Der Fluch der Schreckensburg

Januar 5, 2009

Wir kamen von Westen. Abseits jeglicher bewohnter Gegenden wollten wir uns halten, um keinen Verdacht zu erregen, um niemanden uns folgen zu lassen, um niemanden dazu zu bringen, uns von unserem Vorhaben abhalten zu wollen. Dazu waren wir mit einem kleinen Boot östlich von Bétiganos gelandet. Die anderen hatten Bedenken, wegen der Satenechsen im Sumpf, doch waren wir uns einig: Nach Satenfels zu gelangen war unser Ziel; die Burg ihrer Schätze berauben. Jeder hätte versucht uns zurückzuhalten, hieß es doch, dass Satenfels verflucht sei, wie dieses ganze Land. Doch uns war bewusst: Dies sagte man sicherlich nur, um von den Schätzen abzulenken.
Vier Tage lang kämpften wir uns durch die verfluchten Sümpfe, da trat der Erste von uns in ein Sumpfloch. Dies war nicht wirklich das erste Mal, doch nun konnten wir ihn nicht befreien, nicht retten. Zwei Satenechsen stürzten sich auf ihn. Wir anderen flohen, so schnell wir nur konnten. Und wir besiegten den Sumpf; wir ließen ihn, seinen Gestank, die gefräßigen Echsen sowie die bissigen Fliegen zurück und betraten bald das Hinterland.
Immer hatten wir uns nah der Küste gehalten und langsam wich der Sumpf den steilen Zagurklippen. Da wir wussten, dass Satenfels inmitten dieser Klippen liegen musste, erklommen wir sie. Höher und höher ging es, steiler und steiler ward es. Über uns der dunkle drohende Himmel, links von uns das rauschende graue Meer, rechts von uns das Höhenland der auslaufenden Sümpfe. Einer verlor gleich bei den ersten Aufstiegen den Halt und stürzte schreiend in die Tiefen. Und dabei waren wir erst am Beginn. Wie wäre es wohl gewesen, wären wir von Osten gekommen, die ganzen Klippen zu durchqueren? Noch zu Viert bleibend kämpften wir uns weiter voran. Die Schätze lockten, wir alle konnten sie in unseren Träumen hören. Weit konnte es nicht mehr sein. Doch wir kletterten noch für Tage.
Am zehnten Tage unserer Reis verdüsterte sich der Himmel noch mehr. Schon die ganze Zeit über hatte es immer wieder geregnet, doch nun wurde daraus ein mächtiger Sturm. Das Meer peitschte links von uns an die Klippen, derweil wir uns durch Wind unr Regen, Sturm und Blitze voran arbeiteten. Von Böen gepackt fiel der Nächste in eine Spalte und brach sich die Beine; wir mussten ihn töten. Zum zwölften Tage hin ließ der Sturm zwar nach, doch wir bemerkten, dass uns nun die Nahrung fehle. Nach langem Streit entschieden wir, dass Einer sich opfern müsse.
Am dreizehnten Tage dann erblickten wir letzten Zwei endlich Satenfels. Wie stolz und furchteinflößend zugleich reckt sich dieser düstere uralte Schrecken doch über Klippen und Meer in den finstren Himmel! In einer Stunde machen wir uns auf, sie zu betreten. Wir werden sehen, was seit Jahrhunderten niemand sah, werden uns holen, wonach es allen giert und keiner sich wagte, es sich zu holen.

ENDE

Kommentar

Angeblich wurde dieser Brief von Landvermessern am Fuße der Zagurklippen gefunden. Von wann er stammt, ist nicht genau zu bestimmen. Wahrscheinlich ist, dass ein Betrüger ihn verfasste und selbst in Umlauf brachte. Es ist bekannt, dass immer wieder Abenteurer versuchen, Burg Satenfels zu erreichen, welche einst für ihre Schreckensherrschaft bekannt war und seit dem Blutbad von 2347 als verflucht gilt, doch halten die Landwächter jeden Reisenden eindringlich davon ab.

Tonn Onasi, Jagâharis von Raygadun
Raygadun, Aleca, 07.01.3995

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Geschichten aus Lurruken 2: Tamirús‘ Grab

August 26, 2008

Vor vielleicht hundert Jahren ereignete es sich, dass in Lergis sich ein kleines Grüppchen auf Abenteuerfahrt begab. Die Fünfe, angeführt von Caelin tin Doarm, einem ehemaligen Soldaten aus Kaltric, bewegten sich am ijischen Wall vorbei, immer gefaßt darauf Truppen aus Ijenreich zu begegnen, durchquerten die nebligen Sümpfe am Minîrnsee und bauten sich am Geist schließlich zwei Flöße. Mit diesen kamen sie schneller voran. Mehrere Flüge vor Tummuale, südlich des ijischen Limans, stiegen sie aus und ritten auf ihren Sacarlms – die armen Tiere mussten auf dem zweiten Floß die Fahrt über ausharren – Richtung Nordosten. Nach mehreren Tagen kamen sie an die alte Straße Liman – Tamilor und folgten ihr.

Verlief die bisherige Reise noch ohne Probleme, passierte außerhalb von Tamirús Grab etwas: Annin tin Udarnoch, welcher als Späher seinen Dienst tat und voraus geritten war, galoppierte so schnell ihn die dünnen Stelzen seines Sacarlms trugen – und das bedeutet ein gewaltiges Tempo! – heran, hinter einem Wald hervor.

Ijis! [So nannten die Tarler ihre Erzfeinde aus Ijen liebevoll] Hinter der nächsten Kurve!“ schrie er aufgeregt den anderen ins Gesicht.

Caelin neigte vorsichtig den Kopf zurück und beruhigte ihn: „Sachte Mann! Wie viele sind es? Und wohin bewegen sie sich?“

Annin, der, als ausgebildeter Späher, diese Worte bereits erahnte, sprudelte sofort los: „Zehn Soldaten begleiten eine ihrer Maschinen! Sie scheinen schwer bewaffnet zu sein und bewegen sich direkt auf uns zu!“

Dieser gewaltigen Gefahr beschlossen sie lieber aus dem Weg zu gehen. Sie spurteten auf die nächste Hügelkette zu. Nachteiligerweise war das Land hier aber recht flach, so mussten sie sich mit der Senke eines Flusses, des Millon, begnügen. Sie ritten die Sacarlms so tief es ging in den Fluss hinein, bis den Reitern das Wasser bis zu den Knien stand, duckten sich an die Hälse ihrer Reittiere und bewegten sich flussab.

Der Abenteurertrupp bemerkte irgendwann wie die Flussufer zunehmend undeutlicher zu erkennen waren. Dem Pflanzenbewuchs nach zu urteilen hatten sie das Moor erreicht. Sie verließen das Wasser und schlugen ein Lager auf, denn es war Abend. Die Nacht brach herein.

Als sie so dasaßen am Lagerfeuer, erstellt von Anais Norr, der einzigen Frau in der Truppe, dem Braten, gefangen von Annin und Gyre tin Cando, dem besten Bogenschützen den Caelin finden konnte, beim Brutzeln zusahen und den Geschichten des alten Gelehrten Torndo Padarll lauschten, wurde Caelin bewusst, was für eine nützliche Gruppe er doch im Sold stehen hatte, mit ihnen würde er den Schatz sicher heben können!

Des Nachts, als alles schlief, die Katzen in Maggir grau waren und Gyre an der Reihe war mit Wache halten, sah er plötzlich etwas draußen im Moor…

Am nächsten Morgen konnten seine Gefährten keine Spur mehr von ihm entdecken. Annin jedoch meldete eine sich von Nordwesten nähernde Herde Rezanni.

Beeilen wir uns lieber hier weg zu kommen„, meinte Anais mit überraschender Gelassenheit. Caelin nickte ihr zu und so machten sie sich wieder auf den Weg.

Sie folgten dem Millon weiter Richtung Osten und bogen nach Süden ab, als dieser in den Iol mündete. Die zweite Nacht in Tamirús Grab verbrachten sie in einem merkwürdigen Haus (dessen Zweck Caelis nicht so recht erfassen konnte) an der Mündung des Lurrukenkanals, diesmal ganz ohne Zwischenfall, aber auch ohne leckeren Braten…

Tags darauf gegen Abend, ging beinahe Annin verloren als er auf einer Erkundungstour im Moor steckenblieb. Zwar konnten sie ihn noch retten, sein Sacarlm aber ging auf Tauchstation. Da sie nicht mehr weiterkommen würden, rasteten sie an Ort und Stelle.

Eigentlich müssten wir bereits fast da sein„, meinte Caelin nach einem Blick auf seine Karte.

Die alten Geschichten erzählen, dass Tamilor fast gänzlich im Grab versunken ist„, klärte Torndo die anderen auf.

Nun denn, dann gehen wir morgen auf die Suche“, verkündete Caelis, „Annin! Du übernimmst die erste Wache, Anais die zweite, Torndo die dritte und ich die letzte.“

Annin nickte zufrieden, Torndo war die Einteilung egal, nur Anais warf Caelin einen giftigen Blick zu da er mal wieder eine der besten Schichten für sich beanspruchte.

Das ist doch mein Recht als Anführer„, dachte Caelin in sich hinein grinsend.

Caelin!“

Genau dieser vernahm des Nachts seinen Namen.

Wach auf! Du bist mit der Wache dran!“

Torndo?“ murmelte Caelin verschlafen.

Der alte Mann nickte und legte sich ohne ein weiteres Wort schlafen.

Caelis bewaffnete sich mit einem Speer und ging auf Patrouille um wach zu werden. Und das wurde er ziemlich schnell, als er über etwas stolperte und einen Abhang hinunter purzelte. Er landete zu Füßen…

Eine Tür?“ wunderte er sich.

Mit der Spitze des Speeres – er war in der Mitte zerbrochen – stemmte er sie auf und ging hinein.

Wo ist denn unser mächtiger Anführer hin? Er mag doch wohl nicht von den Moormonstern verschleppt worden sein?“ spottete Anais später ob Caelins unerwarteten Verschwindens.

Wir müssen ihn suchen gehen!“ mahnte der grüne (von der Kleidung her) Aninn und folgte so gleich seinem Vorschlag. Torndo seufzte einmal laut und trottete dann gemächlich hinterher. Anais, die sich für die neue Anführerin hielt, war nicht unbedingt erpicht darauf ihn wieder zu finden. Trotzdem war sie neugierig auf sein Schicksal.

Sie fanden die Tür und betraten die dahinterliegenden Katakomben.

Du gehst voran, Annin!“ Den Befehlston hatte Anais schon gut drauf.

Erst Stunden später entdeckten sie etwas, geleitet von Torndo und seinen Übersetzungen der Altluvaunischen Schrifttafeln. Sie waren scheinbar im alten Palast von Tamilor gelandet und was sie fanden, das war die Schatzkammer… und einen in der Ecke liegenden Caelin.

Er lebt noch…“, der Anblick von Caelins sich hebenden Brustkorbes schien Anais zu enttäuschen.

Was ist das da?“ Ein Fleckchen an der Wand weckte Torndos Interesse. Er berührte das dort hängende Gemälde vorsichtig mit der Hand. Ein Loch im Boden verschluckte ihn daraufhin.

Annin erstarrte, um sein Leben fürchtend.

Großartig! Einer weniger zum Teilen“, freute sich Anais.

Elende…!“ Aninn zückte sein Schwert und griff an. Gebremst wurde er durch den plötzlich in seinem Hals steckenden Dolch.

Hm…“, überlegte Anais, „dich beseitige ich lieber auch noch…“, zückte einen zweiten Dolch und schlich auf Caelin zu.

Doch dieser hatte sich nur schlafend gestellt, er wußte um die Fallen in diesem Raum und wollte genauso wenig teilen wie Anais, das war nie sein Ziel gewesen.

Die überraschte Diebin machte er mit seinem Speer bekannt. Danach schnappte er sich soviel Geld er tragen konnte und verließ die Katakomben.

Auf seinem Heimweg durchs Moor verschwand er, nie kam er irgendwo an…

– Nuosan Deleau, tolomischer Schriftsteller

Lían, Tolome; 22.9.3675

Diese Geschichte wurde nach den Fragmenten eines Reiseberichtes von einem gewissen Annir to Merah (vermutlich ein Teilnehmer der wirklichen, der Geschichte zugrunde liegenden, Abenteuerfahrt).

Um Tamirús Grab ranken sich etliche Legenden, dies war nur eines der bekanntesten.

Zumindest ein Teil Wahrheit darf ihr zugerechnet werden.

Salero y Cyprilla, Toljidarin

Karison, Ojútolnan; 19.4.3994