Der A’Lhumakrieg – XIII: Die letzten Regen

Es fanden große Jubelfeier in Cirmaen statt, als das feindliche Heer geschlagen und auch aus Narrkuva vertrieben worden war. Nachdem diesem abgegolten war, rief der Galryrm Mallan seine getreuesten Gefolgsleute sowie auch mich zu sich, um die nächsten Schritte besprechen zu können. Die Alumen schienen sich auf ihre Seite des Meeres zurückgezogen zu haben, doch hielten sie immer noch Kuthaern und Gulrunn. Zwar waren die Festen von Tarle stets einzelgängerisch gewesen, doch konnte man bisher noch nie zulassen, dass ein anderer Tarler einem feindlichen Ausländer allein gegenüberstand, weshalb sich zahlreiche Stimmen erhoben die eine Befreiung der anderen Festen forderte. Nach einigen lautstarken Gesprächen musste Mallan schließlich diesen Forderungen zustimmen.

Während in Narrkuva alles vorbereitet wurde und die Einheiten Cirmaens sich dort sammelten, erschienen eines Morgens plötzlich Schiffe, die sich schnell als die Hardens und Thalgrens herausstellten. Die anderen Festen hatten einige wenige verfügbare Einheiten abgestellt Cirmaen zu unterstützen, als sie von der Belagerung erfuhren. Sie kamen spät, doch waren wir trotzdem froh sie zu sehen, konnten sie uns doch bei der Befreiung Kuthaerns helfen. Armeen dieser drei Festen zusammen hatte man seit Jahrhunderten nicht mehr gesehen, doch arbeiteten sie nun zusammen gegen einen gemeinsamen Feind.

Kuthaern war schwach besetzt zurückgelassen worden, hatte es doch auch kaum Zugang von Seiten der Alumen. Innerhalb von nur zwei Tagen hatten wir die Besatzer zum Aufgeben gezwungen, wenngleich sie noch nichts von der Niederlage ihrer Armee erfahren hatten und sich eigentlich in gut zu verteidigender Lage befanden. Von den Alumen aber hörten wir, dass sie froh waren dieses Land zu verlassen, da aus der Wüste und den nördlichen Felsentälern allerlei seltsame Lebewesen angekrochen kämen, gegen die sie sich verteidigen mussten. Maraine bestätigte mir, dass es Kuthaerns Aufgabe war, alles aus diesen Gegenden von einem Eindringen in die östlichen und südlichen Länder zu hindern. Auch mir schauderte es bei diesem Gedanken, doch waren die befreiten Kuthaerner sicher, dieser ihrer Aufgabe wieder nachgehen zu können.

So waren wir frei, dem armen Gulrunn zu helfen. Zurück in Narrkuva waren Nachrichten aus Harden und Thalgren eingetroffen, die uns nun auch in dieser Weise Glück bei unseren Unternehmungen wünschten und die weitere Benutzung ihrer Truppen gestattete, um Gulrunn zu befreien. Nichts hielt uns also auf, dieser letzten Aufgabe nachzugehen, außer – die Alumen. Der einzige Weg von Cirmaen nach Gulrunn führte entweder über gefährliche Pässe durch den Udarwald oder am Rande der Berge entlang ein kurzes Stück durch Aluma westlich an Daminro vorbei.

Wir entschieden uns trotz der Gefahr zusätzlicher Kämpfe für letztere Möglichkeit und schifften die Einheiten gen Osten, um dort an Alumas Küsten anzulegen. Hin und wieder dann stellte sich uns eine kleine Einheit Verteidiger in den Weg, doch ernsthaft kämpfen mochte niemand gegen unsere Übermacht. Daminro selbst vermieden wir so gut es ging, sahen es aber verteidigungsbereit in der Ferne liegen – und dann ging es in die Wälder, wo wir uns auf die Pfade und Straßen verlassen mussten, um uns nicht zu verirren.

Am zweiten Tag unserer Reise durch diesen Wald fiel uns plötzlich und überraschend etwas in den Rücken und Flanke, von dem wir erst später merkten, dass es teils Einheiten aus Daminro, größtenteils aber Holzfäller und Köhler aus den Wäldern waren. Verzweifelt fielen sie uns an, doch konnten sie letztlich niemals gegen uns siegen. Und so plötzlich sie gekommen, waren sie auch wieder verschwunden.

Am dritten Tage überschritten wir die unsichtbare Grenze von Gulrunn und am vierten erreichten wir dessen offenes Land. Nach weiteren Tagen Fußmarsch berichteten unsere Späher, dass wir bereits erwartet wurden: andere tarlische Armeen lagerten unweit westlich der Feste. Am nächsten Tag vermochten wir unseren Augen kaum zu trauen, als wir vor Gulrunn auf unzählige Krieger stießen, welche die Feste bereits belagerten. Aus Begghyrn und Badros waren sie gekommen uns beizustehen und die Alumen aus Gulrunn zu vertreiben.

War bereits die Vereinigung der Festen Cirmaen, Harden und Thalgren bei Kuthaern seit Jahrhunderten ohne Beispiel gewesen, so übertraf dies nun alles bisher dagewesene seit ungezählten Zeiten. Schon oft war Gulrunn in der Vergangenheit Ziel kriegerischer Streitigkeiten aus dem Norden gewesen; wir wollten dies endgültig beenden. Unsere Einheiten so lagern lassend, dass sie zusammen mit denen der anderen Festen einen Halbkreis um Gulrunn herum bildeten, traf Mallan sich mit den anderen Galryrms. Sie berieten sich den Rest des Tages und als er Abends zurückkehrte, hatte er einiges zu berichten.

Zunächst erzählte er von den Besatzern Gulrunns, die jetzt schon Wochen Zeit gehabt hatten, sich festzusetzen. Nach der Niederlage bei Cirmaen hatten sich offenbar die Reste der alumischen Armee dorthin zurückgezogen, um uns zu erwarten und ihre Stellung zu verfestigen. Gulrunn strotzte nun nur so vor alumischen Waffen, die alle auf uns vorbereitet waren. Wir würden ähnliche Belagerungs- und Kriegsmaschinen gegen den Gegner verwenden, wie es dieser vor Cirmaen getan hatte, um zu ihm vorzudringen, dabei in der Hoffnung bleibend, dass sie die Feste freiwillig freiwillig aufgeben würden. Tarler waren nicht bekannt für Grausamkeit und daran sollte sich nichts ändern.

Der Angriff fände bei Morgengrauen statt, also sollten wir alle gut schlafen. Ich würde erneut in Maraines Einheit verbleiben. Uns gehörte die Aufgabe in das Innere vorzudringen nachdem ein Tor offen oder Türme an den Mauern wären. Uns zur Hilfe standen Schützen, Ballisten, Türme, Rammen und sogar einige Tomaren. Nur Katapulte wollte man nicht verwenden, um Gulrunn nicht unnötig zu zerstören.

Statt sofort schlafen zu können sprach ich bei einem Abendessen noch mit Maraine über unsere Befürchtungen und Träume. Maraine, dessen Heimatdorf unweit von Gulrunn lag, hatte seine Verlobte dort in der Feste und damit genug Gründe sich zu sorgen, doch auch viele andere in unserem Lager besaßen Freunde und Verwandte in Gulrunn, die es zu schützen galt. Und alle sahen dem Morgen mit Ungewissheit entgegen. Nach langen Augenblicken tiefster Gedanken fiel ich mitten in der Nacht endlich in meinen Schlaf. Am nächsten Morgen weckten uns die Hörner; es blieb kaum Zeit zum ankleiden.

In den Morgenstunden machten sich die Armeen fünfer Festen auf eine sechste zu befreien. Zuvorderst kamen die Schilde, derweil ihnen Schützen Deckung gaben und die Tomarenreiter für Verwirrung unter den Verteidigern sorgten. Gleichzeitig wurden die Belagerungstürme voran geschoben, in welchen weitere Schützen sowie wir warteten, bis die Mauern erreicht wären. Die Verteidiger besaßen keine Möglichkeit unsere Türme zu zerstören und mussten so unser Nahen hoffnungslos mitansehen, derweil ihre Pfeile nutzlos im Holz der Türme steckenblieben.

Hatten wir endlich die Mauern erreicht, ließ man eine kleine Brücke herab, über die wir kriegsschreiend auf die Mauer strömten, derweil unsere Schützen diese Mauer bespickten. Die erste Reihe von Verteidigern war noch gut kampfeswillig, so dass uns nichts anderes übrigblieb. Seite an Seite mit Maraine focht ich einen Weg über die Mauer hinüber zur zweiten Mauer, nur um festzustellen, dass diese mit Gittern abgesichert war.

Während einige der unsren das Haupttor öffneten um die großen Rammen für das zweite Tor zu holen, suchten wir andere Wege hinüber in den nächsten Hof, doch fanden wir keinen. Die Rammen droschen auf das Tor ein, und die Edlen und Galryrms von Tarle selbst kamen in diesen ersten Hof, um durch das zerborstene Tor ihren Kriegern voran in den nächsten zu strömen und wir hintendrein.

Der nächste Hof aber erwies sich als Falle; es war ein langer schmaler Weg die dritte Mauer entlang. Von oben regnete es Pfeile und wir unten konnten kaum mehr tun als uns mit Schilden zu schützen. Auf ähnliche Weise ging es durch die nächsten Höfe, zwischen denen auch immer wieder Tore zu zerstören waren. Irgendwo hier muss es gewesen sein, dass ein Pfeil den Galryrm Mallan tödlich getroffen von seinem Pferd fallen ließ, doch die Krieger von Cirmaen wussten auch ohne ihren Anführer um ihre Sache weiterzustreiten.

Im fünften Hof fanden sich endlich wieder Wege die Mauer hinauf, von wo aus man endlich die ganze Eingangsburg von Gulrunn erreichte; bald war sie unser. Jetzt hätte es noch die Stadt sowie die zweite Burg gegeben, doch in ersterer hatten die Bürger sich bereits erhoben und zweitere ergab sich dann wie erhofft uns kampflos. Endlich also konnten wir die Befreiung Gulrunns feiern, doch mussten gleichzeitig über unsere Verluste trauern. Maraine dagegen fand seine Versprochene wohlerhalten und war den restlichen Tag nicht mehr aufzutreiben. Die überlebenden Galryrms, sofern anwesend, beschlossen die Alumen frei ziehen zu lassen, wenn sie dieses Land verlassen und nicht zurückkehren würden, wozu deren Anführer gerne zustimmten, schienen sie doch auch des Krieges ihres Königs überdrüssig.

Da der Galryrm von Gulrunn bereits bei der Eroberung durch die Alumen ums Leben gekommen war, hielt am nächsten Tag, mitten in den Aufräumarbeiten, das Volk bereits eine Wahl ab, den neuen Galryrm zu bestimmten. Die Truppen der anderen Festen aber zogen wieder heim, nicht ohne vorher noch auf die Unterstützungspakte und Freundschaft anzustoßen. Auch die Mannen von Cirmaen mussten jetzt heim, doch ward ihr Marsch ein Trauerzug.

Die Alumen hatten uns freie Pfade durch ihr Land zugesichert, und so wurde der tote Galryrm Mallan von dem Zug seiner Krieger begleitet durch Aluma über Narrkuva nach Cirmaen gebracht. Ab Narrkuva bewies ihm jeder Tarler, an dem wir vorbeikamen, die stille ehre und uns laute Siegesfeiern, doch war nicht allen von uns zum Feiern. Maraine tin Arath war jetzt Ranghöchster, weshalb er den Zug anführte, begleitet von anderen Edelmännern sowie mir. Er war es auch gewesen, der mich überhaupt dazu gebracht hatte mit zurück nach Cirmaen zu kommen, wo noch Überraschungen auf mich warten sollten. Dort gestaltete es sich zunächst kaum anders denn bisher, auch die Cirmaenen befeierten zugleich die Siege als auch ihren Verlust, war Mallan doch im Volk beliebt gewesen.

Am Tag nach unserer Rückkehr, nach einer langen Nacht voller Feste, wurde Mallan ebenso feierlich in den Grüften der Edelmänner Cirmaens, weit hinten im Tal, beigesetzt. Die Feste quoll über von Volk, als auch Bauern, Minenarbeiter und Förster aus dem Tal in den Ort kamen, der ihr aller Leben sicherte. Bei Einbruch der Dunkelheit führte ein feierlicher Zug von der Burg aus durch die Stadt, die Hinterburg sowie das Tal Mallan zu den Grüften hinauf; der Pfad gesäumt von unzähligen stillen Fackelträgern.

Einen weiteren Tag darauf fand die Wahl des neuen Galryrm statt. Der Gildenrat traf in seiner Burg zusammen, nachdem ihre Vertreter bereits am Vortag mögliche Anwerber vorgeschlagen hatten. Letztlich hatte auch das Volk noch eine Stimme; wer immer von genügend Einwohnern vorgeschlagen wurde, kam ebenso in die Auswahl des Gildenrates. Dessen Sprecher fragte von einem Balkon der Burg herab das Volk, wen sie vorschlagen würden, und zu meinem Erstaunen vernahm ich aus allen Ecken des Platzes laute Rufe:

Acles Tovan Mhoretoan!

Auch der Sprecher schien erstaunt und fragte das Volk:

Seid ihr sicher? Er ist ein Ausländer; kommt nicht aus Cirmaen, noch aus Tarle!

Doch das ertönende Ja nach seiner ersten Frage erstickte die weiteren Worte. So kam also auch ich mit in den Saal, wo der Rat sich über den nächsten Galryrm beriet, während ich überlegte, ob ich mich überhaupt niederlassen und das Reisen aufgeben wollte. Wir hörten jedes Wort des Rates während der Beratschlagung und überlegten schon selber, wer es werden mochte, doch Maraine war sicher, dass die Wahl auf mich fallen würde und schwor mir so oder so seine ewige Freundschaft und Ehrergiebigkeit.

Letztlich dann erhob sich der Sprecher wieder und stellte seine Frage, obwohl wir bereits alles wussten:

Acles Tovan Mhoretoan, ihr seid nicht aus Tarle, doch das Volk von Cirmaen und ganz Tarle liebt und vertraut euch. Viel habt ihr bereits für uns getan; nun fragen wir euch: Würdet ihr euer Leben den unsrigen verschreiben?

Ich hatte lange Zeit zum Überlegen gehabt und konnte schnell und überzeugt antworten.

Wenig später stellte der Rat dem Volk den neuen Galryrm von Cirmaen vor.

In den folgenden Jahren sah sich die Feste, abgesehen von einem kleinen Zwischenfall, einer Zeit des Friedens und der Ruhe ausgesetzt, was sie gut zu nutzen wusste. Von den Alumen hörten wir kaum noch etwas, bis ihr nächster König wieder um Handel mit uns bat. Der Krieg zwischen Tarle und Aluma, das sich später unter ihrem nächsten König A’Lhuma nannte, war vorbei und wir wollten alles daran setzen, dass nie wieder einer entstände.

Als wichtigsten Berater und rechte Hand erkor ich mir für diese Aufgabe meinen Freund Maraine tin Arath, der seitdem zusammen mit seiner Frau bei mir in der Burg von Cirmaen lebt.

Damit endet die Schilderung, wie ich meine Reisen aufgab und zum Galryrm erwählt wurde.

 


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