Der A’Lhumakrieg – XI: Wie sich das Gewitter staute.

Mein Name ist Acles Tovan Mhoretoan. Ich schreibe dies in einer Zeit der Ruhe, auf dass ich es später nicht vergessen mag. Ursprünglich kam ich aus dem fernen Zardarrin, doch zog es mich fort. Von meinen jungen Jahren gibt es genug Geschichten, lasst mich nun bloß von dem Krieg zwischen A’Lhuma und Tarle berichten.

Damals nannte ersteres sich Aluma und hieß zuvor Sacaluma, doch hatte gerade ein neuer Herrscher die Macht an sich gerissen, als ich aus dem Westen heimkehrte. Das dortige Volk des Echris Sirenn sowie die Tarler waren bereits meine ewigen Freunde geworden, da wollte ich erfahren, was in meiner Heimat geschehen war. Ich wusste also nicht, was mich erwarten würde, als ich die Lande des Echris Sirenn verließ. In Badros aber hörte ich bereits schlimme Nachrichten.

Die Alumen griffen Tarle an, verkündete man, und ich musste mich zunächst erkundigen, wer denn die Alumen seien. Nachdem dies geschehen war, erfuhr ich weitere Neuigkeiten, die man sich zu erzählen wusste: Das Wüstentor Kuthaern war erobert, Gulrunn und Narrkuva bedrängt. Kämen Begghyrn und Cirmaen – und anschließend Badros – als nächstes? So gut es ging versuchte auch ich das Volk zu beruhigen, denn noch nie war Tarle erobert worden, so uneins die Festen sich auch manchmal sein mochten. Viele glaubten mir, und so zog ich weiter.

An Gulrunn vorbeiziehend sah ich bereits die Fahnen der Alumen über den Zinnen gehisst und wusste hier nichts mehr tun zu können. Das Land um die Feste war verwüstet, Dörfer geplündert und verbrannt und zahlreiches Volk befand sich auf der Flucht. Die Feste selber schien aber größtenteils weiter bestehend. Als ich mir die Stadt ansah erkannte ich, dass ein Großteil der feindlichen Armee wieder abgezogen war – nach Norden, wie mir die Bürger verrieten.

Not und Elend sah ich in der Stadt und wusste, dass ich dem Volk von Tarle helfen musste. Einige kräftige Burschen waren der Stadt verblieben, die gegen die Besatzer kämpfen wollten. Einen von ihnen kannte ich noch von früher und mit seiner Hilfe überzeugte ich auch die anderen, dass es vorschnell wäre das Schwert zu erheben. Stattdessen sollten sie die anderen Festen um Hilfe bitten und in Kampfbereitschaft versetzen, derweil ich mich entschloss in die feindliche Armee einzudringen und ihre Pläne zu erfahren.

Nach Tagen der Verfolgung fand ich den Haufen endlich lagernd vor Badern – einer alumischen Stadt. Badern schien nicht zum ersten Mal in den letzten Monden eine Armee bei sich gesehen zu haben. Volk auf der Straße erzählte von den Ängsten, dass eines Tages diese oder andere Armeen vielleicht gegen ihre Stadt und Dörfer ziehen könnten. Andere sprachen von den Vorteilen, die diese fremden Krieger ihnen bringen würden, doch waren Leute jener Art in der Unterzahl.

Die Armee war mittelgroß; vermutlich waren die größeren Streitkräfte woanders. Sie hatten sich eine Zeltstadt erbaut, die Badern an Fläche gleich kam, und sie mit flachen Erdwällen und dort hineingerammte Pfähle gesichert. Wen sie wohl schreckliches erwarten konnten, den eine solche Verteidigung abschrecken müsse? Die Wachen am Eingang waren zumindest kaum – wachsam. Ein kleiner Strom von Volk ging ein und aus: Krieger, Händler und sogar Bauern. Die letzteren mochten Nahrung und Handelsgüter bringen.

Ich weiß nicht, für was sie mich hielten, doch musterten sie mich nur flüchtig, als ich selbstbewusst das Lager betrat. Vermutlich aber sah ich für sie aus wie viele der Krieger in diesem Lager, stellte die Armee sich doch als bunt zusammengewürfelter Söldnerhaufen heraus, der keine einheitlichen Farben, Ausrüstungen oder Wappen kannte.

Einen Tag und eine Nacht verbrachte ich bei diesem Haufen. Wild und planlos waren sie gepflanzt, diese Zelte und andere Lagerstätten. Mal tummelten sich mehrere, mal nur ein Krieger vor so einem Zelt als es dunkler wurde, um ein Süppchen zu kochen. Einem dieser ahnungslosen Gesellen verdanke ich viele Worte über das Ziel des Heeres sowie sein Zelt als Schlafplatz. Wie ich dies anstellte will ich nun schildern.

In einer dunklen Hintergasse fand ich diesen Krieger wie er über einer kleinen Feuerstelle umgeben von Stoffzelten hockte. Ihn grüßend setzte ich mich zu ihm und fragte ob ich auch etwas bekommen könnte. Mich misstrauisch beäugend willigte er schließlich ein. Wahrheitsgemäß erzählte ich im Lager neu zu sein und fragte nach Neuigkeiten. Es dauerte eine Weile das Eis zu brechen, doch nachdem er mir vertraute, wurde er zum wahren Wasserfall. Von Gulrunns Eroberung sprach er und wieviel es dort zu erbeuten gab.

Der Hauptmann hatte uns verboten zu plündern und zu vergewaltigen, sprach er, doch mal ehrlich; wer könnte da widerstehen? Ich hatte viel Spaß in einem der Häuser dort!

Und dann lachte er ein dreckiges Lachen, dass mir wahrhaftig schlecht werden ließ, doch musste ich gezwungenermaßen in sein Lachen einstimmen.

Es gab also viel zu holen, sagte ich, doch wann könnte ich auch etwas bekommen?

Da tat er geheimnisvoll, doch weihte mich ein, dass das nächste Ziel Cirmaen sein würde, und dass ich dort auf meine Kosten kommen würde. Ehrlich überrascht wunderte ich mich. Cirmaen galt doch als uneinnehmbar, doch der Mann versicherte mir, dass dort angelangt eine Geheimwaffe auf das Heer warten würde. Auf meine drängenden Fragen was dies sei wusste er nichts zu antworten, also bot er mir stattdessen etwas von seinem billigen Wein und wollte auf den Untergang Cirmaens und Reichtum für uns anstoßen. Da ward ich seiner überdrüssig, schlug ihn nieder, fesselte und knebelte und versteckte ihn so gut es ging, dass eine Weile lang ihn keiner finden könnte.

Immer noch wusste ich nicht genug und ging im Lager umher, auch anderen zu lauschen. Die Söldner sprachen über für mich belanglose Dinge wie ihren daheimgebliebenen Familien und Frauen sowie über für mich abstoßende Dinge wie ihre erfolgten Plünderungen, Vergewaltigungen und Tötungen Unschuldiger, dass ich sie am liebsten sofort erschlagen hätte. Doch zügelte ich mich und vernahm auch Nützliches.

Am brauchbarsten war es hierbei eine Gruppe von Hauptleuten aus dem Dunkel heraus zu belauschen, wie sie in einem großen Zelt Besprechung hielten. Am nächsten Morgen wollten sie die Truppen in Bewegung setzen, damit es sich in Daminro mit einem zweiten Heer, in dem auch ein hoher Adliger namens Somm Orichin wäre, vereinigen könnte. Dieses Heer schien der König selbst zu führen und sofort hätte ich meine Hände an ihn gelegt, hätte ich doch nur einen Pfad in sein schwer befestigtes Zelt gefunden. So blieb aber nur den Hauptleuten zu lauschen.

Ab Daminro sollte es weitergehen gen Nordwest zum Meer, wo sie aus einem kleinen Hafen hinaus nach Narrkuva fahren wollten. Narrkuva war schwer zu erreichen, doch leicht zu erobern, so dass sie von dort über die Brücke nach Cirmaen könnten. Derweil blieb in Gulrunn nur eine kleine Besatzung, die aber bald aus dem Osten verstärkt werden würde. So hoffte ich, dass die von mir entsandten Boten die anderen Festen schnell erreichten um Gulrunn zurückzuerobern, bevor diese Verstärkung käme und entschloss mich selber nach Cirmaen zu bringen um es zu warnen.

Da keiner der Hauptleute über eine Geheimwaffe sprach und es spät wurde, legte ich mich bald erschöpft im Zelt des niedergeschlagenen Söldners zur Ruhe. Nach wenigen Stunden Schlaf erwachte ich vor allen anderen, stahl mir von der umzäunten Weide ein Reittier und entschwand gen Narrkuva. Der Weg dorthin war einigermaßen schwierig. Da Krieg herrschte gab es verstärkte Zölle und Straßenwachen, denen ich bis Daminro jedes Mal gut ausweichen konnte. Dort erblickte ich die im Schatten des Waldes lagernde Armee bereits, zigmal größer als das Heer in Badern, doch hielt dafür nicht an.

Im Dorf Maen-am-Meer war es schwer eine Überfahrt nach Narrkuva zu bekommen. Zwar herrschte hier noch kein Krieg, doch niemand wollte es wagen. Allerdings fand ich einen Fischer, der aus dem Dorf fliehen und mir deshalb sein Boot für mein Tier bieten wollte. Zwar war ich kaum das Segeln gewöhnt, doch irgendwie schaffte ich es nach Narrkuva, das sich der Gefahr noch gar nicht recht bewusst zu sein schien.

Lange versuchte ich das Volk zu warnen, doch konnten sie nicht so recht daran glauben. Und selbst wenn sie es getan hätten – Narrkuvas Schutz war das Meer, keine Mauern oder Waffen. Wenn es jemand schaffte es zu erreichen, konnte es sich nur ergeben. Also verließ ich es, eilte die Brücke entlang nach Cirmaen. Diese Feste liegt im Tal der meernahen Berge, seinen einzigen Zugang riegelt eine gewaltige Mauer ab, geschützt von Türmen und dem Meer.

Im Torhaus auf der Brücke vor der Feste tat man wie gewöhnlich seinen Dienst. Zwar war die Feste durch Nachrichten aus Kuthaern verteidigungsbereit, doch erkannten die Wächter mich noch von früher und ließen mich ein. Innen erblickte ich das Volk der Stadt, das kaum Angst aufwies, vertraute es doch auf die Stärke seiner Feste und seinen Galryrm. Diesen Galryrm aber galt zu warnen, doch – wie? Ich kannte ihn nicht, noch die Wächter zu seiner Burg und Einlass für Fremde gab es nicht. Überlegend wanderte ich durch die Stadt, bis ich diesen würfelspielenden bärtigen Hauptmann erblickte.

Als er seinen Gegner besiegt hatte, bot ich an für diesen einzusteigen und stellte mich vor. Mich erkennend freute er sich über diese Herausforderung und nannte sich selber Maraine tin Arath. Das Spiel dauerte nicht lang, hatte ich doch schnell sein Vertrauen gewonnen und ihm von der marschierenden Armee erzählt. Zwar war auch er sicher, dass die Mauern diese abhalten würden, doch stimmte er mir zu, dass der Galryrm davon erfahren müsse. Mich zur Burg bringend befahl er uns Einlass zu geben und nach Rücksprache mit dem Galryrm ließen uns dessen Leibwächter hinein.

Mallan war bereits in Cirmaen geboren und nun seit zwanzig Jahren dessen gewählter Galryrm.

So, ihr seid also Acles Tovan Mhoretoan – Maraine erzählte mir von euch, sprach er, doch ich hörte noch nie zuvor von euch – und Fremden kann man in diesen Tagen nicht trauen.

So war es also – er vertraute mir nicht. Viel Überzeugungsarbeit auf mich zukommen sehend fing ich damit an. Ich fragte nach der Erlaubnis von meinen letzten Erlebnissen berichten zu dürfen und bekam sie. Von der Eroberung Gulrunns hatte er gehört, was für ihn zwar beunruhigend, doch noch nicht fürchterlich war. Von dem Heer in Badern hörte er mit Interesse und lachte gar darüber, dass ein ’so kleines Heer‘ ganz Gulrunn bezwungen hatte. Bei der Schilderung der Armee in Daminro wurde sein Blick aber nachdenklich und als ich erzählte, was mir der Söldner in Badern gesagt hatte, sprach er dazwischen.

Ich glaube noch immer nicht, dass ein König von Sacaluma – Aluma, berichtete ich ihn – so verrückt sein könnte uns hier in Cirmaen angreifen zu wollen, sprach er. Wir haben die dicksten und höchsten Mauern und fähigsten Krieger von ganz Tarle – und stärker als Tarle ist niemand. Trotzdem will ich eure Warnung zumindest überprüfen lassen, also seid mein Gast bis meine Boten aus Narrkuva zurück sind.

Damit entließ er uns und ich musste einige Tage untätig in Cirmaen verbringen, derweil die Feinde immer näher rückten. Wäre es nicht um das mir geliebte Volk von Tarle gegangen, ich mochte mich aus dem Streit herausgehalten haben. So aber stellte mich Maraine den anderen Hauptleuten sowie seinen eigenen Kriegern vor und von allen erhielt ich die Erlaubnis, sie auf einen Angriff vorzubereiten. Der Galryrm hörte zwar davon, doch ließ mich gewähren, da selbst bloße Übungen nie schaden könnten. Viele von ihnen lernte ich in diesen Tagen gut kennen und vor allem Maraine selbst mochte ich bald mein Vertrauen schenken.

Am vierten Tag dann war es soweit, dass die Boten aus Narrkuva zurückkamen. Erschöpft und zerritten sollen sie in der Burg angekommen sein, doch verkündeten sie schon unterwegs in der Stadt lauthals, dass Narrkuva erobert worden war. Zusammen mit Maraine eilte ich mich, zum Galryrm zu gelangen. Dieser sah gram- und sorgenvoll aus.

Acles Tovan Mhoretoan… -, ihr hattet Recht, sprach dieser langsam, der wahnsinnige König will uns angreifen. Narrkuva ist bereits sein und schon schiebt er Kriegsmaschinen über die Brücke. Ich gebe an all meine Hauptleute den Befehl, die Verteidigung vorzubereiten.

Da fragte ich ehrerbietig darum, bei dieser Aufgabe mithelfen zu dürfen.

Sucht euch einen meiner Hauptleute aus, sprach er, ihr könnte euch ihm anschließen.

Und so kam es, dass ich als rechte Hand des Hauptmannes Maraine tin Arath durch Burg, Stadt und Feste eilte, alle für die Verteidigung zusammenrufend. Zwei Tage sollten uns für die letzten Vorbereitungen bleiben, bevor der Feind angriff. Und selbst das Volk der Stadt kramte seine Waffen und Bögen heraus, um im letzten Falle ihre Stadt von den Dächern ihrer Häuser aus zu verteidigen. Doch soweit wollten wir es nicht kommen lassen.

Und dann kam der Tag des Angriffs.

 


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