. Und ich wäre dann sein Nachfolger. – Aber ich will nicht warten, bis ich alt und schrumplig bin sondern jetzt schon seine Nachfolge antreten! – Und du – du wirst mir helfen!“

Crear war mittlerweile kühler, überlegter geworden. „Warum sollte ich das tun?“

„Du weißt genau, dass ich keine Kinder bekommen kann. Nach mir würde der Titel dann an irgendwen anders aus der Familie fallen. Wenn du mir aber hilfst, mache ich dich zu meinem Sohn -“

„Aber er ist dein Vater – du willst deinen Vater ermorden?“

„Lass das meine Sorge sein – du hasst ihn doch auch – wir alle hassen ihn. Es wäre besser, würde Ataurass noch leben, aber so -“

Er ließ seinen Satz ausklingen, ohne dass ich verstand, worauf er anspielte. Crear dagegen schwieg, bis Maereth fortfuhr. Seine Stimme klang plötzlich dunkel und traurig.

„Weißt du, Crear – ich würde dich auch so zu meinen Nachfolger ernennen. Wen sonst gibt es denn in dieser Familie schon? Gasmys bringt nur Bastarde und Schwachköpfige zur Welt und Asmyllis könnte man sich niemals unzüchtig genug vorstellen. Da bleibst nur du. – Und, mein Lieber – du bist gefährlich. Zu schlau und zu unberechenbar. Bis heute konnte ich nicht feststellen, was du eigentlich anstrebst – außer meinen Vater zu töten. Also wirst du mir helfen.“

Ich hörte auf einmal einen Stuhl über den Boden schaben und dann Crears wütende Worte. „Aus dir spricht bloß der Wein! – Du bist ebenso erbärmlich wie dein Vater!“

Hastige Fußtritte entfernten sich gen anderes Ende der Halle, gefolgt von einem weiteren scharrenden Stuhl und anderen Schritten.

„Crear – warte doch!“

Und damit ward alles ruhig.

Da ich niemanden mehr fand, den ich mit Shaens Frühstück an meiner statt beauftragen konnte, musste ich mich am nächsten Morgen wirklich selber darum kümmern und trug es sogar noch eigenhändig hinauf in seine Gemächer. Ich richtete alles im Esszimmer her wie es sich gehörte, doch fehlte noch der Herr des Hauses. Auf mein Klopfen hin antwortete niemand, so streckte ich vorsichtig meinen Kopf in sein Schlafzimmer – doch Shaen war nicht da. Verwundert ging ich hinab zur Küche, doch wurde von Caeryss aufgehalten.

„Da bist du ja! – Schnell! – Man braucht dich – Gurass ist tot!“

Einen Moment lang war ich zu erschrocken, dann eilte ich zu den Gemächern des alten Tereanv, um dort bereits alle sich zur Zeit in der Burg befindlichen Familienangehörigen vorzufinden. Gurass war tot – tatsächlich tot – nach all diesen Jahren – und die versammelte Familie trauerte – oder tat zumindest so.

Am selben Tag noch wurde Shaen Gurass Elorm zum neuen Tereanv von Lurut ernannt und in der folgenden Nacht Gurass verbrannt, als hätte man Angst, er könne wieder auferstehen. Etwa eine Woche lang ging dann alles seinen gewohnten Gang. Shaen versuchte sich in allen Amtsgeschäften durchzusetzen. Maereth wurde sein vorbestimmter Nachfolger, derweil Crear den Titel eines Heerführers bekam. Gasmys Shaen, der jüngere Sohn, bekam die Grenzmark zugesprochen, die unter Gurass noch Shaen inne hatte. Das lockte natürlich Gerüchte hervor, was er wohl mit Maereth vorhätte.

Und eines Abends, als ich durch die dunklen Gänge der Burg striff, vernahm ich – wieder einmal unwillig – ein Gespräch. Ich holte gerade ein verstaubtes altes Banner für Shaen aus einer Abstellkammer, da kamen im Gang draußen Gestalten an der Tür vorbei. Klar und deutlich vernahm ich da für einen kurzen Augenblick die Stimme der alten Teule, Frau des Shaen und heimliche Herrscherin der Burg.

„… musst es endlich tun, Maereth! Sei kein Feigling!“

Zunächst dachte ich mir nichts dabei, doch am folgenden Tage bekamen diese Worte eine seltsame Schwere, denn am Morgen war die gesamte Burg erneut in Aufruhr: Shaen war tot! Der Mann, der erst seit wenigen Tagen Tereanv gewesen war – war nun selber nicht mehr.

„Was – was ist geschehen?“ Ich war fassungslos, als ich davon hörte.

Caeryss ging es kaum besser. „Ich weiß es nicht – ich fand ihn heute morgen – tot in seinem Bett – er atmete nicht mehr…“

Sie schien den Tränen nahe, warum auch immer, also drang ich nicht weiter in sie. Andere schienen nicht mehr zu wissen, doch trafen mich als Kämmerer einige drohende Aufgaben, so ging ich zu Teule.

„Mein Mann ist tot und du erwartest von mir Gründe für deine Aufgaben zu erfahren? – Ha! – Du bist ein wirklich guter Kämmerer. Ich weiß nicht, woran er gestorben ist – Schwaches Herz? Falsches Essen? Nicht genug Opfer dargebracht? – aber ich will, dass alles vorbereitet wird. Du weißt, dass Maereth nun neuer Tereanv ist, auch wenn sein Vater es nicht lange war, also bereite die Feierlichkeiten vor. Und heute Abend wird mein Gatte verbrannt, wie es Sitte ist – bis dahin haben die Kräuterfrauen und Heiler Zeit genug zu versuchen herauszufinden, woran er starb.“

Nach dem ‚Gespräch‘ mit Teule fühlte ich mich schlecht. Ich hatte den starken Verdacht, dass sie und Maereth am Tode Shaens zumindest mitverantwortlich waren. Dass Maereth später bei seiner Thronbesteigung Crear zu seinem Nachfolger ernannte, machte die Sache für mich kaum besser. Crear, den ich als unschuldigen Jungen gekannt hatte, gehörte nun ebenso zu den Ränkespielen dieser Familie wie alle anderen. Unter den wenigen noch anwesenden Familienmitgliedern entstand schnell misstrauisches Geraune.

„Der kleine Crear einst Tereanv? Na das wird Frau Asmyllis gefallen, sollte sie je wieder heimkehren.“ Caeryss, die neben mir stand, warf mir nach ihren Worten einen bedeutungsvoll spöttischen Blick zu und machte sich von dannen.

Mich beschlichen ungute Gefühle, wenn ich an die Zukunft dieser Stadt – dieser Familie – dachte. Und es schauderte mich, als ich Teule neben ihrem Sohn stehend lächelnd auf die Versammelten blicken sah.


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Der A’Lhumakrieg – I: Die verlorene Tugend der Kindheit.

April 11, 2016

1. Buch

I: Die verlorene Tugend der Kindheit.

An einem schönen Frühjahrstag traf sich ein Teil der Familie Elorm südlich der Stadt Lurut am Telénemeer. Es ist heute nicht mehr bekannt, wer den Vorschlag dazu machte, doch nahm ein ganzer Zweig der Familie daran teil.

Shaen Gurass Elorm war ältester noch lebender Sohn von Gurass Noroash Elorm, dem Herrn von Lurut. Als die Familie im Wald jagen war, zeigte er stolz allen seine Beute.

„Seht was ich hier erlegt habe und versucht mich zu überbieten!“

Ataurass Shaen Elorm, sein jüngster Sohn, hatte den Ehrgeiz seines Vaters nie leiden können.

„Nur weil dir das fetteste und lahmste Tier vor den Pfeil lief bedeutet das nicht, dass du besser bist als wir. Zu siegen ist nicht alles.“

„Oh doch mein Sohn! Sieg, Macht und Kraft sind alles! – Aber das hast du noch nie begriffen.“

Asmyllis Teule Elorm, Tochter des Shaen und Schwester des Ataurass, hatte in der Familie schon immer zwischen den beiden gestanden.

„Das reicht! Es sollte ein schöner Ausflug werden!“

Tatsächlich gehorchten die beiden Männer ihr auch und schwiegen.

Der kleine Crear Ataurass Elorm, Sohn des Ataurass, gab zu dieser Zeit noch wenig auf die Reden aller Beteiligten, war er doch kaum größer denn das von Shaen erlegte Tier. Bezeichnenderweise nahm jedoch kaum jemand in seinen Worten Rücksicht auf den Kleinen, waren sie doch zu sehr mit sich und ihren Gegnern beschäftigt. Crears Amme, genannt Mütterchen Gouma, hielt ihm zu solchen Zeiten oft die Ohren zu, waren solche Reden doch nichts für sein kleines Gemüt.

Auch ich, Eilzen Doubal, war damals mit in diesem Wald an der Küste des Meeres. Meine Aufgabe war es, ein Lasttier zu führen, welches den Karren mit Vorräten zog. Drei solcher Karren und drei solcher Zugführer wie mich gab es; außerdem folgten noch die Knappen des Shaen und Ataurass sowie zwei Adlige aus der Stadt und ein Koch. Die Stimmung zwischen den beiden Streithähnen war bereits seit Tagen gespannt und vermutlich sollte dieser Ausflug sie alle auflockern, ablenken und wieder versöhnen. Doch es kam alles ganz anders und natürlich viel schlimmer.

„Wie lange willst du noch durch diesen Wald schleichen und wehrlose Tiere schlachten?“

Wenn es um seinen Vater ging, hatte Ataurass noch nie gewusst sich milde zu verhalten.

„Wenn es dir hier nicht gefällt, oh Sohn, dann lass uns an das Meer gehen. Wir haben genug erlegt uns ein gutes Mahl zu bereiten.“

Shaen kannte den listigen Weg schon immer besser.

Und auch wenn sich Vater und Sohn nicht immer einig waren, so konnten sie es doch heute: Die ganze Gesellschaft wanderte hinab an die Küste, die dort sandig und trocken war, um endlich etwas zu essen. Aber natürlich sollte es noch Stunden dauern bis alles so weit wäre, weshalb man sich zunächst mit dem mitgebrachten Brot begnügen musste.

„Wie lange hast du eigentlich vor hier zu bleiben? Ich hörte, das Wetter könnte heute schlecht werden.“

Asmyllis mochte zwar die Natur, doch nicht Ausflüge, die nur dem Töten, Fressen und Streiten dienen sollten. Laut wagte sie dies ihrem Vater gegenüber aber nicht zu äußern.

„Ach, das Wetter wird schon halten. – Und wenn nicht; was macht etwas Regen schon? Lasst uns doch endlich feiern! Wir sind hier als Familie und nicht als Vorbild für Lurut!“

Überschwänglich erhob Shaen sich von seinem Platz an der kurzen Tafel, doch so recht wollte niemand seinen Anweisungen folgen. Lediglich der kleine Crear nutzte die Gelegenheit, um durch den Sand zu strollen und nach Muscheln zu suchen. Mütterchen Gouma hielt ein wachsames Auge über ihn, doch sah er nicht aus, als wollte er etwas schlimmes anstellen.

„Wie geht es eigentlich Großvater? Seit meiner Rückkehr habe ich ihn noch nicht wieder gesehen.“

Sechs Monde war Ataurass im Land unterwegs gewesen um mit anderen Adligen zu sprechen und alte Bündnisse zu wahren.

„Ach – viel zu gut.“

Es war bekannt, dass Shaen seinen Vater, den damals fast schon greisen Gurass, ebenso wenig mochte wie sein eigener Sohn ihn. Manche Zungen wagten gar zu munkeln, dass Gurass dem Ehrgeiz des Sohnes zu stark im Wege stände.

„Du kennst ihn doch – Er wird niemals aufhören zu arbeiten. – Übrigens meinte er, dich bald sprechen zu wollen.“

Asmyllis versuchte oft mit Worten und einem schnellen Lächeln die Äußerungen ihres Vaters zu überspielen.

„Trauert er immer noch um Großmutter?“

Das bedrückte Schweigen, welches Ataurass selbst aus Richtung seines Vaters antwortete, schien keine weiteren Fragen oder Antworten zu verlangen. Kurz darauf versuchte dieser auch schon weiterzumachen wie zuvor.

„Asmyllis – deine Mutter braucht Hilfe. – Sie sagt es zwar nicht, aber sieh einmal nach ihr.“

Während das Gespräch so fortging, wurde ich dazu beordert Feuerholz zu sammeln. Es erwies sich nicht als sonderlich schwer, war der Wald doch nah, aber als ich zurückkehrte hatte sich alles verändert. Shaen hatte sich wieder einmal von seinem Stuhl erhoben, diesmal aber um hitzig mit seinem Sohn zu sprechen. Dieser schien kaum weniger aufgebracht, doch hatte sich besser im Griff. Verwirrt fragte ich Gouma, was denn nun schon wieder geschehen war.

„Mmh! – du kennst die beiden doch. Nehmen jeden noch so kleinen Anlass sich zu streiten. – Ich weiß schon gar nicht mehr… worum es diesmal ging. – Eines Tages werden sie sich noch umbringen. – Mmh!“

Am Tisch schienen Vater und Sohn sich bereits wieder beruhigt zu haben – zumindest waren sie leiser und saßen beide wieder. Aus dem Augenwinkel bemerkte ich sodann eine Bewegung – und schon kam der kleine Crear zum Tisch gelaufen. Den Streit schien er – wie sooft – nicht bemerkt zu haben. Freudig erregt stand er da mitten zwischen Vater und Großvater und zeigte ersterem stolz etwas. Ich konnte nicht erkennen was es war, doch schon erhob Shaen auch wieder seine Stimme.

„Heda! – Koch! – Wie lange wird es wohl noch dauern?“

Dieser war erschrocken angesprochen zu werden und dementsprechend ungenau war seine Schätzung, als sein Hirn sich in die dunkelsten Ecken verkroch.

„Vielleicht… – Etwa zwei Stunden!“

Shaen grunzte seltsam zufrieden, um sich dann an die gesamte Tischgesellschaft zu wenden.

„Dieses Kind hier -“ Er deutete auf Crear. „- hat mich auf eine großartige Idee gebracht. Um die Zeit zu vertreiben – und um unser Mahl ansprechend zu bereichern – fordere ich dich -“ Er deutete auf Ataurass. „- meinen Sohn, heraus. Wer von uns beiden wird wohl die meisten frischen Muscheln aus dem Meer sammeln können?“

Der Angesprochene zog misstrauisch die Augenbrauen zusammen, doch die Adligen schienen begeistert. Unter diesem Druck gab es nur eine Antwort für Ataurass.

„Du bist alt und wirst verlieren. – Ich nehme an!“

Während die Adligen ihm freudig zu prosteten, sah Asmyllis eher besorgt zwischen Bruder und Vater hin und her. Shaen aber stand da wie ein zu allem bereiter Wettkämpfer. Zurückblickend vermag ich nicht zu sagen, ob er dieses Stück geplant und geübt hatte – oder nicht. Auch Crear sah abwechselnd seine beiden männlichen Vorbilder an. Er schien nicht zu verstehen, was kommen sollte, doch steckte die gespannte Stimmung auch ihn an und wandelte sich – in Vorfreude.

Shaen, Ataurass, Asmyllis, die Adligen sowie zwei Knechte machten sich auf den Weg, hinab ans Meer. Ich verblieb mit Crear, Gouma und dem Koch beim Essen, doch sah ich immerhin noch, was geschah. Das Telénemeer war A’Lhumas einzige große Wasserfläche und Lurut nicht weit entfernt. Viele Schiffe und Boote hatten wir auf dem Blau bereits erblickt, doch waren nun plötzlich alle langsam wieder verschwunden. Ein kleines Fischerboot aber befand sich in Rufweite. Ich sah Shaen ihm zurufen; es herbei ordern. Als es am Strand angelegt hatte, wechselten der Fischer und Shaen ein paar Worte, woraufhin Asmyllis nachdrücklich aufbegehrte – doch ihr Bruder hielt sie ab; stieg mit seinem Vater und einem der Adligen in das Boot und ließ sich von dem Fischer hinaus auf das Meer fahren, wo wir sie bald aus den Augen verloren.

Und wenige Zeit darauf zog der Sturm auf.

„Schnell! – In den Wald!“

Der Koch wusste plötzlich Befehle zu geben, doch hatte er auch Recht. In nicht einmal einer Stunde war aus zuvor bloßen Wolken ein tosender, grollender Sturm geworden. Über dem Meer zuckten Blitze und die Wellen erhoben sich um krachend gegen den Strand zu branden. Uns an Land wurde heftiger Regen um die Ohren gepeitscht; innerhalb weniger Augenblicke waren wir nass. Mütterchen Gouma hatte nicht erst den Befehl des Kochs abgewartet, sondern versteckte bereits Crear unter ihrem Mantel um sogleich in den Wald zu flüchten.

„Aber Vater und Ataurass – !“

Asmyllis schien den Regen kaum zu bemerken; immer wieder blickte sie wild suchend auf das Meer hinaus, doch dort etwas zu finden war unmöglich.

„Frau – kommt mit uns; schnell! – Wir können jetzt nichts tun!“

Doch erst als ich sie am Arm packte und hinter mir herzuzerren versuchte, kam sie freiwillig.

Alles war in wilder Aufregung. Die Tiere waren vernünftigerweise bereits ohne uns durchgebrannt und hatten ihre Karren zurückgelassen; derweil wir alle eiligst dem Koch und Mütterchen Gouma folgten.

Der Wald schaffte es das Tosen abzuschwächen, doch trotzdem hatten wir einige grauenvolle Augenblicke vor uns, in denen ein jeder um sein Leben fürchtete. Die Natur erwies sich an diesem Tag stärker als wir, die wir nichts ausrichten konnten. Crear hielt uns bald mit seinem Heulen ebenso beschäftigt wie der Sturm, derweil Asmyllis dies alles kaum zu bemerken schien; immer wieder sah sie besorgt hinaus auf die See. Jene war finster und wütend und ich vermochte keine Hoffnung für die beiden Ausgefahrenen zu verspüren.

Nach einer unbekannten Weile, die mir wie eine Ewigkeit erschien, doch wesentlich kürzer hatte sein müssen, hörte der Sturm so plötzlich auf, wie er gekommen war. Und als die Sonne die Wolken durchbrach konnten wir hinter uns einen Regenbogen ausmachen. Nach kurzer Zeit schon wirkte auch das Meer friedlich wie zuvor, doch von Schiffen war nirgendwo eine Spur. Immerhin war es ruhiger geworden; auch Crear weinte nicht mehr.

Endlich erwachte auch Asmyllis aus ihrer Starre.

„Los, kommt! – Vater! – Ataurass!“

Nachdem sie losgerannt war, sollte ich der erste sein, der ihr folgte, doch bald darauf kam die gesamte Gesellschaft. Die Tische an der Küste standen erstaunlicherweise noch; die Stühle hatte es umgeweht, das Feuer war ertrunken und Tücher und Nahrung feucht. Von unseren Lasttieren gab es keine Spur mehr, lediglich das erlegte Wild fand sich noch. Am Strand zappelten Fische, die es an Land gespült hatte und alles dort war voll von Wasserpflanzen, doch von dem Boot und seiner Besatzung fehlte jede Spur.

Als endlich alle angekommen waren, wandte sich Asmyllis an sie, ihr Gesicht gezeichnet von getriebener Besorgnis.

„Worauf wartet ihr? Sucht den Strand ab – schnell!“

Sie selber schien ins Wasser waten zu wollen, doch Gouma hielt sie ab.

„Frau – bleibt bei uns; jemand muss auf Crear aufpassen.“

Wir suchten in zwei Gruppen den Strand ab: Ich ging mit dem Koch gen Norden, auf die Stadt zu, derweil der verbliebene Adlige samt den Knechten sich den südlichen Strand vornahmen. Fast eine Stunde verbrachten wir mit der Suche, achteten auf Strand und See. Mehr als einmal meinten wir Holzstücke oder Körper zu entdecken, doch stets entpuppte es sich als etwas anderes. Nach zahllosen Steinen, treibenden Algen, Fischen und Ästen schienen wir weit genug gegangen zu sein und kehrten um; vielleicht hätten die anderen mehr Glück gehabt.

Zurück beim Festplatz erfuhren wir von Mütterchen Gouma, dass die anderen tatsächlich etwas gefunden hatten.

„Oh, es ist so schrecklich – schrecklich! – die armen Herren.“

Wenig später kehrte die andere Gruppe zurück. Sie hatten Asmyllis und einen Karren nach ihrer ersten Rückkehr mitgenommen und erschienen nun wie ein Trauerzug. Die Knechte zogen und schoben den Karren, derweil die anderen düster blickend nebenher schritten. Auf dem Karren gebettet lag ein bewusstloser Shaen. Die Stiefel fehlten ihm, Hose und Hemd waren halb zerfetzt und in Haar und Bart hatten sich Seefarne verfangen. Er wirkte wie eine Gestalt aus einem Märchen – oder wie ein Schiffbrüchiger.

Wir betteten ihn auf feuchten Tüchern neben dem erloschenen Feuer, das zu entzünden uns aber nicht mehr möglich war, in der Hoffnung, er möge dennoch rasch erwachen und uns mehr über den Verbleib der anderen mitteilen. Doch dem war nicht so.

Als es drohte dunkel zu werden, mussten wir abbrechen und wenigstens ihn heimbringen, bevor er vor Kälte erkranken könnte.

„Oh Ataurass – wo bist du?

Mit Tränen in den Augen starrte Asmyllis hinaus auf die See. Es war mir unangenehm, sie unterbrechen zu müssen.

„Frau – ihr könnt hier nichts tun; ihr erkältet euch nur. Lasst uns in die Stadt zurückkehren – und sofort Reiter und Schiffe entsenden, die nach ihm suchen.“

„Hm – vielleicht hast du Recht.“

Offensichtlich schweren Herzens entschloss sie sich, meinem Vorschlag zu folgen.

Vor Lurut angelangt, waren die Haupttore bereits verschlossen, doch ließ man uns natürlich durch die kleinen Tore ein. Asmyllis befahl den Wachen sofort, Reiter und Erkundungsboote aussenden zu lassen – doch musste zunächst ein Hauptmann gefunden werden, der diese Befehle auch ausführen durfte.

In der Burg wurde Shaen in seine Gemächer gebracht, eingewickelt in frische Tücher und umhegt von Kräuterfrauen. Mehr sollte ich nicht mehr sehen, war mir der Zutritt in diese Gemächer doch verboten.

Am nächsten Tag kam Asmyllis hinunter in die Ställe, wo ich Dienst hatte. Als sie gerade eines ihrer Tiere satteln ließ, wagte ich sie anzusprechen.

„Frau Asmyllis – wie geht es eurem Vater?“

Es schien eine Weile zu dauern, bis sie mich erkannte.

„Eilzen – mm – wie es ihm geht… – recht gut – er muss sich nur ausruhen.“

„Das freut mich. – Und gibt es Neues von.. eurem Bruder?“

Ihr Blick versteinerte sich, als hätte sie keine Kraft für Gefühle mehr.

„Es ist noch keiner der Sucher zurückgekommen. Deshalb werd‘ ich jetzt selber los.“

„Ich mache mir vor allem um Crear Sorgen -“

„Eilzen – bitte passe auf Vater auf. Seine Schwäche könnte von seinen Gegnern genutzt werden, vor allem von Chauss. Dort kannst du auch gleich nach Crear sehen.“

Ohne meine Antwort abzuwarten, machte sie sich auf den Weg. Nun war ich also Teil der Ränkepläne dieser Familie, was mir gar nicht recht gefallen mochte. Doch kam ich meiner Verpflichtung gegenüber Asmyllis nach und begab mich bald zu Shaen. Endlich war er wieder zu sich gekommen; saß bereits aufrecht im Bett und aß seine erste Mahlzeit seit einem Tag. Leider aber war er nicht alleine: Chauss Gurass, sein jüngerer Bruder, sowie Maereth Shaen, sein ältester Sohn, waren bereits zugegen.

„Was willst du, Diener?“

Chauss, so vermutete ich, war nicht gut gelaunt. Da sein Bruder immer noch am Leben war, hatte sich keine bessere Möglichkeit für ihn ergeben den Thron zu erreichen, sollte Gurass einst sterben.

„Herren – die Frau Asmyllis schickt mich – zu sehen, ob es dem Herrn Shaen gut geht – und ihm zu Diensten zu sein, sollte er Wünsche haben. – Herr.!“

Eiligst und mich sehr unwohl fühlend verbeugte ich mich vor Shaens Bett. Dessen Stimme war bereits wieder die alte: stark und streng.

„Diener – wie heißt du?“

„Eilzen Doubal, mein Herr.“

„Eilzen – hat meine Tochter die Torheit begangen nach ihrem Bruder zu suchen? – sprich!“

„Äh – Herr… – kurz bevor ich hier zu euch kam ritt sie los, die Küste abzusuchen.“

„Welch törichtes Mädchen – sie wird keinen Erfolg haben – Ataurass wurde über Bord gespült – das Boot traf ihn am Kopf – niemals wird er das überlebt haben.“

„Das ist – schrecklich…“

Später saß ich mit Mütterchen Gouma und Crear in dessen Zimmer, wo er spielen sollte doch sich weigerte. Stattdessen kam er zu mir, als ich am Ort eintraf.

„Wo ist mein Vater?“

Ich war sprachlos.

Gouma hatte ich es zu verdanken, dass ich es ihm zumindest irgendwie erklären konnte. Mit Fünfzehn hatte ich noch keine große Erfahrung, Todesnachrichten zu überbringen. Dies sollte sich in den folgenden Jahren aber noch grundlegend ändern. Doch zunächst lernte ich was es hieß, ein verletztes, weinendes Kind beruhigen zu müssen. Und es sollte alles nur noch schlimmer kommen.


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Der A’Lhumakrieg – Prolog

Dezember 1, 2015

Prolog

Crear Ataurass Elorm ist tot. Für die einen war es ein Segen – für wenige ein Unglück. Bis heute ist es schwer zu entscheiden, zu welcher Gruppe man sich rechnen sollte.

Mein Name ist Eilzen Doubal. Ich war sein Diener, engster Vertrauter und – Freund. Jahre schon ist es her, dass Crear Elorm verstarb, und bisher hüllte ich mich stets in Schweigen. Nun, da alle ihn nur noch als das Böse betrachten, ist es Zeit für mich, alles zu erzählen, wie es wirklich war – wie ich es aus nächster Nähe erlebte. Dieses Buch soll alle Geschichten, alle Legenden, ins rechte Licht rücken oder ergänzen. Deshalb ist es nicht nur für das Volk von A’Lhuma, sondern für die ganze Welt gedacht. Und bei einer solchen Aufgabe muss man daran denken, dass nicht alle die Geschichte von A’Lhuma kennen werden, ja einige vielleicht nie von uns hörten. Darum lasst mich zunächst einige Worte zu unserem Reich verlieren.

Vor etwa 5000 Jahren erschienen unsere Vorfahren in diesem Teil der Welt um sich hier niederzulassen. Das Reich von Harite wurde groß und mächtig, doch die Streitigkeiten mit seinen südlichen Nachbarn Darite wirkten sich aus bis in unsere Zeit. Später stand es – mit Ausnahme von Barga, seiner Hauptstadt – unter völliger Herrschaft durch Luvaun. Dieses war für seine meisterlichen Bauwerke berühmt, was auch uns zugute kam; noch heute werden die Kanäle benutzt. Als Luvauns Gegner aber, das Reich von Lurruken, Barga in seinem Freiheitskampf unterstütze, waren die goldenen Zeiten bald vorbei und das Reich Haret entstand.

Padrun, die heutige Hauptstadt unseres Nachbarn Panmein, war damals die Hauptstadt. Da in Barga aber ein Großteil des alten Adels verblieb, befand sich das Reich bald nach einem gewaltigen Bürgerkrieg in Trümmern. Für viele Jahrhunderte blieben rund um den großen Strom des Haregez bloß kleine Reichem, die sich gerne bekämpften. Im Norden setzte sich schließlich Padrun durch und formte sein Panmein; im Süden kam die Familie Sacaeran in Barga an die Macht und Sacaluma ward geboren. Diese Familie war es einst auch, die unser Lurut gründeten. Lange Zeit blieben diese beiden Reiche – Panmein und Sacaluma – Gegner. – Bis Crear kam. Doch lange zuvor schon wurde dem Reich Sacaluma geweissagt, dass es dereinst einen wichtigen Teil eines großen Krieges spielen würde. Ob dieser nun stattgefunden hat oder noch kommen wird, werde ich wohl nicht mehr erleben.

A’Lhuma heute – oder auch bis vor wenigen Jahren Sacaluma – ist ein Gemisch verschiedenster Völkerschaften, so sollte es nicht wundern, dass es eines Tages größeren Streit zwischen diesen gab. 3940, vor 40 Jahren, herrschte über Sacaluma noch die Familie Sacaeran in Barga. Es war das Jahr, in dem in Lurut ein ganz besonderer Junge geboren wurde. Lurut liegt im Westen des Landes und ist Sitz der Familie Elorm. Dieses Kind war Crear Ataurass Elorm.

Ich weiß nicht, wann genau mein Freund Crear den Verstand verloren hat. Als Kind wirkte er so unschuldig, so anständig, so – gewöhnlich. Doch ist sicher, dass der Tod des Vaters ihn hart traf.